Hitler zeigt dem italienischen Diktator Mussolini die Schäden nach der Explosion in der Baracke

Um 12:42 Uhr detoniert in der Besprechungsbaracke im Hauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen eine Bombe. Sie soll Adolf Hitler töten. Gelegt hat sie der Wehrmachtsoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Der anfangs glühende Nationalsozialist sieht nun keine andere Möglichkeit mehr als den Mord an dem Diktator. „Es bleibt also nichts anderes übrig, als ihn umzubringen“, hat er wenige Tage zuvor zu seinen engsten Vertrauten gesagt.

Stauffenberg ist nicht nur Attentäter, sondern auch wichtigster Organisator eines großangelegten Putschversuchs konservativer Kreise, zu denen hohe Militärs, Diplomaten und Verwaltungsbeamte gehören. Der Oberst hat die Baracke an diesem 20. Juli 1944 kurz vor der Explosion der Zeitzünderbombe verlassen und glaubt den „Führer“ tot, während er in einer Militärmaschine nach Berlin fliegt. Dort läuft die „Operation Walküre“ an, ursprünglich ein Plan der Wehrmacht zur Unterdrückung eines möglichen Aufstands. Die Verschwörer, die überall an entscheidenden Stellen des nationalsozialistischen Staatsapparats verteilt sind, wollen „Walküre“ für ihren Putsch umfunktionieren.

Rommel verweigert sich

Doch Hitler kommt mit nur leichten Verletzungen davon. Die schwere Eichentischplatte und die wegen der Sommerhitze weit geöffneten Fenster der Baracke haben den Druck der Explosion abgeleitet. Trotzdem scheint ein Umsturz anfangs nicht aussichtslos, hätten nur alle Beteiligten die „Operation Walküre“ unbeirrt durchgezogen.  Aber es gibt Verzögerungen, Pannen und unzureichende Planungen. Außerdem bleiben manche der Eingeweihten unter dem enormen Druck, entdeckt zu werden, schließlich passiv oder wechseln sogar die Seite. Bis zum Abend ist der Umsturzversuch gescheitert. Hitler wendet sich über den Rundfunk an das Volk und spricht von der „Vorsehung“, die ihn gerettet habe. Stauffenberg und mehrere Mitverschwörer werden verhaftet und noch in der Nacht standrechtlich erschossen. Andere entdeckt man erst später. Insgesamt werden etwa 200 Widerstandskämpfer getötet. Der Historiker Wolfgang Benz sieht den Hauptgrund des Scheiterns darin, dass „keiner der berühmten Heerführer“ von damals, wie General Erwin Rommel, mitmachte: „Mindestens einer von denen hätte sich an die Spitze stellen müssen, dass dann das Volk sagt: ‚Aha, der Rommel sieht das auch so, dass der Hitler ein Verbrecher ist‘.“

Dennoch hat der Widerstand gegen Hitler mit dem 20. Juli 1944 ein starkes Symbol bekommen. Stauffenbergs Mitverschwörer Henning von Tresckow war wenige Tage zuvor zu dem Schluss gekommen, es komme gar nicht mehr auf den Erfolg an, „sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat“.

Es hatte andere Aktionen gegeben, etwa der 1939 nur knapp gescheiterte Versuch des Kunstschreiners Georg Elser, Hitler durch eine selbstgebastelte Bombe im Münchener Bürgerbräukeller zu töten, oder die Flugblattaktion des Freundeskreises Weiße Rose. Sie standen später zu Unrecht im Schatten „des späten, um nicht zu sagen, des verspäteten Widerstands der konservativen Eliten“, wie Wolfgang Benz über den 20. Juli urteilt.

„Der Holocaust interessierte nicht“

Das Gedenken an das Attentat hat eine ganz eigene Geschichte. Noch lange nach Kriegsende gelten die Urheber als Verräter. Stauffenbergs Witwe wird anfangs die Offizierswitwenrente verweigert. Später bekommen die Verschwörer einen offiziellen Heldenstatus. Längst gibt es Straßen, Schulen und Kasernen mit ihren Namen. Öffentliche Gebäude werden am 20. Juli beflaggt. Es finden am Jahrestag Gelöbnisfeiern für Bundeswehr-Rekruten statt: Das Militär des demokratischen Deutschland beruft sich auf die Widerständler um den ehemaligen Wehrmachtsoffizier Stauffenberg.
Aber es gab immer auch kritische Töne. Der Stauffenberg-Biograph Thomas Karlauf weist darauf hin, dass die Gruppe erst im Sommer 1944 handelte, kurz nach der Landung der Alliierten in der Normandie. Stauffenberg hat 1940 nach den schnellen militärischen Siegen über Polen und Frankreich noch geschwärmt: „Welche Veränderung in welcher Zeit!“ Es habe bei ihm und anderen Männern des militärischen Widerstands einen „sehr, sehr langen Weg der Läuterung“ gegeben, sagt Benz und fügt hinzu: „Der Holocaust hat die überhaupt nicht interessiert.“ Man habe, weil sich die militärische Niederlage abzeichnete, durch einen Staatsstreich versuchen wollen, für Deutschland „zu retten, was zu retten ist“.

Widerstand – auch abseits des 20. Juli

Sein Kollege Johannes Hürter vertritt die Ansicht, Stauffenberg sei kein Demokrat gewesen, er habe eine autoritäre Staatsform für Deutschland im Sinn gehabt, wäre das Attentat geglückt. Wolfgang Benz urteilt etwas weniger hart: „Unter allen Umständen wäre Deutschland wieder ein Rechtsstaat geworden. Aber eine Demokratie nach unserem Muster, wie sie dann im Grundgesetz errichtet wurde, war nicht die Vorstellung der Verschwörer des 20. Juli.“Viele Deutsche denken heute zuallererst an den 20. Juli 1944, wenn es um den Widerstand gegen den

Stauffenberg war 1940 nach dem Polen- und dem Frankreich-Feldzug berauscht vom Sieg

Nationalsozialismus geht. Claus Schenk Graf von Stauffenberg ist dabei zu dem Gesicht des Widerstands geworden. Doch es gab viele auch andere Heldinnen und Helden, die sich gegen den Terror des NS-Regimes auflehnten – Juden, Kommunisten, Kirchenleute, Künstler, Partisanen. Und sicher auch Menschen, die im Stillen Widerstand leisteten und deren Taten, anders als das Attentat vom 20. Juli, heute in Vergessenheit geraten sind.

Jul 2023 | Allgemein, Junge Rundschau, Sapere aude, Senioren, Zeitgeschehen | Kommentieren