Nehmen wir doch den Tod gleichwie das Leben als diesseitiges, als irdisches Geschehen. Nehmen wir beides als Geschenk! Verzichten wir, was den Tod angeht, getrost auf alle antiken oder vulgärbiologischen Tröstungen einer „Rückkehr in die Natur“. Das menschliche Leben – dieses menschliche Leben – hört auf. Basta!
Unser memento mori gilt dem diesseitigen Leben, nicht aber dem Seelenheil. Gibt es nämlich keine Zukunft jenseits des Sterbens, gibt es auch keine Gründe, die Gegenwart wegzuwerfen; und weil der Mensch ein Mensch- und derweil der Tod das gewusste Ende ist, hat auch die Sparsamkeit an Lust, an der Liebe und an Genuss – nur begrenzt Sinn. …
Sinnstiftend gründeten wir also – nicht zuletzt natürlich nicht nur aber auch der zu erwartenden jedenfalls erhofften Steueranteile wegen (die wir natürlich einzuklagen bereit sind, andere bekommen das schließlich auch) die „Religionsgemeinschaft Veritanische Akademie Heidelbergensis“.
Da wird uns alleweil und allüberall das „Hohe Lied der Arbeit“ gesungen, einer Arbeit, die angeblich unverzichtbar zur Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit gehört. Der veritanisch disponierte Mensch, also einer im Vorstadium seines wissenschaftlichen Studiums an der „Veritanischen Akademie zu Heidelberg“ (Kontakt: gottschling@rundschau-hd.de) begegnet solchen Ideologien mit grundsätzlichem Unbehagen und tiefem Misstrauen.
Durch unsere Institution wird der Adept theologisch davon unterrichtet, das nach Genesis 2,8 Gott einen Garten Eden pflanzte und Adam, den Menschen, mitten hineinsetzte, in ein Paradies also, in dem dieser Mensch ein müheloses und sorgenfreies Leben hätte führen können. Hätte können – es sollte sich dann aber das Mysterium des Sündenfalls (Gen 3,17) begeben und Gott sprach: „In Kummer sollst du essen alle Tage deines Lebens und du sollst vom Kraut des Feldes leben … Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen“. Das wurde zweifellos von Vegetariern, Müslifreaks und Vollkornaposteln zu wörtlich genommen. Wie auch immer schwitzen die Menschen nun nicht nur bei der Arbeit, die ja im Paradies eigentlich gar nicht vorgesehen war, sondern auch beim Essen von Sauerkraut und Sauerbraten, bei Schlachtplatten, Hummerschwänzen und allerlei Patisserie.
Jedoch ist der Mensch ursprünglich zweifellos zur Muße geschaffen!
Unsere Religionsgemeinschaft jedenfalls hat das zu ihrem Credo gemacht …
Bereits die klugen Griechen wußten das. Sie pflegten die Muße in der Weise, als sie sich auf philosophische Gespräche einließen, und erörterten auf diese angenehme Art mathematische, geometrische, politische und astronomische Probleme. Das alles nannten sie „skolé“ und spazierten dabei im Schatten von Pinien und Zypressen. „Skolé“ bedeutet aber nicht Schule, sondern Muße. Für Schule gab es ein anderes Wort, nämlich „didaskaleion“, was soviel wie Lehranstalt heißt. Erst die Römer machten aus „skolé“ ihre „schola“ – wer über all dies auch nur ein ganz bisschen mehr als gar nicht nachdenkt, wird leicht erkennen, dass unsere Schule in eigentlich griechischen Sinn ein komplettes Mißverständnis ist.
An der veritanischen Akademie zu Heidelberg hingegen wird gelehrt, es gehöre zur Mittelmäßigkeit, sein Selbstwertgefühl vorwiegend aus der Arbeit zu stabilisieren und die Freizeit totzuschlagen, statt sie in Muße zu genießen. Der Veritologe wird nach der Erkenntnis leben, dass der Fleiß Mittelmäßiger mehr Schaden anrichtet, als die Faulheit der Begabten. Deshalb wird er auch nicht müde (man verlasse sich darauf), das Mittelmaß und die mit ihm verbundene Selbstgerechtigkeit bloßzustellen.
Nun ist es aber eine Form – auch – der Arroganz, Mittelmaß und Mittelmäßigkeit entlarven zu wollen, wenn die Einsicht fehlt, dass man selbst dazu gehört. Die Herausforderung an den Veritologen besteht nun darin, diesen Zustand zu reflektieren und damit zu transzendieren. Er weiß, dass ein Mensch, der keine Dummheit macht, auch nichts Gescheites zuwege bringt.
Doch er wird sich auch nicht mit der Feststellung begnügen, dass gesellschaftlich kaum etwas so erfolgreich sei wie die Dummheit, wobei das Recht auf Dummheit schließlich sogar von der Verfassung geschützt ist; es gehört zur Garantie für freie Entfaltung der Persönlichkeit. Es darf nun aber andererseits der Klügere unter den Mittelmäßigen, also der Veritologe, nicht, wie das geflügelte Sprichwort nahelegt, Volkesmundes wegen nachgeben. Würde doch so die Weltherrschaft der Dummen gefestigt.
Wir, wer wüßte das besser als Jürgen Gottschling, schaffen uns keine Freunde unter jenen,
die wir (auch künftig!) mit veritologischem Florett attackieren. Dabei halten wir es mit Jean Paul Sartre, der wusste, dass, „wer die Dummköpfe gegen sich hat, Vertrauen verdient“. Lasset uns denn also – auf dass das auch das Finanzamt mitbekommt – beten. Und (im Vertrauen auf uns) dereinst fröhlich sterben! Katharsis – die emotionale und psychische Reinigung – ist angesagt. Anderswo wie auch und gerade hier und jetzt! Staat, tu was für uns.
Und, ZDF gib uns Raum für unser Wort zum „Frei-Tag“- Drei mal drei ist neune, ihr wißt schon, wie ichs meune …