Zunächst hatten mehrere Nachrichtenagenturen über eine Haftdauer von 19 Jahren berichtet. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch erklärte auf Nachfrage der dpa, dass mit dem Urteil die Gesamtlänge der Haftdauer gemeint sein sollte; also die neun Jahre Straflager, zu denen Nawalny bereits verurteilt wurde, mit eingerechnet seien. Es bleibe aber das schriftliche Urteil abzuwarten, sagte sie. Die Staatsanwaltschaft hatte 20 Jahre Straflager für Nawalny gefordert und ihn unter anderem bezichtigt, eine extremistische Organisation gegründet und finanziert zu haben. Er selbst weist die Vorwürfe zurück, auch westliche Beobachter halten sie für politisch motiviert.

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Aug 2023 | In Arbeit | Kommentieren

Sterbehilfe ist ein zentrales gesellschaftliches, oft sehr emotionales Thema im Grenzbereich zwischen Leben und Tod. Es geht um das Recht auf Selbstbestimmung der Betroffenen, aber auch um ärztliche Berufspflichten. Die Diskussion wird dadurch erschwert, dass der Begriff Sterbehilfe oft nicht einheitlich, zum Teil auch missverständlich verwendet wird. Das führt auch oft zu Rechtsunsicherheit. Für die rechtliche Beurteilung und für neue Gesetzesvorschläge ist es aber zentral, um welche konkrete Situation es genau geht. Das folgende begriffliche Gerüst soll zunächst die Orientierung erleichtern:

  • Aktive Sterbehilfe – ist strafbar
  • Beihilfe zum Suizid – ist nicht strafbar
  • Passive Sterbehilfe – ist ebenfalls nicht strafbar

Was genau ist aktive Sterbehilfe?

Bei der aktiven Sterbehilfe verabreicht eine Person dem Patienten – in der Regel auf dessen Wunsch – ein Mittel, das unmittelbar tödlich wirkt. Das kann eine Überdosis eines Schmerz- oder Beruhigungsmedikaments oder eines Narkosepräparats sein. Der Patient nimmt das Mittel nicht selbst ein, sondern bekommt es von einem Arzt oder einer anderen Person eingeflößt. In Deutschland ist diese „aktive Sterbehilfe“ ausnahmslos verboten und wird zumindest als so genannte Tötung auf Verlangen bestraft, § 216 Strafgesetzbuch. Lässt sich der Wille des Patienten nicht ermitteln, kommt sogar eine Verurteilung wegen Totschlags oder Mordes in Betracht. Aktive Sterbehilfe in dieser Form ist weltweit nur in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und im US-Bundesstaat Oregon erlaubt, jeweils unter bestimmten Voraussetzungen. In der politischen Diskussion in Deutschland spielt diese „schärfste“ Form der Sterbehilfe nur eine untergeordnete Rolle.

Was bedeutet Beihilfe zum Suizid?

Diese Situation kennen viele vielleicht aus Berichten über sogenannte Sterbehelfer. Bei der Beihilfe zum Suizid (auch assistierter Suizid genannt) wird dem Betroffenen ein tödliches Mittel nicht aktiv verabreicht, sondern von einer anderen Person zur Verfügung gestellt. Im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe nimmt der freiverantwortlich handelnde Patient das Mittel selbst ein und bringt sich damit um. Es mag dabei der Eindruck entstehen: Ist das denn nicht egal, wer am Ende das Medikament gibt oder einnimmt? Aus rechtlicher Sicht ist das aber ein entscheidender Unterschied, denn: Die Selbsttötung ist in Deutschland nicht strafbar. Daher macht sich auch der Gehilfe (der das Medikament gereicht hat) grundsätzlich nicht strafbar. Dieses Thema spielt in der politischen Diskussion eine große Rolle. Besonders der assistierte Suizid als mögliches Geschäftsmodell steht in der Kritik.

Warum herrscht beim assistierten Suizid dennoch rechtliche Unsicherheit?

Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens ist eine Art „Strafbarkeit durch die Hintertür“ nicht ausgeschlossen, auf die in der rechtlichen Diskussion der letzten Jahrzehnte immer wieder hingewiesen wird. Das Problem: Bleibt der Gehilfe nach Übergabe des Medikaments im Raum, und der Patient verliert das Bewusstsein, könnte er wegen unterlassener Hilfeleistung oder Totschlags durch Unterlassen verfolgt werden. Denn er hat dann eigentlich die Pflicht, den Eintritt des Todes zu verhindern. Auf der sicheren Seite ist also nur der, der den Raum verlassen hat. Erst straffrei das Mittel übergeben dürfen, dann aber helfen müssen? Das klingt in der Tat widersprüchlich. Ein aktuelles, höchstrichterliches Urteil genau zu dieser Situation gibt es nicht. Diese Lage führt zu Rechtsunsicherheit nicht nur bei Ärzten.

Speziell für Ärzte gibt es, zweitens, ein weiteres Risiko – nicht das Strafrecht, sondern das ärztliche Standesrecht. In der Musterberufsordnung für Ärzte steht nämlich (§ 16, Beistand für Sterbende): „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Das bedeutet: Auch wenn ein Arzt sich mit einem assistierten Suizid nicht strafbar macht, muss er zumindest Sanktionen der Ärztekammern befürchten, zum Beispiel eine Geldbuße.

Was bedeutet passive Sterbehilfe?

Unter passiver Sterbehilfe versteht man den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder ihre Beendigung. Das ist die Situation, vor der Ärzte und Verwandte oft bei schwerstkranken Patienten auf der Intensivstation stehen. Und die Situation, die viele Menschen meinen, wenn sie sinngemäß sagen: „Wenn es mal so weit mit mir ist, möchte ich nicht an Schläuche angeschlossen sein.“ Im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe lässt man hier dem natürlichen Sterbeprozess seinen Lauf, etwa indem man das Beatmungsgerät abstellt, das den Patienten bisher am Leben hält. „Aber Abschalten der Geräte ist doch aktives Tun!“ mag man einwenden. Das stimmt. Dennoch fällt es rechtlich unter den Begriff der passiven Sterbehilfe. Neuere Urteile verwenden daher lieber den Begriff „Behandlungsabbruch“.

Wann ist passive Sterbehilfe in Deutschland erlaubt?

Zunächst muss für jede Art von Behandlung eine medizinische Indikation bestehen. Daran fehlt es, wenn die Behandlung nur das Sterben und damit auch mögliche Leiden verlängern würde. Dann ist die Behandlung schon medizinisch nicht mehr gerechtfertigt und muss eingestellt werden.

Gibt es noch eine Indikation, dann gilt: Ein Behandlungsabbruch ist erlaubt, wenn dies dem Patientenwillen entspricht. Ein Arzt macht sich in diesem Fall nicht strafbar, wenn er keine Geräte mehr anschließt oder sie abstellt. Das hat der Bundesgerichtshof über viele Jahre hinweg immer wieder entschieden. Die Rechtslage ist also grundsätzlich klar. Trotzdem gibt es immer wieder Unsicherheiten bei Ärzten, die sich verpflichtet fühlen, Leben zu erhalten. Wichtig: Ein „Behandlungsabbruch“ fällt nicht unter den oben zitierten § 16 der ärztlichen Berufsordnung.

Zentraler Maßstab für die zulässige passive Sterbehilfe ist also der Wille des Patienten. Den kann man auf verschiedene Art ermitteln. Entweder der Patient kann sich noch artikulieren, oder er hat ihn in einer Patientenverfügung niedergeschrieben. Möglich ist auch, den Willen über frühere Äußerungen zu ermitteln oder den „mutmaßlichen Willen“ herauszufinden.

Welche Rolle spielt die Patientenverfügung genau?

Oft kann der Patient im Ernstfall selbst keine Entscheidung mehr treffen, etwa weil er im Koma liegt. Idealerweise hat der Patient möglichst konkret in einer Patientenverfügung niedergelegt, in welcher Situation er welche Behandlung wünscht bzw. nicht mehr wünscht. Daran sind die Ärzte gebunden. Immer wieder gibt es aber Streit über den Inhalt einer Verfügung. Dann kommen ein vom Patienten bestimmter Bevollmächtigter oder ein gesetzlicher Betreuer ins Spiel. Diese entscheiden jedoch nicht selbst, sondern sind nur Sprachrohr des Patienten. Ein Betreuer hat laut Gesetz die Aufgabe, die Patientenverfügung durchzusetzen, zur Not mit Hilfe von Gerichten. Gibt es keine Patientenverfügung, muss der Betreuer seine Entscheidung an zuvor geäußerten Behandlungswünschen bzw. am „mutmaßlichen Willen“ des Patienten ausrichten.

Wie bestimmt man den „mutmaßlichen Willen“?

Wenn es auf den mutmaßlichen Patientenwillen ankommt, muss der Bevollmächtigte oder Betreuer des Patienten eine These aufstellen. Die Frage lautet dann: „Wie hätte sich der Betroffene selbst in der konkreten Situation entschieden, wenn er noch über sich bestimmen könnte?“ Der Betreuer darf aber nicht nur mutmaßen. Grundlage seiner Entscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte sein, insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Patienten, seine ethischen und religiösen Überzeugungen und sonstigen persönlichen Wertvorstellungen. Das ist keine leichte Sache.

Der Bundesgerichtshof hat das am 14. Oktober 2014 in einem wichtigen Urteil konkretisiert. Das Landgericht Chemnitz hatte den Betreuern einer Wachkoma-Patientin verboten, die Ernährung über eine Magensonde einstellen zu lassen. Eine Patientenverfügung gab es nicht. Die Frau hatte aber zuvor mehrfach geäußert, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen in Anspruch nehmen wolle, wenn sie nicht mehr am Leben teilnehmen könne. Der Bundesgerichtshof betonte, dass die Gerichte die Hürden für den mutmaßlichen Willen nicht unerreichbar hoch hängen dürften. Es sei auch nicht zulässig, strengere Maßstäbe anzulegen, nur weil der Tod der Patientin noch nicht unmittelbar bevorstehe.

Dennoch sind solche Situationen in der Praxis natürlich extrem schwierig für alle Beteiligten. Deswegen war die Botschaft des BGH zwischen den Zeilen: Macht lieber eine eindeutige Patientenverfügung. Dann besteht rechtlich Klarheit, dass es sich beim Abschalten der Geräte um passive und also Sterbehilfe handelt.

Ändert die „Lambert-Entscheidung“ etwas an der deutschen Rechtslage?

Nein. Im Urteil zum Fall Vincent Lambert vom 5. Juni 2015 ging es um eine Situation der passiven Sterbehilfe. Innerhalb der Familie gab es unterschiedliche Ansichten dazu, wie der mutmaßliche Wille des schwerkranken Mannes gelautet hätte, also ob man die Maschinen abstellen soll oder nicht. Die französischen Gerichte hatten die Entscheidung gebilligt, den Patienten sterben zu lassen.

Das Gericht in Straßburg hat den Mitgliedsstaaten einen großen Entscheidungsspielraum in diesen zentralen Fragen zugebilligt, weil es keine einheitliche europäische Linie in diesen Fragen gebe. Die französischen Behörden hätten im vorliegenden Fall intensiv alle Positionen abgewogen und ihren Spielraum nicht überschritten. Das Urteil ist keinesfalls ein Freibrief für jede Art von Sterbehilfe in Europa. Es lässt jedem Staat bei der passiven Sterbehilfe einen weiten Spielraum und verlangt eine gewissenhafte Prüfung jedes Falles. Das ist ohnehin Voraussetzung für jede Entscheidung im Rahmen des so schwierigen Bereichs Sterbehilfe.

Aug 2023 | In Arbeit | Kommentieren
 Im „falschen“ Bundesland lebende Ärzte riskieren ihren Job wenn sie Hilfestellung bei einem Suizid leisten., Pech für Patienten. Droht nun hierzulande ein „Suizid-Tourismus“?

Die richtige Dosis kann einen schmerzvollen Tod verhindern. Wer seinem Leben schwerer Krankheit wegen selbstbestimmt ein Ende setzen möchte und dazu gern ärztliche Hilfe hätte, der sollte sich überlegen, rechtzeitig nach Bayern, Baden-Württemberg oder Berlin umzuziehen. Denn die Wahrscheinlichkeit, einen Arzt zu finden, der bereit ist, einem sterbewilligen Patienten Beihilfe zum Suizid zu leisten, ist in Deutschland abhängig vom Wohnort. Im Süden der Republik und in der Hauptstadt sind die Bestimmungen am liberalsten. Das ergab eine Umfrage der taz unter den 17 Landesärztekammern in Deutschland.

Der Grund: In einigen Bundesländern droht Medizinern, die Menschen bei der Selbsttötung helfen, etwa indem sie ihnen ein entsprechendes Medikament überlassen, ein Berufsverbot nach dem ärztlichen Standesrecht. In anderen Ländern dagegen werden diese Ärzte behandelt wie alle anderen Menschen in der Bundesrepublik derzeit auch: Sie dürfen das. Es droht ihnen keine Sanktion, weder nach dem Strafrecht noch nach den jeweiligen Berufsordnungen für Ärzte. Letztere erlassen die in dieser Frage autonom agierenden Landesärztekammern. In der aktuellen Debatte um eine Reform der Sterbehilfe in Deutschland wurde dies bislang ausgeblendet.

Danach riskiert seine Approbation, wer in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen oder Thüringen einem Patienten beim Suizid assistiert und dabei erwischt wird. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein dagegen existiert kein explizites Verbot des ärztlich assistierten Suizids. Folglich riskieren Ärzte dort auch keine berufsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie entsprechend helfen.

Besonders prekär ist die Lage in Nordrhein-Westfalen, wo es gleich zwei Ärztekammern gibt: Die Kammer Nordrhein schreibt ihren Ärzten in Paragraf 16 ihrer Satzung kategorisch vor: „Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“

Moralisch motivierte Willkür

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe dagegen fordert, ebenfalls in Paragraf 16 der Berufsordnung, von ihren Ärzten lediglich: „Sie sollen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ In der Praxis heißt das: Ein Patient mit Sterbewunsch aus Köln etwa dürfte es aufgrund der dem Arzt dort drohenden Konsequenzen ungleich schwerer haben, einen ärztlichen Helfer zu finden, als beispielsweise einer aus Münster.

Gleichbehandlung von Patienten? Einheitliche medizinische Versorgungsstandards? Klare Rechtslage? In den letzten Lebensfragen gleicht die Republik einem Flickenteppich moralisch motivierter Willkür. „Es droht ein innerdeutscher Suizid-Tourismus“, warnt Urban Wiesing, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Tübingen. Wiesing, bis 2013 zugleich Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, ist überzeugt: „Eine solche Vielfalt im Standesrecht ist den Patienten in Deutschland nicht zumutbar.“

Zwar verfügt keine der 17 von der taz befragten Kammern nach eigenen Angaben über Zahlen oder Schätzungen, wie viele Ärztinnen und Ärzte im jeweiligen Kammerbereich jährlich Beihilfe zum Suizid leisten. Auch verweisen alle Kammern pflichtschuldig darauf, dass die ärztliche Aufgabe die Erhaltung von Leben und die Linderung von Leid sei – und nicht die Beihilfe zum Suizid.

Formen der Sterbehilfe

Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland erlaubt und bedeutet die Selbsttötung mit Hilfe einer Person, die hierzu ein Mittel bereitstellt, aber nicht verabreicht.

Passive Sterbehilfe ist das Unterlassen oder die Reduktion von eventuell lebensverlängernden Behandlungsmaßnahmen.

Indirekte Sterbehilfe ist die in Kauf genommene Beschleunigung des Todeseintritts als Nebenwirkung einer Medikamentengabe, etwa einer gezielten Schmerzbekämpfung.

Passive und indirekte Sterbehilfe sind legal, sofern eine entsprechende Willensäußerung oder Patientenverfügung vorliegt.

 

Aktive Sterbehilfe ist die gezielte Herbeiführung des Todes durch Handeln aufgrund eines tatsächlichen oder mutmaßlichen Wunsches einer Person. Die Tötung auf Verlangen ist nach § 216 Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren bedroht. (hh)

Doch allein die Begründungen für die jeweiligen Regelungen machen deutlich, wo Patienten die größten beziehungsweise die geringsten Chancen haben, auf liberal denkende Ärzte zu stoßen, die den Mut haben, sich auch als solche zu outen. So heißt es etwa in der Berufsordnung von Bayern lediglich: „Der Arzt hat Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen.“ Dies lässt viele Interpretationen zu.

Humanere Möglichkeiten

Der baden-württembergische Ärztepräsident Ulrich Clever, dessen Kammer die bayerische Auffassung fast wortgleich teilt, lässt über seinen Pressesprecher präzisieren, wo die Standesorganisation der knapp 61.000 Ärzte im Südwesten politisch steht: „Der Satzungsgeber in Baden-Württemberg hielt es für entbehrlich, das strafrechtliche Verbot der Tötung auf Verlangen in der Berufsordnung zu zitieren. Außerdem sollte, was die Beihilfe zum Suizid angeht, berufsrechtlich keine strengere Regelung als die strafrechtliche getroffen werden.“ Damit sind Ärzte, die den Willen ihrer Patienten respektieren und zugleich dazu beitragen möchten, dass diesen Patienten humanere Möglichkeiten offenstehen, als sich etwa vor einen Zug zu werfen, rechtlich auf der sicheren Seite.

Die Ärztekammer Berlin findet überdies: „Die im Einzelfall von einem Arzt im Rahmen einer gewachsenen Arzt-Patienten-Beziehung getroffene, ethisch wohl abgewogene Entscheidung, bei einem schwer kranken Patienten, der weder mit den Möglichkeiten der Palliativmedizin, der adäquaten Schmerzbehandlung, noch durch Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen eine ausreichende Leidenslinderung erfährt, sollte nicht unter Strafe gestellt werden.“

Aufstand gegen Bund

Mit ihrer liberalen Haltung proben einzelne Landeskammern zugleich den Aufstand gegen den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Dieser hatte beim Deutschen Ärztetag in Kiel 2011 eine in Teilen der Ärzteschaft heftig umstrittene, höchst restriktive Reform der Musterberufsordnung durchsetzen lassen. In dieser heißt es seither: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“

Verfechter dieses Verbots, wie die Landeskammern Thüringen und Hamburg, begründen ihre Haltung noch heute mit der Antizipierung eventueller gesellschaftlicher Entwicklungen, für deren Regelung die Landesärztekammern jedoch überhaupt nicht zuständig sind. „Bei der Zulassung dieser Möglichkeit“, schreibt etwa die Kammer aus Thüringen, habe man die „Sorge“, dass Kranke sich „zu einem suizidalen Schritt genötigt sehen könnten“. Hamburg fordert derweil einen Ausbau der ambulanten palliativmedizinischen Versorgung.

Die Kritiker der Verbotsregelung dagegen hatten sich schon beim Kieler Ärztetag mit ihrem Argument nicht durchsetzen können, der Ärztetag habe überhaupt kein Mandat, die ethische Überzeugung eines Teils seiner Mitglieder als die einzig richtige zu deklarieren – und sodann anderen zu oktroyieren. Was sie als Einschränkung ihrer ärztlichen Freiheitsrechte und Missachtung der Patientenautonomie begreifen, entsorgen sie nun auf ihre Weise: Landesärztekammern sind gegenüber der Bundesärztekammer nicht weisungsgebunden. Über ihre Satzungen entscheiden sie frei.

Kontrovers diskutiert

Unterstützt werden sie dabei durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahr 2012 (Az.: VG9K63.09). Dieses hatte in einem juristischen Streitfall um die Zulässigkeit ärztlicher Beihilfe entschieden: „Die […] satzungsmäßigen Generalklauseln reichen aber nicht als Rechtsgrundlage aus, um ein […] Verbot für ein Verhalten ausnahmslos auszusprechen, dessen ethische Zulässigkeit in bestimmten Fallkonstellationen auch innerhalb der Ärzteschaft äußerst kontrovers diskutiert wird und dessen Verbot in diesen Ausnahmefällen intensiv in die Freiheit der Berufsausübung des Arztes und seine Gewissensfreiheit eingreift.“

Doch inmitten des Eifers dieser Rebellion gegen die ethische Bevormundung durch die Bundesärztekammer ist es auch zu Pannen gekommen. So haben die Kammern von Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und dem Saarland in ihrem stillen Protest ihre Berufsordnungen in Bezug auf den Sterbebeistand seit 2011 gar nicht verändert.

Deswegen gilt dort noch heute eine Regelung, formuliert im Geist der 70er Jahre, in der es heißt: „Der Arzt darf – unter Vorrang des Willens des Patienten – auf lebensverlängernde Maßnahmen nur verzichten und sich auf die Linderung der Beschwerden beschränken, wenn ein Hinausschieben des unvermeidbaren Todes für die sterbende Person lediglich eine unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde.“ Diese Formulierung aber widerspricht allen neueren Bestimmungen zur Patientenautonomie und ist spätestens seit Inkrafttreten des Patientenverfügungsgesetzes im Jahr 2009 eindeutig rechtswidrig: Bei entsprechendem Patientenwillen müssen Ärzte die Vornahme oder die Fortsetzung einer lebenserhaltenden oder lebensverlängernden Behandlung unterlassen. Und zwar auch dann, wenn deren Beginn oder Fortsetzung aus rein medizinischer Sicht geboten wäre.

Dies gilt im Übrigen ohne Rücksicht darauf, ob der Tod nahe bevorsteht. Oder ob der Patient seinen Wohnsitz im Bereich einer Landesärztekammer hat, die dies nicht begriffen hat.

Aug 2023 | In Arbeit | Kommentieren

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