Sollte es zu einem Atomkrieg kommen und die Bodenkommunikation des amerikanischen Militärs zerstört werden, gibt es als Back-up ein  «fliegendes Pentagon» /Bild). Auch Russland hat – was Wunder -seine Version der sogenannten Weltuntergangsflugzeuge. Seit Beginn des russischen Überfalls gegen die Ukraine ist das Schreckensszenario eines Atomkriegs realer geworden. Der russische Präsident und seine Entourage drohen jedenfalls regelmässig damit. I

 

 

Im März hatte Putin die Stationierung von Atomwaffen in Weissrussland angekündigt. Jüngst stand die Befürchtung im Raum, dass das Arsenal der meuternden Privatarmee Wagner in die Hände fallen könnte. Aus der Luft wird der nukleare Zweitschlag angeordnet – die Atommächte USA und Russland sind seit dem Kalten Krieg auf die Möglichkeit einer nuklearen Auseinandersetzung eingestellt. Sie sind auch die einzigen Staaten, die über sogenannte Doomsday-Planes verfügen. Diese Weltuntergangsflugzeuge können einem atomaren Angriff standhalten.

In den USA sind vier Boeing 747 E-4B als Advanced Airborne Command Post (AACP) im Einsatz. Wäre im Fall eines Atomkriegs die komplette Bodenkommunikation des amerikanischen Militärs zerstört, wären die E-4B ein «hochgradig überlebensfähiges Kommando-, Kontroll- und Kommunikationszentrum», wie die Airforce auf ihrer Website schreibt. Unmittelbar nach einer Explosion wären der Präsident, der Verteidigungsminister und die Generalstabschefs an Bord und in Sicherheit. Von dort könnten sie einen nuklearen Gegenschlag anordnen. Der   „Business Insider“ bezeichnet die E-4B, in der bis zu 112 Personen Platz haben, auch als «backup Pentagon».

Die E-4B ist so konstruiert, dass sie atomarer Strahlung widerstehen kann und gegen die Auswirkungen von elektromagnetischen Impulsen geschützt ist. Die genauen Informationen darüber, wie die Maschinen einem nuklearen Angriff standhalten, sind geheim. Doch ist bekannt, dass die Computer und Verkabelungen an Bord mit thermischen und nuklearen Abschirmungen gehärtet sind. Im Cockpit gibt es analoge Bedienelemente. Es gibt auch Massnahmen, um Direktbeschuss abzuwehren – ähnlich wie bei der Air Force One, die sich im Falle eines Terrorangriffs mit Raketen schützen kann.

Die Flugzeuge ähneln zwar der Air Force One, der mythenumrankten Maschine des amerikanischen Präsidenten. Doch die Kommunikationssysteme an Bord der E-4B sind noch ausgefeilter. So gibt es eine Niederfrequenzantenne, die beim Fliegen bis zu 8 Kilometer hinter der Maschine hergezogen werden kann.

In der charakteristischen Kuppel am Rumpf, die als «Ray Dome» bezeichnet wird, sind Superhochfrequenz- und Milstar-Kommunikationsgeräte untergebracht. Milstar ist laut Beschreibung des Militärs ein gemeinsames Satellitenkommunikationssystem, das in Kriegszeiten «sichere, störungsresistente, weltweite Kommunikation» ermöglicht.

Dadurch können die Kommandobehörden mit Schiffen, U-Booten, Flugzeugen und Bodenstationen verbunden werden. Neben der modernsten Kommunikationstechnologie gibt es auch Internet und ganz veraltete Technologien. Im Hauptdeck der drei Decks gibt es laut Air Force unter anderem einen Arbeitsbereich für das Kommando, einen schallisolierten Konferenzraum, einen Kommunikationsbereich und einen Ruhebereich. Im Flugzeug gibt es vierzehn Schlafkojen. Die meisten Besatzungsmitglieder arbeiten im hinteren Teil.

Die Flugzeuge können zwölf Stunden ohne Auftanken fliegen. Sie können während des Flugs betankt werden und so theoretisch einige Tage in der Luft bleiben. Sie sind über 70 Meter lang und haben eine Spannweite von knapp 60 Metern. Laut dem «Business Insider» kostet eine Stunde, die eine E-4B in der Luft ist, rund 160 000 Dollar. Das macht sie zur teuersten von der Air Force betriebenen Maschine. Die Doomsday-Planes sind immer in Alarmbereitschaft, die Besatzung ist in der Nähe stationiert.

Bidens fliegender Führerbunker

Aufnahme einer E-4B, auch Doomsday-Plane genannnt.5 über den Wolken von Nebraska.

Die amerikanische Luftwaffe gab die Flotte 1973 in Auftrag, ganz im Sinn der Doktrin von der Mutual Assured Destruction oder dem Gleichgewicht des Schreckens. Die «Washington Monthly» sprach damals von «Nixons fliegendem Führerbunker».

Laut einer Beschreibung des «Economist»-Journalisten David Rennie, der sich 2017 in Teilen des Flugzeugs umsehen durfte, hat das Innere einen ziemlichen Retro-Look aus der Zeit des Kalten Krieges, von den gepolsterten Lederdrehsitzen bis hin zu Militärpissoirs, die an die Wände der Toiletten geschraubt sind. Diese fliessen «direkt in den Himmel ab, um zu vermeiden, dass sich die Klärbehälter auf langen Flügen füllen».

Während die Doomsday-Flugzeuge also gegen atomare Strahlung gefeit sind, sind sie nicht immun gegen wetterbedingte Unbilden: Im Juni 2017 beschädigte ein Tornado zwei der E-4B, die sich auf dem Stützpunkt Offutt im Gliedstaat Nebraska befanden. Da eine weitere Maschine zu der Zeit gerade in Texas gewartet wurde, mussten sich die USA für mehrere Monate mit einer einzigen aktiven E-4B begnügen.

Moskaus Pendant ist die Iljuschin Il-80

Es gibt auch russische Pendants zu den amerikanischen Doomsday-Flugzeugen. Das sind die Iljuschin-Maschinen Il-80 und IL-86WKP. Diese wurden noch zu Zeiten der Sowjetunion gebaut. Wie die E-4B hat auch diese 60 Meter lange Maschine keine Fenster und kann aus der Luft betankt werden. Mittels Generatoren kann die Maschine ihren eigenen Strom erzeugen und durch ihr ausgeklügeltes Satellitenkommunikationssystem auch mit U-Booten kommunizieren. Im Mai vergangenen Jahres flog die Il-80 in einer Machtdemonstration über Moskau, zuvor war sie letztmals 2010 bei einer Militärparade aufgetret

Militärexperten sind der Überzeugung, dass die Doomsday-Flugzeuge die Wahrscheinlichkeit verringern, dass ein feindlicher Staat einen Erstschlag ausführt. «Die Möglichkeit, dass der Präsident und der Verteidigungsminister den Angriff eines Gegners auf Washington überleben können, indem sie sich an Bord eines Gefechtsstandflugzeugs befinden, macht es weit weniger wahrscheinlich, dass ein Gegner glaubt, ein ‹Enthauptungsangriff› auf die USA könne gelingen», sagte der Stanford-Professor Scott Sagan gegenüber der Zeitschrift «Newsweek».

Letztlich ist wohl gültig, was die «New York Times» über das Flugzeug schrieb: «Ein Flugzeug, das so konstruiert ist, dass es einen Atomkrieg überleben kann, suggeriert implizit, dass die Führer nach dem nuklearen Schlagabtausch die Situation weiterhin ‹managen› werden – eine Absurdität, die bereits ein gefährliches Versagen der Vorstellungskraft zeigt.»

Einsichten ins Innere eines Doomsday-Flugzeuges.

 

Juli 2023 | Allgemein, Essay, Gesundheit, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren