Mit Trawlern und Forschungsschiffen versucht Russland sich Medienberichten zufolge ein Bild von der Unterseeinfrastruktur in Nord- und Ostsee zu machen. Bei einer Annäherung tauchte an Bord schwer bewaffnetes Personal auf.
Laut einem Medienbericht wird das Forschungsschiff »Admiral Wladimirsky« wohl für das Ausspionieren von kritischer Infrastruktur eingesetzt

 

Russland führt unter dem Deckmantel der zivilen Schifffahrt offenbar Spionageaktivitäten in größerem Umfang durch als bislang bekannt. Das legt ein Bericht der öffentlich-rechtlichen Sender in Dänemark (DR), Norwegen (NRK), Schweden (SVT) und Finnland (Yle) nahe. In der Dokuserie »The Shadow File« berufen sich die Medien auf Geheimdienstinformationen aus den jeweiligen Ländern.

Demnach versucht Russland derzeit mit einem Spionageprogramm, einen Überblick über Offshore-Windparks, Gaspipelines sowie unterseeische Strom- und Internetkabel in den Gewässern um die nordeuropäischen Staaten zu erhalten. Zum Einsatz kommen demnach neben militärisch ausgeflaggten Schiffen auch verschiedene zivile Schiffe.

Ziel der Spionage ist dem Bericht zufolge, mögliche Sabotageakte gegen die nordischen Staaten durchzuführen, etwa eine Zerstörung der Unterseekabel nach Europa oder Nordamerika. Im Fall eines Konflikts mit dem Westen wisse Russland, wie sich die dänische Gesellschaft paralysieren lasse, zitierte der dänische Sender DK einen Mitarbeiter des dänischen Inlandsnachrichtendienstes PET. Ein norwegischer Geheimdienstler äußerte sich ebenfalls alarmiert.

»Admiral Wladimirsky« im Fokus

Im Zentrum der Recherche von DR, NRK, SVT und Yle steht das russische Schiff »Admiral Wladimirsky«, das offiziell der Ozeanforschung nachgehen soll. Wie die Sender unter Berufung auf ihre Quellen berichten, fuhr das fast 150 Meter lange Schiff im vergangenen November jedoch anders als üblich ohne aktivierten Positionstransmitter (AIS) durch den Kattegat. Dabei schickte das Schiff laufend Funknachrichten mit der eigenen Position an eine Marinebasis in Russland.

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Anhand der Angaben konnte ein Journalist des Senders DR die »Admiral Wladimirsky« orten und sich ihr mit einem Schlauchboot nähern. An Bord erschien daraufhin offenbar mindestens ein schwer bewaffneter Mann. Videoaufnahmen zeigen, wie das Forschungsschiff vor Anker liegt und mehrere Menschen an Deck das Schlauchboot beobachten.

Den Angaben zufolge soll sich die »Admiral Wladimirsky« insgesamt mehrere Wochen in der Ostsee, im Großen Belt, im Kattegat und in der Nordsee in der Nähe bereits gebauter oder geplanter Windparks aufgehalten haben. Ein mögliches Ziel für Sabotageakte könnten demnach etwa Seekabelstränge sein, mit denen sich ganze Windparks vom Netz nehmen ließen.

Russlands Botschafter in Norwegen reagiert

Wie die Sender bereits zuvor berichtet hatten, sollen in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 50 russische Schiffe in verdächtige Aktivitäten in den Nordmeeren verwickelt gewesen sein. Zuletzt hatten etwa Belgien und die Niederlande mitgeteilt, russische Marineaktivitäten in der Nähe von Nordseewindparks registriert zu haben.
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Auf Anfrage der Medien war nur Russlands Botschafter in Norwegen zu einer Stellungnahme bereit. Die Arbeit der Forschungsschiffe erfolge vollständig im Rahmen internationalen Rechts, teilte Teimuraz Ramishvili demnach mit.

Apr. 2023 | In Arbeit | Kommentieren