Der Rückhalt der AfD in der Bevölkerung scheint zu steigen: In Umfragen legte die Partei zuletzt deutlich zu. So lag die AfD in der wöchentlichen Sonntagsfrage im ARD-Deutschlandtrend und für die „Bild am Sonntag“ gleichauf mit der SPD, die beiden Parteien teilten sich jeweils den zweiten Platz hinter der CDU als stärkste Kraft.
Bei den anderen Parteien begann sogleich die Suche nach den Ursachen für die starke AfD. So schrieb etwa CDU-Chef Friedrich Merz am Wochenende in seinem Newsletter, die Gründe seien doch seit längerer Zeit klar: „Eine schwache und beständig streitende Regierung löst Gegenreaktionen aus. Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen.“
Außerdem trügen auch die Medien ihren Teil bei, so Merz. „Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar Hundert Stimmen mehr zur AfD“, schreibt der CDU-Chef. „Gegenderte Sprache und identitäre Ideologie werden von einer großen Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr nur im Stillen abgelehnt. Sie werden als übergriffig empfunden.“
Merz hat gehörigen Anteil am Höhenflug der AfD
Politologe: „AfD ist keine reine Protestpartei“
„Merz grenzt sich einerseits ganz klar ab von der AfD“, so Lewandowsky. „Er sagt aber andererseits auch: Die Ursachen für die Zuwächse für die AfD liegen genau in dieser woken Ideologie.“ Das halte er aus zwei Gründen für zweifelhaft.
Erstens sei innerhalb der Bevölkerung die Zustimmung für die AfD immer wieder Schwankungen unterworfen. „Wenn wir das im langen Zeitverlauf beobachten, dann ist dieser Anstieg gar nicht so groß, wie er zuerst scheint“, erklärte der Politikwissenschaftler. Außerdem seien die guten Umfragewerte kein Zufall, denn die AfD sei keine reine Protestpartei. Sie bediene seit Jahren eine Nachfrage.
Wenn die Leute ‚nur‘ ein Problem mit dieser woken Ideologie hätten, dann könnten sie ja durchaus auch der CDU zulaufen, die sich auch dagegenstellt. Das tun sie aber nicht, sondern sie gehen zur AfD.
Marcel Lewandowsky, Politikwissenschaftler
Lewandowsky: Merz legitimiert Position der AfD
Die Strategie von Merz und der Union – insbesondere in einigen ostdeutschen Bundesländern – orientiere sich an der Strategie der Republikaner in den USA. „Das funktioniert womöglich in einem Zwei-Parteien-System“, erklärte Lewandowsky. „Aber in einem Mehr-Parteien-System wie in Deutschland, wo die Union auch im konservativen, rechten und auch mittigen Spektrum Konkurrenz hat, kann das schwer nach hinten losgehen.“
So würden Merz’ Aussagen den Positionen der AfD eine gewisse Berechtigung geben und sie legitimieren. Damit bekomme die Union aber ein Problem, weil sie sich gleichzeitig von den „woken Linken“ abgrenze. „Wie sollten Friedrich Merz oder auch Landesverbände der Union beispielsweise in aufkommenden Koalitionsverhandlungen begründen, dass sie dann doch vielleicht mit den Grünen oder der SPD zusammengehen, aber nicht mit der AfD?“, fragte der Politikwissenschaftler. „Diese Ausgrenzungsrhetorik funktioniert in dem Moment nicht mehr, in dem man die Position der AfD legitimiert, die anderen aber dämonisiert.“
CDU-Chef Merz unterstreicht Ablehnung der Zusammenarbeit mit der AfD
Vor dem Hintergrund relativ hoher Umfragewerte für die AfD hat sich CDU-Chef Merz noch einmal klar gegen eine Zusammenarbeit mit der Partei ausgesprochen.
Im internationalen Vergleich zeige die Forschung, dass konservative Parteien auch in anderen Ländern dazu neigen, die Positionen der radikalen Rechten zu übernehmen oder sich ihnen anzunähern, erklärte Lewandowsky. Es gebe aber keinen Nachweis dafür, dass diese Strategie funktioniert.
Generell würde er den anderen Parteien in Deutschland empfehlen, der AfD keine Bühne zu geben – anders als jetzt. „Ich würde ihnen raten, sich auf die Konkurrenz untereinander zu beziehen“, meint der Politikwissenschaftler. „Sie sollten versuchen, die materiellen Probleme und Fragen zu lösen, die den Wählern immer noch am wichtigsten sind – Umwelt- und Klimaschutz, sichere Arbeitsplätze, starke Wirtschaft – und sich um die AfD eigentlich gar nicht weiter zu kümmern.“