Die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO war lange die einflussreichste Vertreterin ihres Volkes. Ihr Führer Jassir Arafat war gefürchtet – gewann später aber sogar einen Friedensnobelpreis. Was will die PLO heute – Er nimmt für sich in Anspruch, für alle Palästinenser und Palästinenserinnen zu sprechen. Doch Mahmud Abbas schwieg fünf Tage lang zu den Massakern der radikalen Palästinensermiliz Hamas auf israelischem Territorium, zu den massiven Raketenangriffen aus dem Gazastreifen, zum Kriegsgeheul der schiitischen Terrormiliz Hisbollah im Süden Libanons.

Für Abbas‘ langes Schweigen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz nur ein Wort übrig: Es sei „beschämend“, sagte er

Abbas – seit 2004 Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), seit 2005 Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und seit 2008 Präsident des von der PLO ausgerufenen Staates Palästina – ließ dann doch noch eine dürre Erklärung veröffentlichen. „Wir lehnen die Praxis, Zivilisten zu töten oder sie zu misshandeln, auf beiden Seiten ab, weil sie gegen Moral, Religion und internationales Recht verstößt“, so der 87-jährige Palästinenserpräsident.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Palästinensischen Befreiungsorganisation PL

Eine deutliche Distanzierung vom Hamasterror würde anders klingen. In einem Gespräch mit dem jordanischen König Abdullah II., so berichtet die amtliche palästinensische Nachrichtenagentur Wafa, habe er dem Monarchen in der vergangenen Woche versichert, die einzig legitime Vertretung der palästinensischen Bevölkerung sei die PLO, die „an internationaler Legitimität, friedlichem Widerstand der Bevölkerung und politischem Handeln festhält, um unsere nationalen Ziele der Freiheit und Unabhängigkeit zu erreichen“.

Antony Blinken (links), Außenminister der USA, reicht Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, zu Beginn von Gesprächen in Jordanien am 13. Oktober 2023 die Hand.
Bilder aus der Vergangenheit: Ein Kämpfer der Kassam-Brigade vor Graffiti des früheren Palästinenser-Führers Jassir Arafat (rechts) und des früheren Hamas-Chefs Scheich Ahmad Yassin.

Antony Blinken (links), Außenminister der USA, reicht Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, zu Beginn von Gesprächen in Jordanien am 13. Oktober 2023 die Hand.

Abbas, der als Holocaust-Relativierer und -Leugner gilt, hat offensichtlich den Blick auf die Realität verloren. Die PLO, die von 1969 bis zu dessen Tod von Jassir Arafat geführt worden war, hat schon lange an Macht und Einfluss in den internen Kämpfen der palästinensischen Fraktionen verloren, ist nur noch Schatten ihrer selbst. Und Abbas ist ein Staatspräsident ohne Staat. Wo also fing alles an – und wann sank der Stern der PLO?

Was bedeutet PLO?

Die Abkürzung der PLO stammt aus der englischen Übersetzung ihres arabischen Namens: Palestine Liberation Organization, auf Deutsch Palästinensische Befreiungsorganisation.

Ist die PLO eine Partei?

Nein, die PLO sollte möglichst alle Palästinensergruppen unter einem Dach vereinen, um die Interessen des palästinensischen Volks wirksamer im Nahen Osten zu vertreten. Die sehr unterschiedlichen in der PLO vertretenen Interessengruppen verfolgten teilweise von Beginn an extreme Ziele.

Neben der von Arafat als Guerillaorganisation gegründeten Partei Fatah sind die Arabische Befreiungsfront, die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die Arabische Front Palästinas, die Demokratische Union Palästinas (FIDA), die Palästinensische Befreiungsfront (PLF), die Palästinensische Volkspartei (PPP), die Palästinensische Volkskampffront (PPSF) und die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) Mitglieder der PLO. Die Fatah ist die größte Fraktion der Organisation. Islamistische Organisationen wie die Hamas oder der Islamische Dschihad erkennen den Dachverband nicht an.

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Wann und wie entstand die PLO?

Der frühere ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser gilt als Initiator der PLO-Gründung. Nasser engagierte sich für eine panarabische Bewegung, die das Ziel verfolgte, alle arabischen Menschen in einem großen Nationalstaat zu vereinen. Die PLO sollte darin die arabischen Palästinenserinnen und Palästinenser vertreten. Sie wurde dann 1964 in Jerusalem gegründet.

Welche Ziele verfolgte und verfolgt die PLO?

Zunächst sollte das politische und militärische Potenzial der in Flüchtlingslagern lebenden jungen Palästinenser perspektivisch genutzt werden können. Außerdem wollten Nasser und seine Vertrauten die bis dahin als geheime Widerstandsbewegungen arbeitenden palästinensischen Gruppierungen unter eine Führung stellen. Als Nasser 1967 den Sechstagekrieg gegen Israel verlor, begann Arafat, die Strippen in der PLO zu ziehen.

Der Gründer und Chef der zunächst militant-revolutionären Fatah übernahm 1969 den Vorsitz und richtete die PLO im Sinne eines palästinensischen Nationalismus aus. Das bedeutete: Errichtung eines säkularen Staates Palästina in den Grenzen des alten britischen Mandatsgebiets von 1920, also inklusive der Gebiete des heutigen Israel, des Gazastreifens, des Westjordanlands, des Königreichs Jordanien sowie eines Teils der zu Syrien gehörenden Golanhöhen.

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Die PLO richtete sich unter Arafat immer weiter militärisch aus. Der bewaffnete Kampf gegen Israel steht bis heute in der Nationalcharta, dem Grundsatzprogramm der PLO. Darin heißt es auch in Artikel 10: „Guerillaaktionen bilden den Kern des Befreiungskrieges des palästinensischen Volkes.“ Die Charta ist in einer deutschen Übersetzung auf der offiziellen Seite der palästinensischen Vertretung in Berlin einsehbar.

Die PLO wurde im Ausland vor allem durch terroristische Anschläge gegen Zivilpersonen bekannt, dazu gehörte die Geiselnahme von München während der Olympischen Spiele 1972 durch die Gruppierung „Schwarzer September“ und etliche Flugzeugentführungen. PLO-Milizen lösten jedoch durch interne Auseinandersetzungen oder Attentate auch die Bürgerkriege in Jordanien (1970) und im Libanon (1975) aus.

Wann verlor die PLO ihren Einfluss?

Die vermutlich durch einen Unfall eines israelischen Militärfahrzeugs und zwei palästinensischer Taxis ausgelöste erste Intifada 1987 ließ die PLO das erste Mal taumeln. Der Aufstand kam für die damals in Tunis ansässige PLO-Führung völlig unerwartet. Radikalere Organisationen wie die Hamas und der Islamische Dschihad nutzten das entstehende Vakuum und übernahmen zunehmend das Ruder.

Zwar mündeten dieser Aufstand und die Vertreibung von 450.000 Palästinenserinnen und Palästinensern aus Kuwait nach dem zweiten Golfkrieg 1991 im zwei Jahre später beginnenden Osloer Friedensprozess zwischen Palästinensern und Israelis. Doch selbst der Friedensnobelpreis für Arafat 1994 und die Etablierung der Palästinensischen Autonomie halfen nicht: 2000 scheiterten seine Verhandlungen über die Schaffung eines palästinensischen Staates mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak und US-Präsident Bill Clinton in Camp David an gegenseitiger Kompromisslosigkeit.

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Am 13. September 1993 reichten sich PLO-Chef Jassir Arafat (rechts) und Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin die Hände. Zwischen den beiden steht US-Präsident Bill Clinton. Rabin wurde 1995 von einem israelischen Extremisten ermordet.

Dies löste die zweite Intifada aus, der sich die PLO anschloss und die Terroranschläge in Israel vorsah, vorzugsweise in Bussen und Restaurants. Daran beteiligten sich Arafats Al-Aksa-Brigaden, die auch im aktuellen Konflikt als Angreifer auf Israel auftreten, mit zahlreichen Anschlägen. Der Ansehensverlust im Ausland schadete der PLO weniger als der Hausarrest, unter den Arafat 2001 durch Israel gestellt wurde. Die Organisation verlor in den innerpalästinensischen Machtkämpfen zusehends Einfluss an die radikalen Kräfte wie die Hamas.

Arafat starb 2004. Sein Nachfolger als Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, handelte 2005 mit dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon im ägyptischen Scharm el Scheich einen Waffenstillstand aus, der die zweite Intifada 2005 offiziell beendete.

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Am 13. September 1993 reichten sich PLO-Chef Jassir Arafat (rechts) und Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin die Hände. Zwischen den beiden steht US-Präsident Bill Clinton. Rabin wurde 1995 von einem israelischen Extremisten ermordet.

Was verbindet Hamas und PLO?

Die PLO pocht immer noch auf ihre führende Rolle als Vertretung der palästinensischen Bevölkerung. Als Vertreter ihrer größten Fraktion, der Fatah, unterschrieb Abbas 2011 ein Versöhnungsabkommen mit dem damaligen Hamaschef Ismail Haniyya. Beide beabsichtigten, dass ihre Fraktionen eine gemeinsame Übergangsregierung für den Palästinenserstaat bilden. Doch daraus und aus den Parlamentswahlen wurde erneut nichts. Abbas führt somit seit 2009 seine Amtsgeschäfte ohne demokratische Legitimierung.

Was will die PLO heute?

Die PLO sieht sich als einzige legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes. „Sie hat die erste palästinensische Regierung (PNA) ernannt, wobei die PLO dieser bei politischen Entscheidungsprozessen übergeordnet ist“, heißt es bei der Palästinensischen Mission in Deutschland. „Außerdem gibt die PLO die Richtlinien der Politik vor und besitzt mit dem Palästinensischen Nationalrat die höchste Entscheidungsgewalt. Auf internationaler Ebene ist die PLO die einzige Verhandlungs- und Ansprechpartnerin.“

Okt. 2023 | In Arbeit | Kommentieren