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„eine Freye Reichs und Hanse – Hamburg um 1730 – Wohlstand und Macht“
Unter den 51 Reichsstädten waren nur noch wenige in der Lage, aktiv in das politische und wirtschaftliche Geschehen einzugreifen. Niedergang oder Stagnation prägte viele Gemeinwesen. Ein politisch selbstverantwortliches, ökonomisch und kulturell selbständiges Bürgertum gab es nur in wenigen Städten, in Augsburg, Bremen, Frankfurt am Main, Lübeck, Nürnberg und insbesondere in Hamburg, der mit Abstand größten und jüngsten Reichsstadt. Denn erst als der jahrhundertelange Widersacher Dänemark 1768 die Unabhängigkeit der Stadt anerkannte, konnte die Elbmetropole unangefochten ihren Platz auf dem Reichstag zu Regensburg einnehmen. Auch zwischen Westfälischem Frieden und Französischer Revolution war Hamburgs Politik darauf gerichtet, die Selbstständigkeit und das für Schifffahrt, Handel und Gewerbe lebenswichtige Prinzip der Neutralität zu bewahren.
In Krisen- und Kriegszeiten sah sich die Stadt immer wieder finanziellen Pressionen ausgesetzt. Verhandlungen und Geldeinsatz waren die diplomatischen Mittel, mit denen die Kaufmannsrepublik ihren Platz zu behaupten suchte. Im Unterschied zu vielen anderen traditionsreichen Städten bildete die Epoche zwischen 1648 und 1806 für Hamburg eine Zeit des Aufstiegs und des Wachstums. Zählte die Stadt im Dreißigjährigen Krieg etwa 50 000 Einwohner, so waren es Anfang des 18. Jahrhunderts rund 75 000, 1787 100 000 Menschen.
Zur Zeit der Französischen Revolution lebten zeitweise 130.000 Bewohner in der Stadt. 1685 war zu den alten Kirchspielen St. Michaelis hinzu gekommen, das sich im Laufe der Jahre zu einem dicht besiedelten Stadtteil entwickelte. Nach Wien und Berlin war Hamburg die drittgrößte Stadt des Heiligen Römischen Reiches. Ihr Aufstieg vollzog sich nicht bruchlos. Wirtschaftskrisen, innere Kämpfe und Unruhen sowie die Pest im frühen 18. Jahrhundert führten zu Unterbrechungen, zu Einbußen an Wohlstand und Macht.
Die Jahrzehnte zwischen 1648 und 1712 waren geprägt durch heftige Verfassungskämpfe, die an Intensität und Dauer in Deutschland kaum ihresgleichen hatten. In den Auseinandersetzungen ging es im Wesentlichen um die Machtverteilung zwischen Rat und Bürgerschaft sowie um den Zugang zur Bürgerschaft. Außenpolitische und religiöse Faktoren, Interessen der Nachbarn und des Reiches wirkten auf die Kämpfe ein, Orthodoxe und Pietisten traten auf den Plan. Die traditionellen lutherischen Pastoren nahmen streitbar und machtvoll politischen Einfluss auf viele Lebensbereiche. Höhepunkte der Bürgerkämpfe um die Verfassung waren die Jahre 1686 und 1699. 1686 scheiterte die kurze Herrschaft der bürgerlichen Opposition unter Cord Jastram und Hieronymus Snitger, als diese sich Dänemark annäherten.
Die dänische Belagerung, warder letzte Versuch, Hamburg mit militärischen Mitteln doch noch zur holsteinischen Landstadt zu machen, einte das zerstrittene Gemeinwesen vorübergehend und führte zur Hinrichtung der Aufrührer. 1699 übernahm die Bürgerschaft die Macht, der Rat wurde von ihr abhängig. Diese Phase fand durch das militärische, dann diplomatische Eingreifen einer kaiserlichen Kommission ihr Ende.wischen 1708 und 1712 wurden die Streitfragen entschieden und die seit 1529 bestehenden Herrschaftsverhältnisse wieder hergestellt. Die Gewalt hatten fortan Rat und Erbgesessene Bürgerschaft gemeinsam inne. Nur wer in der Stadt »mit eignem Feuer und Heerd« ansässig war und über Grundbesitz – innerhalb der Mauern und Wälle mit mindestens 1000, im Landgebiet mit 2000 Reichstalem Geldes darin – verfügte, konnte der Bürgerschaft angehören. Damit wurden weite Teile des Kleinbürgertums, der Krämer und Handwerker ausgeschlossen, die um Partizipation gekämpft hatten.
Um 1800 dürfte es in Hamburg 2000 bis 3000 politisch mitspracheberechtigte Bürger gegeben haben, Unabhängig vom Kriterium der Erbgesessenheit hatten Inhaber bestimmter Ämter, die Personalisten, Zugang zur Bürgerschaft. Den Älterleuten der Zünfte wurden Absprachen und gemeinsames Auftreten untersagt, vor allem weil sie vorher für mehr Einfluss gekämpft hatten. Von 1709 bis 1756 blieben 193 Versammlungen der Bürgerschaft beschlußunfähig, nur zu 204 Konventen kamen die mindestens erforderlichen 195 Bürger. Der Schwerpunkt der Politik lag daher beim Rat und bei den bürgerlichen Kollegien, die traditionell und konservativ eingestellt waren.