Für kunstliebende Gäste des Potsdamer Museum Barberini dürfte der Ausstellungsbesuch an diesem Wochenende einen faden Beigeschmack hinterlassen haben. Die mussten nämlich mit ansehen, wie Aktivisten der Klimaschutz-Protestgruppe „Letzte Generation“ das Werk Les Meules (Getreideschober) des Impressionisten Claude Monet mit Kartoffelbrei bewarfen und sich anschließend selbst am Boden festklebten – mit Sekundenkleber, obwohl die dünnflüssige Kartoffelmasse, die vom Gemälde heruntertropfte, durchaus auch sehr klebrig aussah.
Mit ihrer Aktion wollen die Aktivisten auf die Folgen der Klimakrise aufmerksam machen. „Was ist mehr wert #FürAlle – Kunst oder Leben? Monet liebte die Natur und hielt ihre fragile Schönheit in seinen Werken fest. Warum haben viele mehr Angst davor, dass eines dieser Abbilder Schaden nimmt, als vor der Zerstörung unserer Welt selbst?“,heißt es als Begründung in einem Tweet.
Das Kartoffelpüree ist nur eines von dreien Lebensmitteln, das in letzter Zeit aus Klimaschutzgründen auf Kunstwerke geworfen wurde. Vor kurzem schütteten die Aktivisten eine Dose Tomatensuppe auf Vincent van Goghs Sonnenblumen. Ein französischer Aktivist bewarf die Mona Lisa im Pariser Louvre mit einer Sahnetorte. Passiert ist den Kunstwerken in all diesen Fällen nichts, jedes Mal schützte eine Glasscheibe die Gemälde vor Essensresten. Die Zerstörung eines Meisterwerks der Kunstgeschichte können ihnen Kunstliebhabende also nicht vorwerfen. Trotzdem haben sie beim Kartoffelbreiwurf aus Lebensmittelperspektive einige echte Fehler begangen.
Vincent Van Goghs „Die Kartoffelesser“ hätte sich besser geeignet
Erstens: Sie haben sich das falsche Bild ausgesucht. Entgegen der Behauptung der Aktivisten war Monet nämlich kein so großer Naturliebhaber. Zumindest schrieb er einmal in einem Brief an seine Lebensgefährtin und spätere zweite Ehefrau Alice Hoschedé von einer Reise an die italienische Riviera: „Diese Palmen treiben mich in den Wahnsinn.“ Besser geeignet hätte sich vielleicht Die Kartoffelesser von Vincent van Gogh, in welchem der Maler eine bäuerliche Familie bei ihrer kargen Mahlzeit zeigt – dann hätten sie zusätzlich zur Klimakrise noch die prekären Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft ankreiden können.
Zweitens: Wenn es den Aktivisten um den Wert der Kunst geht, hätte der Kartoffelbrei Hasso Plattner treffen müssen. Immerhin hatte der SAP-Gründer und Kunstmäzen den „Getreideschober“ vor knapp drei Jahren für die Wahnsinnssumme von 111 Millionen Euro ersteigert. Anstatt diese Summe zum Beispiel in den Schutz der Erde zu investieren. Der Lebensmittelwurf als Protestaktion hat viele Vorbilder – Helmut Kohl oder Franziska Giffey wurden schon mit Eiern beworfen. Historisch ist das Werfen mit verfaulten Lebensmitteln überliefert. Produkte also, die man sowieso nicht mehr hätte essen können, weil sie schon vergammelt waren. Vielleicht ist das aber auch eine positive Nachricht: Wer heute Kartoffelbrei wirft, leidet als Protestierender wenigstens nicht mehr Hunger. Und kann deshalb auch mal eine Mahlzeit im wahrsten Wortsinn wegschmeißen.
Drittens: Wer trotz allem Lebensmittel auf Kunst werfen möchte, müsste dafür eigentlich härtere Produkte nehmen, um tatsächlich etwas zu erreichen. Britische Scones etwa. Oder ungekochte Kartoffeln.
Der Kartoffelbrei ist das größte Verbrechen
Viertens: Der größte Fehler der Klimaaktivisten ist der Kartoffelbrei selbst. Den ernsthaft als „Kartoffelbrei“ zu bezeichnen, ist eigentlich schon ein Verbrechen. Ein guter Kartoffelbrei hat mit dieser klebrigen Masse, die im Museum Barberini auf dem Monet landete, nämlich rein gar nichts zu tun. Ein gutes Püree ist schlotzig, ein fester, aber cremiger Brei – jedoch keine verflüssigte Pampe, wie sie jetzt schmierig vom Gemälde tropfte. Vermutlich haben die Aktivisten den Kartoffelbrei einfach aus Fertigpulver zubereitet und versehentlich zu viel heißes Wasser darüber geschüttet. Oder sie haben den Anfängerfehler begangen, die Kartoffeln mit einem Mixer zu pürieren, anstatt die gekochten Knollen behutsam zu zerstampfen. Aus Geschmacksgründen müsste man also gegen den Kartoffelbrei protestieren!
Ein wirklich gutes Kartoffelpüree ist, auch ohne geworfen zu werden, eine echte Lebensmittelverschwendung – und eben gerade keine Referenz auf die Lage der Klimakrise. Denn traut man den wirklich guten Püree-Rezepten, gehört dort massenweise feinste Butter hinein. „Wenn man denkt, das ist jetzt aber zu viel, sonst landen wir alle in der Klinik, dann ist es genug“, heißt es etwa in einem Rezept von ZEIT-Gastrokritiker Wolfram Siebeck.
Da Butter als Klimakiller Nummer Eins gilt, ist allerdings kaum davon auszugehen, dass die Aktivisten ihren Kartoffelbrei damit verfeinert haben. Für alle Lesenden, die lieber auf tierische Produkte verzichten, kommt hier dennoch eine gute Nachricht: Kartoffelbrei können Sie auch mit Olivenöl zubereiten und anstatt Kuhmilch Haferdrink benutzen. Nur eines sollten Sie nicht vergessen: einen Hauch Muskat. Das Ergebnis ist dann aber nicht zum Wegwerfen. Sondern zum Reinsetzen.