Russische Studenten werden offenbar für den Bau sogenannter Kamikaze-Drohnen in der russischen Sonderwirtschaftszone Alabuga in Tatarstan östlich von Moskau verpflichtet. Dabei sollen die Studenten mitunter gedemütigt und ausgebeutet werden. Das berichtet das russische Nachrichtenportal „Idel.Realii“ und beruft sich auf Audioaufnahmen zwischen Gesprächen betroffener Studierender und Interviews mit deren Eltern in „Idel.Realii“.

Auf der Website der „Alabuga Polytechnic University“ soll eine entsprechende Werbekampagne zu dem Drohnen-Projekt „Dual-Programm“ laufen. Diese verspricht den – meist sehr jungen – Studierenden nicht nur eine hochwertige Ausbildung, sondern stellt ihnen auch einen Arbeitsplatz mit einem Gehalt von umgerechnet etwa 650 Euro pro Monat in Aussicht.

Studenten würden in „Knechtschaft“ geraten

Zhanna etwa, eine Bewohnerin der benachbarten Region Nischni Nowgorod, habe ihren Sohn zum Studium nach Tatarstan geschickt, damit dieser an dem Drohnen-Programm mitwirken kann. Zhanna berichtet im Gespräch mit „Idel.Realii“ von der verlockenden Reklame, die sie dazu veranlasst habe. Jedoch sei das ihrer Erfahrung nach nur ein attraktiver Köder – tatsächlich würden die Studenten, so auch ihr Sohn, in „Knechtschaft“ geraten.
Ihr Kind, dessen Name im Gespräch nicht genannt wird, habe sie bereits zwei Monate nach dem Start des Programms wieder abgeholt. „Hol mich hier raus oder ich sterbe“, soll ihr Kind gesagt haben, erinnert sich Zhanna.
Schon seit Monaten setzt Russland auf den Einsatz von den sogenannten Kamikaze-Drohnen vom Typ „HESA Shahed 136“. Anfang Juni dieses Jahres sagte der ehemalige US-Admiral John Kirby, dass der Iran Russland auch weiter mit Drohnen beliefere.

Bereits im Juli 2023 hatte der YouTube-Kanal „RZVRT“ über die Produktion iranischer Drohen in Alabuga berichtet. Die Untersuchung des russischen Kanals offenbare die Pläne der Alabuga Polytechnic University, ausländische Studenten anzuwerben, um an der Produktion der Kamikaze-Drohnen mitzuwirken.

Im Gespräch mit „Idel.Realii“ bezeichnet der Ermittler der Untersuchung, Sergey Podsytik, das Drohen-Programm der russischen Universität als „Ausbeutung“. „Sie montieren Drohnen und das noch zulasten ihrer Bildung, für die sie eingeschrieben wurden“, erklärt er.

„Hundertprozentig Ausbeutung“

Laut „Idel.Realii“ würden sich dieser Einschätzung mehrere Eltern anschließen. „Ja, das ist es hundertprozentig [Ausbeutung]“, bestätigt eine weitere Mutter. Auch eine Bekannte von ihr habe ihr Kind aus dem Programm gezogen – nun verlange die Universität 200.000 Rubel (etwa 1.800 Euro) für die Vertragsauflösung.

Eine andere Mutter, die auf ihren Wunsch hin nur Marina genannt wird, erklärt, dass im Arbeitsvertrag acht Stunden Arbeit pro Woche festgelegt seien. Jedoch habe die Realität für ihre Tochter ganz anders ausgesehen: „Tatsächlich stellte sich heraus, dass die Kinder fünf Tage pro Woche arbeiteten. Meine Tochter kam um 7.45 Uhr zur Arbeit und wurden erst wieder um 15 Uhr freigelassen.“

„Pädagogische“ Gespräche mit Studenten

Zudem sei es möglich, dass die Studierenden noch um zehn Uhr abends zu einer „Besprechung“ einberufen werden. In Chat-Nachrichten hieße es, ‚Wenn du nicht kommst, werden alle [anderen Studenten] die ganze Nacht hier sitzen und warten‘, erklärt eine andere befragte Mutter.

Auch werde mit den Studenten „pädagogische“ Gespräche geführt; einige Aufnahmen dieser Gespräche würden „Idel.Realii“ vorliegen. Auf einem dieser Tonbänder, erzähle eine männliche Stimme, dass die Nato bereits seit 2011 einen hybriden Krieg gegen Russland führe. Auch fordert der Mann in der Tonaufnahme die Studenten dazu auf, auf Feiertage zu verzichten, „selbst wenn Mama Geburtstag hat“. Inzwischen habe die Staatsanwaltschaft von Alabuga Ermittlungen wegen arbeitsrechtlicher Verstöße aufgenommen.

Verwendete Quellen

idelral.org: „Дети на службе у войны. Родители студентов — о привлечении подростков к сборке дронов в татарстанской „Алабуге“ (russisch)

 

Aug 2023 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Junge Rundschau, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren