Warum heute noch d i e s Bild? Damit d a s nichr vergessen wird! – Mauerbau in Berlin

„Man darf das Gras nicht wachsen hören, sonst wird man taub“ – Wir wissen, Gerhard Hauptmann hat mit dieser Erkenntnis recht. Nein, ich will nicht vergleichen, was nicht verglichen werden kann und nicht verglichen werden darf.

Damals aber, in jenen Tagen, da die Berliner SPD sich zu einem Votum für die Ehrenbürgerschaft Wolf Biermanns durchrang, konnte man in einem literarischen Stadtführer für Berlin auf ein Gedicht eines anderen ehemaligen DDR-Autors stoßen: Volker Braun (notabene 1996 Poetikvorlesung an der Universität Heidelberg), schrieb 1979 „in Sachen Biermann“ – ohne diesen beim Namen zu nennen, „Die Mauer“ die offiziellen Verlautbarungen (schade – nigendwo mehr zu bekommen) der DDR-Staatsführung in Versen.

Als doppelt widerwärtig aber hätte angeführt werden müssen, dass dies Machwerk noch immer mal wieder abgedruckt wird, Braun steht also offenbar immer noch zu seinem Inhalt. Rhetorisch aufgemotzt behandelt er – nach Wiederholung der Argumente der ehemaligen DDR-Staats-und Parteiführung – das Für und Wider der Todesgrenze. Allenfalls unterscheidet sich des Volker Braun Hinführung zum „Für“ durch lyrische Schönfärberei der Mauer mit allem drumherum, „nicht schön„, räsoniert er, „aber notwendig“:

„Schrecklich
hält sie, die steinerne Grenze.

Auf was keine Grenze
Kennt: den Krieg.“

Wiewohl eher im Staccato, waren dies auch die Worte von Ulbricht und Honecker, mit denen sie die Welt über den Charakter der Mauer zu belügen versuchten. Der „antifaschistische Schutzwall“ verhinderte den Krieg und hielt“, so Braun weiter

„Im friedlichen Land…
die abhaun zu den Wölfen
Die Lämmer.“

Womit er alle, die – oft vor Bedrückung und Verfolgung – flohen, zu Dummköpfen erklärte, die vor sich selbst geschützt werden mussten: der Westen die Wolfsgesellschaft, die DDR das „friedliche Land“.

Tumbe Lämmer also jene, die auch nur auf die Idee kamen, die DDR verlassen zu wollen, erfreulich, wenn – nachdem sie schon auf die Hetze der Massenmedien – sie daran gehindert werden konnten, den liebenswürdigen Arbeiter- und Bauerstatt zu verlassen:

„Die hinter den Zeitungen
Anbelln den Beton und, besengt
Von den Sendern, sich aus dem Staub machen
… oder am Stacheldraht
Unter Brüdern harfen und
Unter Kirchen scharrn Tunnel:
die blinden Hühner finden sich vor Kimme und Korn.“

Schlimm? Ja. Nicht nur Kitsch (für die gebildeten Stände), sondern schlimm und zynisch: die Verhöhnung der Flüchtenden als historisch „blinde“ Trottel, die sich nicht zu wundern brauchen, wenn sie abgeknallt werden.

Es sind auch die Anspielungen – „höhnisch“, des aus seinem Land geworfenen Biermann, dessen wir uns zwar erinnern als einen nicht ausschließlich freundlichen Liedermachers, sondern schon auch als einen Besserwisser par excellence – dessen erster Gedichtband aber nachvollhzioehbar und einiges entschuldigend „Die Drahtharfe“ hieß (ich erinnere mich an einen sehr beeindruckenden Auftiritt auf Burg Waldeck  – wir waren dabei – den ihm der damalige Kultusminister der DDR Alfred Kurella ermöglichte. Das war Hetze in best-schlechtester Schwarzer Kanal Manier, eine stete Wiederholung des Revanchismus Vorwurfs an Westdeutschland, der sich nicht nur als einer der Standartvorwürfe gegenüber dem „Westen“ herausstellte, sondern auch längst zu den Standardvorwürfen der DDR-Oberen gehörte. Und den sich Braun zu eigen machte, als er das „Ende der Mauer für den Sanktnimmerleinstag“ in Aussicht stellte:

„Wenn sie nicht mehr Abhaun
mit ihrer Haut zum Markt
Zerhaut den Verhau.
Wenn machtlos sind
die noch Grenzen ändern wollen.“

Als hätte nach Willy Brandts Ostpolitik noch ein einziger Westpolitiker eine Grenze ändern wollen. Das war an Klopstock geschultes Verdummungsgerede, Propaganda.

Laut Satzung hat die Akademie der Künste, in der Braun Direktor der Sektion Literatur ist, „die Aufgabe, (…) die Bundesländer in Angelegenheiten der Kunst und Kultur zu beraten“. Wurde Braun in der Angelegenheit Biermann um Rat gefragt? Wenn ja: was mag er gesagt haben? Und was wäre sein Rat wert gewesen? Nichts. Nicht mehr als das Votum jener Partei, die sich als Nachfolgeorganisation der Biermann-Ausbürgerungspartei SED versteht und jetzt als Regierungskoalitionär die Macht hat, über Dinge zu entscheiden, über die ihr keine Entscheidung zusteht. Das Furchtbare ist, dass diese Leute für sich reden: Als Gefangene ihrer Irrtümer verteidigen sie, alt geworden, noch das Schändliche an ihren Lebensläufen und verlängern das Unrecht, von dem wir einst hofften, es sei zu Ende, in die Gegenwart.

Braun ist, wie er ist. Aber was ist mit denen, die ihn gewählt haben, den Akademiemitgliedern der Sektion Literatur? Teilen sie die Braun’sche Weltsicht? Ist seine Menschenverachtung auch die Ihre? Gibt sein Gedicht ihre Meinung wieder? Kennen sie es vielleicht gar nicht? Bei den ausländischen Mitgliedern mag das so sein. Die deutschen aber wußten, wes‘ Geistes Kind das ist. Sie wollten ihn.

Wie heißt es bei Kafka? „Was ist das für ein Volk! Denken sie auch
oder schlurfen sie nur sinnlos über die Erde?“

 

Juli 2023 | Allgemein, Feuilleton, Gesundheit, Politik, Theater, Zeitgeschehen | Kommentieren