Bidens Abstecher in die Hauptstadt der Ukraine war der erste Besuch eines amerikanischen Präsidenten in einem Konfliktgebiet außerhalb des Einflussbereichs des US-Militärs in der jüngeren Geschichte.
Auch wenn Moskau vorab ins Bild gesetzt wurde, barg die Reise so manche Risiken, wie das Weiße Haus (hernach) einräumte. Dennoch brannte Biden seit dem vergangenen Jahr darauf, sich in die Riege anderer westlicher Staats- und Regierungschefs einzureihen, die an der Seite des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew ihre Solidarität mit dem von Russland angegriffenen Land bekundet haben.
Eine bereits geplante Warschau-Visite bot eine günstige Gelegenheit für einen heiklen Zwischenstopp, der schon seit Monaten vorbereitet war. Aber erst am vergangenen Freitag habe Biden endgültig grünes Licht für die Reise gegeben, erklärte der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan. Die Information Moskaus sei einige Stunden vor Bidens Aufbruch zum Zweck der Konfliktvermeidung geschehen.
Als Biden am frühen Sonntagmorgen an Bord der Maschine der Luftwaffe geschleust wurde, galt für die Boeing das Rufzeichen „SAM060“, das für Special Air Mission steht, nicht das übliche „Air Force One“. Geparkt war das Flugzeug im Dunklen bei heruntergelassenen Fensterblenden, um 04.15 Uhr (Ortszeit) hob es schließlich vom Luftwaffenstützpunkt Andrews nahe Washington ab.
Zwischenstopp in Ramstein
Ziel war, mit Tankstopp auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein, der Flughafen von Rzeszów unweit der polnisch-ukrainischen Grenze, über den schon andere Politprominenz und westliche Waffen im Milliardenwert in die Ukraine gelangt sind. Dort bestiegen auch Biden und seine Entourage einen Zug nach Kiew.
Nach zehn Stunden, am Montagmorgen, erreichte der Präsident sein Ziel. Schon vorab waren viele Hauptstraßen und zentrale Gegenden ohne jede Erklärung abgeriegelt worden. Als dann die Wagenkolonne vorbeiraste, zückten Passanten ihre Handys, teilten Videos – und damit erste Hinweise, dass da ein sehr wichtiger Mensch unterwegs sein musste.l
Gespräch unter Präsidenten im Michaelskloster
So gespenstisch ruhig war es im abgeriegelten Zentrum der Hauptstadt der Ukraine, dass die Krähen zu hören waren, als Biden und Selenskyj von der Wagenkolonne zum St. Michaelskloster marschierten. „Lassen Sie uns hineingehen und uns umsehen“, sagte der US-Präsident zu seinem Gastgeber. Dann verschwanden beide in der Klosterkirche.
Um 11.30 Uhr läuteten die Glocken der Kathedrale, gefolgt vom Geheul von Sirenen, ehe Biden und Selenskyj heraustraten. Gemessenen Schrittes gingen sie durch das Tor der Klosterkirche auf einen Vorplatz, wo verrostete Ruinen zerstörter russischer Panzer und anderer Fahrzeuge als grimmige Erinnerung an den Krieg herumstanden.
In jenem Moment machten erste Bilder von Biden in Kiew die Runde in sozialen Medien in der Ukraine, schon bald wurde sein Besuch eine globale Neuigkeit.
Nach kurzem Zwischenstopp in der amerikanischen Botschaft bestiegen der US-Präsident und seine Entourage nach etwa fünf Stunden in Kiew wieder den Zug zurück nach Polen.
Gegen 13.07 Uhr gab die App der Sicherheitskräfte mit einem Zitat aus der Sciene-Fiction-Reihe „Star Wars“ Entwarnung, als die Bahn losfuhr:
„Der Fliegeralarm ist vorbei“, verkündete Luke Skywalker. „Möge die Macht mit dir sein.“