Dann jedoch wurde er als Kitschobjekt verschmäht – und ist seither der Inbegriff deutschen Spießertums. Damit tue man ihm Unrecht, sagt Sven ­Berrar, der mit rund 3.500 Exemplaren eine der größten Sammlungen Deutschlands besitzt. In einem Beitrag erzählt der Restaurator, weshalb er um das Image des Wichtelmanns kämpft. Sven ­Berrar arbeitet als Maler in der „Zwergstatt Gräfenroda“. Wie kann man sich das vorstellen?

Der Betrieb „Zwergstatt Gräfenroda“ wurde 1874 von dem Porzelliner und Modelleur Philipp ­Griebel in dem Thüringer Ort Gräfenroda gegründet. Die ersten Gartenzwerge sind dort um 1890 entstanden und von dort aus in die ganze Welt gewandert.
Sie waren viel größer als die heutigen Modelle. Wir produzieren immer noch in Handarbeit; vom Guss bis zum fertig bemalten Zwerg dauert die Herstellung in der Regel drei Wochen. Mittlerweile sind wir der weltweit letzte Betrieb, der tatsäclich noch an seinem Originalstandort traditionelle Gartenzwerge herstellt.

Ursprünglich wurden die Figuren für die ­Garten- und Parkanlagen des Adels hergestellt. Schließlich wurden sie auch in der bürgerlichen Schicht bekannt und sowohl be- als auch geliebt. Als nun aber die Manufakturen auf die Nachfrage reagierten und dazu übergingen, kleinere Zwerge für kleinere Gärten herzustellen, verlor der Adel das Interesse. Das ist wie mit – fast jedenfalls – jedem anderen kunsthandwerklichen Gegenstand: Je beliebter ein Artikel wird, desto mehr Plagiate gibt es – und desto mehr wird das Motiv abgewertet. Der Gartenzwerg hat seinen Tiefpunkt wohl Mitte der 1980er Jahre erreicht. Ziel unserer Manufaktur ist es, seinen Ruf zumindest als Kunsthandwerk zu wahren.

Es sei – so ein „Rufbewahrer“ – nachgewiesen, dass grosse kleinwüchsige Männer zu jener Zeit im gesamten Mittelmeerraum gesuchte Leute waren, um als – fleißige zumal – Bergarbeiter in die Stollen zu klettern und die dort vorkommenden Erze abzubauen. Diese Männer reisten in Kleingruppen durch die Lande – und weil sie sich nicht rasieren konnten, hatten sie lange Bärte. Das inspirierte die damalige Bevölkerung zu Märchen und Sagen. Die Figur des deutschen Gartenzwergs geht also ziemlich sicher auf die fleißigen Männer des Mittelmeerraums zurück.

 

März 2023 | Allgemein, Feuilleton, In vino veritas | Kommentieren