Spitzwegs „Arm hausender Lyriker“ wird „auch gern gekauft“

Mit vollmundiger Werbung locken Zuschussverlage Möchtegern-Autoren.
Die aber müssen –  wollen sie sich gedruckt sehen, ordentlich blechen.
Eine Aktivistengruppe machte jetzt die Probe aufs Exempel – und entdeckte eine Branche zwischen Geschäftemacherei und Dada.

Die Post, die sechs sogenannten Zuschussverlagen in Deutschland und Österreich   zugeht, trägt als Absender „Schriftsteller“ und den Namen Rico Beutlich.

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Jul 2023 | Heidelberg, Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, In vino veritas, Junge Rundschau, Sapere aude, Senioren, Wirtschaft | Kommentieren

Unter den fünfzig Kapiteln in Anne Rabes Roman „Die Möglichkeit von Glück“ gibt es nur fünf, die Überschriften tragen. Vier davon gelten dem Leben des Großvaters der Icherzählerin Stine oder, genauer gesagt: seinem Vorleben, bevor die Enkelin 1986 geboren wurde. Es ist die Geschichte des 1923 in eine arme Berliner Familie hineingeborenen Paul Bahrlow, der in der NS-Zeit aufwächst, an der Ostfront (zu seinem Glück) verwundet wird und sich für die neu gegründete DDR begeistert – „Wir kamen aus dem Krieg, Stinchen, wir wollten nur eins – nie wieder Faschismus!“ Zu seiner Enttäuschung ist die Begeisterung staatlicherseits nicht in dem Ausmaß erwidert worden, wie er es sich erhoffte. Die Karriere stockt, es verschlägt Paul als Dozent in die Provinz an die Ostseeküste. In zweiter Ehe findet er immerhin spätes Familienglück; nach einer bereits kurz nach der Geburt gestorbenen Tochter kommen noch zwei Mädchen auf die Welt, eines davon, Monika, ist Stines Mutter. 1989 kollabiert der Staat, dem sich Paul in mehr als nur einer Weise verschrieben hatte, und damit beginnt das eigentliche Drama, das nun ganz aus Stines Sicht erzählt werden kann.

 

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Jul 2023 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton | Kommentieren

Warum heute noch d i e s Bild? Damit d a s nichr vergessen wird! – Mauerbau in Berlin

„Man darf das Gras nicht wachsen hören, sonst wird man taub“ – Wir wissen, Gerhard Hauptmann hat mit dieser Erkenntnis recht. Nein, ich will nicht vergleichen, was nicht verglichen werden kann und nicht verglichen werden darf.

Damals aber, in jenen Tagen, da die Berliner SPD sich zu einem Votum für die Ehrenbürgerschaft Wolf Biermanns durchrang, konnte man in einem literarischen Stadtführer für Berlin auf ein Gedicht eines anderen ehemaligen DDR-Autors stoßen: Volker Braun (notabene 1996 Poetikvorlesung an der Universität Heidelberg), schrieb 1979 „in Sachen Biermann“ – ohne diesen beim Namen zu nennen, „Die Mauer“ die offiziellen Verlautbarungen (schade – nigendwo mehr zu bekommen) der DDR-Staatsführung in Versen.

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Jul 2023 | Allgemein, Feuilleton, Gesundheit, Politik, Theater, Zeitgeschehen | Kommentieren

Christian Schulz (r.) „Mark Rothko“ und Josa Butschkau „Ken“

New York, 1958: Mark Rothko, der Entwickler des Abstrakten Expressionismus, ist einer der erfolgreichsten Künstler der Welt.

 

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere erhält Rothko den Auftrag eine Serie von Wandbildern für das New Yorker Luxus-Restaurant „Four Seasons“ zu erstellen – für  das höchste Honorar, das jemals einem Maler gezahlt wurde.

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Jul 2023 | Heidelberg, Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau, Theater | Kommentieren

Martin Walser war der letzte aus der Riege der deutschen Großschriftsteller. Wortmächtig war er und streitlustig, er liebte das Missverständnis und beklagte, missverstanden zu werden. Und, natürlich hätte er den Nobelpreis verdient.

Wenn ein Schriftsteller stirbt, stirbt seine Stimme, seine Sprache mit ihm und die Welt wird ärmer. Wenn ein Schriftsteller wie Martin Walser stirbt, dann steht die Welt für diejenigen für mehr als einen Augenblick still, die mit ihm und seinen Büchern und seiner Streitlust aufgewachsen sind.

 

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Jul 2023 | Allgemein, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren

Und welcher ist jetzt der richtige Marxismus? Für Perry Anderson sollte es einer sein, der treu zur revolutionären Bewegung hält – komme, was da wolle

Seit einigen Jahren spricht man selbst in der bürgerlichen Öffentlichkeit von einem Marx-Revival. Sein 200. Geburtstag wurde 2018 nahezu staatstragend gefeiert und von der Philosophie bis in die Wirtschaftswissenschaften war man sich einig: Karl Marx ist relevanter denn je. Passend dazu finden sich zahlreiche marxistische Analysen, mit Marx wird der Klimawandel im Kapitalozän erklärt, der Liberalismus als »Diversität der Ausbeutung« kritisiert und das Erstarken des Rechtspopulismus mit Marx’ Analyse des Bonapartismus verglichen. Das erweckt mitunter den Eindruck einer intakten, gar geschlossenen marxistischen Theorie, die in der gesellschaftlichen Krisensituation nun endlich gebührend Aufmerksamkeit findet.

 

 

 

Vielleicht ist das ein Anlass zur Freude, endlich einmal mit »Marx hatte Recht!« auf der Gewinnerseite zu stehen. Aber das Problem ist ja, dass es sich bei der Marxschen Theorie nicht einfach um ein Konkurrenzangebot der fröhlichen Wissenschaft handelt, das gerade einmal das Rennen macht. Eigentlich hat diese Theorie ein klares Kriterium ihres Erfolgs, wenn man so will: die Revolution, sprich die Überwindung derjenigen Verhältnisse, die die Theorie erst notwendig gemacht haben. Marxismus ist da gelungen, wo er sich selbst abgeschafft hat.

Daher rührt der berühmte Nexus zwischen Theorie und Praxis, der den Marxismus seit Jahr und Tag aufreibt. Es komme eben darauf an, die Welt zu verändern, wie es ja bei Marx heißt. Mit diesem Anspruch hatte der britische Historiker Perry Anderson vor fast einem halben Jahrhundert der marxistischen Theorie eine polemische Anklage unterbreitet. Sein berühmt-berüchtigter Essay »Über den westlichen Marxismus« aus dem Jahre 1976 bescheinigte den unterschiedlichsten Theorieentwicklungen der unmittelbaren Vor- und Nachkriegszeit in Frankreich, Deutschland bis Italien, sie hätten die Revolution aufgegeben und sich in die bürgerliche Philosophie verabschiedet. Seit kurzem liegt der Essay nun in einer Neuauflage vor und provoziert auch heute die Frage: Was soll er denn sein, dieser Marxismus?

Resultat einer Niederlage

Das Konzept des westlichen Marxismus hat sich dermaßen eingebürgert, dass oft vergessen wird, wie Anderson diesen Begriff als eine Beleidigung popularisierte. Er stellte die philosophischen und vermeintlich praxisfernen Theorien im kapitalistischen Kontinentaleuropa jenen politischen Kämpfen im Osten gegenüber – mit einer klaren Präferenz, wo die Revolution zu holen sei. »Die erste und fundamentalste Eigenart dieses Marxismus«, schrieb Anderson, sei daher »seine strukturelle Trennung von der politischen Praxis«.

Seine Analyse bezog sich auf eine Entwicklung, die vor knapp hundert Jahren ihren Ausgang nahm, in der Krise des Marxismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im traditionellen Marxismus, also im relativ unmittelbaren Anschluss an Marx, hatte die Aufgabe darin bestanden, den historischen Materialismus zur umfassenden Theorie auszuarbeiten. Von Engels bis in die Zweite Internationale – mit Theoretikern wie Antonio Labriola, Franz Mehring, Karl Kautsky und Georgi W. Plechanow – ging es um eine Art Vervollständigung der Theorie. Allerdings war der Anspruch an die Theorie in den Umbrüchen der Jahrhundertwende zunehmend gestiegen. Die realen Entwicklungen der kapitalistischen Produktionsweise zu Monopolisierung und Imperialismus mussten erklärt werden und die Russische Revolution von 1905 forderte eine Erweiterung der Ökonomiekritik zur politischen Theorie.

Trotz der vielfältigen Wirkungsbereiche jener Auseinandersetzungen bildete der Marxismus zu dieser Zeit eine einigermaßen geschlossene Theorieformation. Für Perry Anderson war genau das ihr Gütekriterium. Entsprechend rekonstruiert er diese Phasen der »klassischen Tradition« des Marxismus über zwei zusammenhängende Kriterien: einerseits die Nähe zur politischen Praxis und andererseits die Geschlossenheit der Theorie, die wiederum die Einheit von Theorie und Praxis widerspiegeln soll.

Mit den historischen Niederlagen der Arbeiterbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts war genau diese Einheit aber kaum mehr möglich gewesen: Die sozialistische Bewegung, ausgedrückt in der Zweiten Internationale, zerbrach mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs am Nationalismus und infolge dessen an der Konfliktlinie zwischen reformerischem und revolutionärem Anspruch bis zu ihrer Niederlage gegen den Faschismus. In diesen veränderten Koordinaten der Weltpolitik »nahm der Marxismus eine Gestalt an, die sich in entscheidenden Hinsichten sehr deutlich von allem unterschied, was ihm vorausgegangen war«. Für Anderson stellte diese neue Form eine theoretische Regression dar, eine Art Revisionismus gegenüber der Praxis und Geschlossenheit. Der westliche Marxismus sei insofern das »Resultat einer Niederlage«.

Kommunistische Trauerarbeit

Diese Diagnose war durchaus zutreffend und bildete zudem den expliziten Ausgangspunkt von so unterschiedlichen westlichen Marxist*innen wie Louis Althusser, Antonio Gramsci oder der Frankfurter Schule. Während diese versuchten, das Scheitern des Marxismus zu bearbeiten, aufzuklären und, dem Anspruch nach, selbst in die Theoriebildung aufzunehmen, galt diese Bemühung Anderson als Verrat. In seiner Version der Niederlage kommt der Theorie eine Mitschuld an der gescheiterten Revolution zu. Kurz gesagt: Eine Theorie, die ihre Einheit mit der Praxis aufkündigt, lässt die Bewegung hängen.

Das fatale Missverständnis auf Andersons Seite liegt darin, dass er die besagte Niederlage nicht als objektive Entwicklung begreift, sondern als Verfehlung der Theorie, die nicht an der Geschlossenheit und der Verbundenheit zur proletarischen Bewegung festgehalten habe. Dieser Vorwurf offenbart jedoch ein hochgradig problematisches Theorieverständnis, das, wie Wolfgang Fritz Haug schon 1978 festhielt, »ein ideologischer Spiegeleffekt in den ›Wänden‹ einer begrenzten – der trotzkistischen – Perspektive« ist. Anderson macht den Marxismus zur Weltanschauung der proletarischen Revolution, gegen alle Widerstände. Auf den daraus resultierenden Vorwurf des Verrats hatte Leo Löwenthal einmal geantwortet: »Wir haben nicht die Praxis verlassen, sondern die Praxis hat uns verlassen«. Die Aufgabe der Theorie bestand folglich in der Aufklärung über diesen Verlust, eine Art Trauerarbeit, wie es etwa Bini Adamczak forderte.

Anderson aber hält am Objektivitätsideal des Marxismus fest, der die Wahrheit für die Arbeiterbewegung liefern müsse, auch wenn er dazu objektiv außer Stande war. Das ist Wunschdenken und Weigerung gegen jene Realität, die die gesellschaftliche Krise längst in die Theorie gezwungen hatte. So bleibt ihm der falsche Optimismus erhalten, dass die Revolution doch fast greifbar sei, wenn man nur der Bewegung weltanschaulich treu bleibe.

Zumindest schien diese Hoffnung für Anderson Anlass seiner Polemik. In den 1970er Jahren sah er im Zuge der Aufstände des Mai 1968 den »Anbruch einer neuen Periode in der Geschichte der Arbeiterbewegung«. Gesellschaftliche Krise und linker Protest würden so vielleicht den »revolutionären Stromkreis zwischen der marxistischen Theorie und der Praxis der Massen« schließen können. Andersons historische Rekonstruktion und Bestandsaufnahme des Scheiterns galt vielleicht im besten Sinne dem Anspruch, aus Fehlern lernen zu wollen.

Theoriepolitisches Gerangel

Für einen solchen Lernprozess aber wäre es nötig, die Theorien des westlichen Marxismus in ihren Bemühungen zur Aufarbeitung des Scheiterns der Arbeiterbewegung zumindest zur Kenntnis zu nehmen. Aber wie auch Stephan Lessenich in seinem Nachwort zur Neuauflage festhält, verfährt Andersons Abrechnung »in erstaunlich unmaterialistischer Verkennung der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen diese sich 1933 konstituiert hatte«, namentlich des Nationalsozialismus.

Insgesamt geht Lessenich mit Anderson hart ins Gericht – nicht nur, indem er sich als Direktor des Instituts für Sozialforschung gegen die Diskreditierung der Frankfurter Schule als Wurzel allen Übels wehrt. Er weist zurecht auf Andersons eigene Engstirnigkeit hin, die dieser ja gerade als Symptom des gescheiterten Marxismus auszugeben versuchte: Die Verengung auf ökonomische Kämpfe verstelle ihm den Blick auf »Kämpfe von Frauen, Migrant:innen, anderweitig Unterdrückten und Ausgeschlossenen«. Und auch jene Theorieentwicklungen, die sich dezidiert den von Anderson konstatierten Problemen annahmen, ließe dieser außen vor.

Unterm Strich empfiehlt Lessenich die Lektüre von »Über den westlichen Marxismus«, denn einige der drängenden Fragen, die das Buch aufwirft, lägen eben heute noch ungelöst auf dem Tisch. Und das stimmt. Statt sich in einem Gerangel zu erschöpfen, wer denn nun mit welchem Marx als Autorität auftrumpfen könne, wäre es angezeigt, die wirklichen gesellschaftlichen Bedingungen zu begreifen, der sich eine »wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt« (Marx), stellen muss. Das jedenfalls wäre der Anspruch eines Marxismus, der nicht einfach nur behauptet, die überlegene Wissenschaft und Avantgarde der sozialen Revolution zu sein – eine Art Lackmustest, bei dem viele der aktuellen Marxismen immer noch durchfallen.

Perry Anderson: Über den westlichen Marxismus.
Mit einem Nachwort von Stephan Lessenich.
Dietz Berlin, 152 S., br., 18 €.

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Jul 2023 | In Arbeit | Kommentieren

Das Verschwinden großer Eisflächen ließ das Meer um mindestens 1,4 Meter steigen, vermuten Wissenschaftler

Große Teile von Grönland waren noch vor gut 400 000 Jahren eisfrei und glichen einer Tundralandschaft. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach der Analyse eines Eisbohrkerns aus dem Nordwesten der Insel im Fachmagazin Science. Das Resultat zeigt laut den Forschern, wie sensibel der Grönländische Eisschild – die zweitgrößte Eismasse der Erde – auf Temperaturänderungen reagiert.Zu der aktuellen Erkenntnis trug maßgeblich ein Zufall bei: Im Nordwesten von Grönland hatten die USA im Kalten Krieg eine unterirdische Militärbasis angelegt und als arktische Forschungsstation getarnt.

Dieses Camp Century erwies sich als Fehlplanung und wurde 1967 aufgegeben. Kurz zuvor hatten Forscher einen Eisbohrkern entnommen, der fast 1400 Meter lang war und damit knapp vier Meter unter den Eispanzer reichte. Dieser Bohrkern ging jedoch verloren und wurde erst 2017 zufällig in Dänemark wiederentdeckt.

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Jul 2023 | Allgemein, Feuilleton, In vino veritas, Junge Rundschau, Sapere aude | Kommentieren

In 13 europäischen Regierungen sitzen mittlerweile Rechtspopulisten. In Deutschland ist die AfD in Umfragen auf 18 Prozent geklettert, im nächsten Jahr stehen Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an. Ist die liberale Demokratie ein Auslaufmodell? Der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel erklärt das Phänomen – und verweist auf entscheidende Fragen, auf die die liberale Demokratie noch keine Antwort gefunden hat.
Der Trend ist anhaltend und gefährlich: Aus demokratischen Wahlen gehen am Ende oft, wenn auch nicht immer, illiberale, populistische und radikale Parteien oder Kandidaten gestärkt hervor. Das war jüngst in Spanien (Kommunalwahlen) so, davor in Schweden, in Italien, bei Landtagswahlen in Österreich. Die Wahlen in der Türkei, sofern sie denn rechtsstaatlichen Ansprüchen genügten, fügen sich mit Recep Tayyip Erdogans Sieg in diese Reihe ein. Auch in Deutschland bewegt sich die AfD in Umfragen mittlerweile auf Augenhöhe mit der SPD bei 18 Prozent.

 

 

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Jul 2023 | In Arbeit | Kommentieren
Das Bild zeigt die Sternentstehungsregion RCW38 in unserer Milchstraße.
Welche Sterne wohl in der Sternentstehungsregion RCW38 in rund 5000 Lichtjahren Entfernung von unserer Milchstraße entstehen? Die ursprüngliche Massenfunktion hat darauf eine Antwort – allerdings ist sie wohl nicht überall und zu allen Zeiten gleich gültig.

Im ersten Moment klingt die Entstehung von Sternen nicht besonders kompliziert. Eine Molekülwolke kollabiert unter ihrer eigenen Schwerkraft, ballt sich zu einem kugelrunden Etwas zusammen, zündet im Inneren die Kernfusion, fängt an zu leuchten, fertig. Allerdings entstehen Sterne nicht in Isolation, sondern meist zu Hunderten oder gar Tausenden in speziellen Sternentstehungsregionen. Sterne gibt es in allen möglichen Größen: Von winzigen, massearmen und rötlichen Zwergsternen bis hin zu massereichen Blauen Riesen kann alles dabei sein. Die anfängliche Massenfunktion, auch ursprüngliche Massenfunktion (kurz IMF, aus dem Englischen »initial mass function«) genannt, liefert eine Antwort auf die Frage, wie viele große und wie viele kleine Sterne in einer solchen Sternenwiege entstehen. Doch nun zeigt ein Forschungsteam im Fachjournal »Nature«, dass diese so praktische Formel wohl nicht überall und zu allen Zeiten gilt.

Dabei hätte alles so einfach sein können. Bereits im Jahr 1955 schrieb der Physiker Edwin Salpeter eine Formel für die ursprüngliche Massenfunktion auf, die er aus seinen Beobachtungen der Sterne in Sonnennähe abgeleitet hatte. Demnach seien massereiche Sterne viel seltener als masseärmere Sterne: Auf einen riesigen Stern mit der zehnfachen Sonnenmasse kämen demnach mehrere hundert sonnenähnliche, kleinere Sterne. Seine Formel war eine Exponentialgleichung mit einem konstanten Exponenten für alle Sternenmassen. Weitere Beobachtungen zeigten zwar, dass dies vor allem für massearme Sterne nicht zu gelten scheint, sie brauchen einen kleineren Exponenten. Aber ob diese »kanonische«, das heißt anerkannte Massenfunktion, wirklich für alle Sterne auch jenseits unserer eigenen Galaxie und zu unterschiedlichen Zeiten in der Entwicklung des Universums gilt, war und ist umstritten.

Immer wieder gab es Hinweise in die eine oder in die andere Richtung. Die aktuelle Studie des Teams um Jiadong Li von den Nationalen Astronomischen Observatorien in Peking, China, zeigt nun in die andere Richtung: Die Ergebnisse der Forscherinnen und Forscher deuten darauf hin, dass die ursprüngliche Massenfunktion sich mit dem Alter der Sterne sowie mit ihrer Metallizität ändert. Die Metallizität bezeichnet dabei den Gehalt an Elementen, die schwerer sind als Wasserstoff und Helium. Für die Studie verwendeten die Forschenden Daten des Teleskops LAMOST sowie des Gaia-Weltraumteleskops. Sie interessierten sich dabei für Rote Zwerge, so genannte M-Zwerge mit Massen von 0,3 bis 0,7 Sonnenmassen, die sich rund 330 bis 1000 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt befinden. Das Praktische an diesen M-Zwergen ist: Da sie so klein sind, sind sie extrem langlebig. Daher lässt sich durch die Vermessung der derzeitigen Massenverteilung mehr oder weniger direkt auf ihre ursprüngliche Massenverteilung schließen.

Auf den ersten Blick schienen alle M-Zwerge den anerkannten Massenverteilungen zu folgen, ohne dass ihre Metallizität dabei eine Rolle spielte. Aber wie sähe es aus, wenn man diese Sterne in junge und alte Sterne unterteilen könnte? Nun ist es extrem schwierig, das Alter von Sternen zu bestimmen, wenn diese sich etwa in der Mitte ihrer Lebensdauer befinden, das heißt, in ihrem Inneren Wasserstoff zu Helium verbrennen – und das war bei allen beobachteten M-Zwergen der Fall. Allerdings ist ein grober Anhaltspunkt für das Alter eines Sterns seine vertikale Geschwindigkeit durch die Milchstraße. Oder vereinfacht ausgedrückt: Wie schnell bewegt sich der Stern nach oben oder nach unten durch unsere Galaxie? Aus Beobachtungen wissen Astronominnen und Astronomen, dass ältere Sterne dabei schneller unterwegs sind als jüngere Sterne.

Anhand dieser Einteilung schließlich zeigten sich Unterschiede in der Massenverteilung. Laut den Daten der Forschenden hätten sich zu früheren Zeiten tendenziell weniger masseärmere Sterne gebildet, als es die ursprüngliche Massenfunktion vorhersagt. Das bedeutet: Früher sind wohl mehr größere Sterne entstanden, als dies heutzutage in der Milchstraße der Fall ist. Darüber hinaus zeigte sich für jüngere Sterne, dass ihre Massenverteilung sehr wohl von ihrer Metallizität abhängt. Je größer die Metallizität, also je höher der Anteil von schwereren Elementen als Wasserstoff und Helium, desto mehr masseärmere Sterne entstehen.

Die ursprüngliche Massenverteilung von Sternen scheint von der Zeit und von der Metallizität abzuhängen

Das Team um Jiadong Li schließt daraus, dass die ursprüngliche Massenverteilung sowohl von der Zeit als auch von der Metallizität abhängt. Somit gäbe es keine einfache Formel für den stellaren Zensus, die durchgängig anwendbar ist. Die Forschenden schreiben, dass das Auswirkungen auf viele Bereiche der Astronomie habe, bei denen die Interpretation der Ergebnisse von der ursprünglichen Massenverteilung abhängt: Unter anderem seien davon Modelle der chemischen Elementverteilung in der Galaxienentwicklung, der Massenbestimmung ferner Galaxien oder sogar die Effizienz der Planetenentstehung betroffen.

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Von Erd- bis Waldbestattung: So geht Umweltschutz über den Tod hinaus

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Jul 2023 | In Arbeit | Kommentieren

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