Manche Antworten sind bereits gefunden, vieles ist noch offen. Das Schöne an diesem Buch ist, dass wir einen Einblick in die laufende Forschung bekommen und auch erfahren, was schiefgegangen ist. Fast ist man geneigt, selbst Rabenforschung betreiben zu wollen, zumindest die Tiere zu beobachten, zum Beispiel beim Spaziergehen wahrzunehmen, wie vorsichtig sie sind. Das kommt daher, dass sie Aas fressen, sie die Hilfe von Fuchs, Bär, Wolf oder Adler brauchen, die die Haut des Beutetiers zerreißen und den Körper öffnen, was die Raben mit ihren Singvogelschnäbeln niemals könnten. Da ist es sinnvoll, auf der Hut zu sein, denn der Beutegreifer, der das Tier erlegt hat, ist der potenziell Stärkere.
Kaum haben sie ein Fleischstück ergattert, sind sie damit beschäftigt, es in Sicherheit zu bringen, also an möglichst geheimen Stellen zu verstecken. Denn wenn ein starker Vogel wegfliegt, um seine Beute in Sicherheit zu bringen, hat ein kleiner, schwächerer die Möglichkeit, kurz selbst an ein Stück Fleisch heranzukommen. So fliegen die Raben hin und weg und brauchen ein gutes Gedächtnis, um ihre Verstecke wiederzufinden.
.
Im Hintergrund zu warten und abzuschätzen, wann der richtige Moment ist, die Impulskontrolle, also das herausgerissene Fleisch trotz Appetit nicht sofort zu fressen, die nötige Gedächtnisleistung, die Verstecke wiederzufinden – all das trainiert das Gehirn. Ohne großen körperlichen Aufwand an hochwertiges Futter zu kommen, wirkt also aus evolutionärer Sicht als Selektionsdruck auf die Gehirnleistung der Tiere. Sie werden schlau!
.
In anderen Situationen hilft es, als Gruppe zu agieren, zum Beispiel bietet die Gemeinschaft Schutz vor dem nachtaktiven Uhu, daher übernachten Kolkraben in Gruppen auf Bäumen. Das räbische Sozialsystem kennt Freundschaft, Verwandtschaft, Partnerschaft und Dominanz. Das geht so weit, dass Raben sich beim Streiten anders verhalten, wenn Publikum dabei ist. Sich mit anderen auseinanderzusetzen, heißt, man muss abwägen, entscheiden, Probleme lösen. Die Hypothese lautet: Je komplexer das Sozialsystem, desto leistungsfähiger ist das Gehirn.
Gegen Ende des Buchs geht der Autor noch auf das Rabenmanagement ein, das in manchen Regionen nötig ist, wenn der Bestand zu hoch ist. Statt die Tiere abzuschießen, helfen kluge Methoden, sie davon abzuhalten, Nester seltener Vögel zu räubern: Man stellt täuschend echte Eier her und füllt sie mit Brechmittel. Die klugen Raben, die sich das gut merken, lassen diese Nester in Zukunft in Ruhe.
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirrend Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein. –
Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt – ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends halt.
Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton!
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirrend Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, –
Weh dem, der keine Heimat hat!
Friedrich Nietzsche (1844-1900) Rezitation: Klaus Kinski