„Die spinnen, die Römer!“ ist der Lieblingsspruch von Obelix. Doch hat dieser Ausruf heute auch noch Gültigkeit? Ich habe das – jeweils im Sommer in Rom – viele Jahre  überprüft und habe fünf Beweise aus der Neuzeit zusammengetragen, welche diese These – mehr oder weniger – glaubhaft untermauern. In Rom begegnet man an jeder Ecke dem Signum SPQR. Das war das Hoheitszeichen des antiken Roms; heute ziert es das Stadtwappen, öffentliche Schrifttafeln und die Gullydeckel in der italienischen Hauptstadt.

(mehr …)

Okt. 2022 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Junge Rundschau, Sapere aude, Senioren, Wirtschaft, Zeitgeschehen, Save the date, Was sonst noch geschah | Kommentieren

Hamburger Hafen und Kohlbrandbrücke

Der Weg für den Einstieg Chinas bei einem Terminal des Hamburger Hafens ist frei – Und die Bundesregierung hat die wichtige Chance verpasst, den im Koalitionsvertrag versprochen Kurswechsel in der Außenpolitik zu vollziehen. Mit einer Absage an die Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco am Hamburger Hafen hätte sie nämlich ein wichtiges Signal senden können, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und China sich grundlegend wandeln müssen. Dass die Beteiligung jetzt genehmigt wurde, ist ein Pyrrhussieg: Sie sichert zwar kurzfristige wirtschaftliche Erträge, aber langfristig schadet sie der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und höhlt den Wirtschaftsstandort Europa und Deutschland weiter aus.

(mehr …)

Okt. 2022 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Politik, Sapere aude, Wirtschaft, Zeitgeschehen | Kommentieren

Vom Kampf gegen die Atomkraft aber, von dem wollen sie partout nicht lassen, egal, was auch passiert: Die ehemalige Grünen-Vorsitzende Simone Peter menetekelt gar, wir sollten froh sein, dass wir von der „teuflischen Energiequelle“ Atomkraft befreit wurden. Ich finde es schön, dass in unserer gegenwartsfixierten Zeit noch jemand so redet. Selbst die Kirche hat aufgehört, vom Teufel zu sprechen. Mir gefällt das. Ich hatte immer schon eine Schwäche für Volksfrömmigkeit. Ich bin nur skeptisch, ob sich damit die viertgrößte Industrienation der Welt durch die Krise steuern lässt. Die Welt des Glaubens und die Welt der Politik sind bei uns seit der Aufklärung aus gutem Grund getrennt. Lassen wir´s dabei bewenden …

(mehr …)

Okt. 2022 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Junge Rundschau, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren

Und wo kann man diesen Interessen besser nachgehen als an einer Uni oder Hochschule?

Wen es im Alter nochmal zum Studium zieht, der hat verschiedene Möglichkeiten.
Das müssen Sie wissen:

 

(mehr …)

Okt. 2022 | Heidelberg, Allgemein, Essay, InfoTicker aktuell, Sapere aude, Senioren, Wissenschaft | Kommentieren
Ratgeber

Erstsemester mit 50+ Studieren im Alter – so geht’s

Gerade wer sein Leben lang aktiv war, hat auch im Alter oft Lust, sich noch mal in ein Studium zu stürzen.

Gerade wer sein Leben lang aktiv war, hat auch im Alter oft Lust, sich noch mal in ein Studium zu stürzen.

(Foto: Friso Gentsch/dpa/dpa-tmn)

Auch im Alter nehmen Neugier und Wissensdurst nicht ab. Viele Hochschulen bieten deshalb Studienprogramme für Ältere an. Vor der ersten Vorlesung aber will man wissen: Wie läuft das eigentlich ab?

Eigentlich gilt der Ruhestand als Phase des wohlverdienten Ausruhens. Doch was macht man mit all der Zeit, die man nun auf einmal zur Verfügung hat? Wer Lust hat, kann sich jetzt mit Dingen beschäftigen, auf die man schon immer neugierig war.

Anzeige
powered by

Und wo kann man diesen Interessen besser nachgehen als an einer Uni oder Hochschule? Wen es im Alter nochmal zum Studium zieht, der hat verschiedene Möglichkeiten. Das müssen Sie wissen:

Was ist ein Seniorenstudium?

Als Senior oder Seniorin stehen einem verschiedene Varianten des Studierens offen. Einerseits gibt es das normale Regelstudium, das man auch im Alter noch absolvieren kann. Hier muss man alle Prüfungen regulär ablegen und erhält einen Abschluss.

„Wer aber bereits ein ganzes Berufsleben hinter sich gebracht hat, braucht ja keinen berufsqualifizierenden Abschluss mehr, sondern kann frei seinen Interessen folgen“, sagt Bernd Schmitt vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland (AVDS).

Einige Unis haben dem Experten zufolge daher ein separates Seniorenstudium mit eigener Struktur eingeführt. Es gibt Einführungsveranstaltungen, kleinere Prüfungsleistungen und auch Leistungsnachweise und Abschlusszertifikate – es ist jedoch anders ausgerichtet als ein Regelstudium.

Wesentlich häufiger sei jedoch die Teilnahme am Lehrbetrieb als Gasthörer oder Gasthörerin. „Hier besucht man Vorlesungen und kann sich im Rahmen des Angebots frei nach Interesse sein Programm zusammenstellen, da es hier keine vorgegebene Struktur gibt“, sagt Schmitt.

Wo finde ich Informationen?

Die Hochschulen entscheiden in der Regel selbst, welche Form des Studiums für Ältere sie anbieten. Einen Überblick bietet etwa der AVDS auf seiner Website (avds.de) und in seinem Studienführer. Auch die Hochschulen selbst haben meist eigene Koordinatoren für das Senioren- und Gasthörerstudium, die zu Form und Ablauf beraten.

Was spricht dafür, im Alter noch ein Studium zu wagen?

„Wir sehen oft eine hohe Motivation bei den Älteren: Sie wollen geistig fit und beweglich bleiben, Neues entdecken, sich weiterbilden und ihre Zeit sinnvoll nutzen“, sagt Doris Lechner, Koordinatorin des Gasthörer- und Seniorenstudiums der Universität Mannheim. Außerdem würden sie sich freuen, auf Menschen mit ähnlichen Interessen zu treffen und Kontakte zu knüpfen.

Die soziale Komponente ist besonders wichtig, das erlebt auch Jaroslaw Wasik, der die Akademie für Weiterbildung und das Seniorenstudium an der Universität Bremen leitet: „Die Leute kommen immer wieder zu uns, manche seit mehr als 20 Jahren. Es entstehen Freundschaften und soziale Kreise, das ist einfach wunderbar. Diese Menschen sind lebendig, aktiv und haben viele frische Ideen im Kopf.“

Für manche ist es auch die Erfüllung eines Lebenstraumes, der ihnen in der Jugend verwehrt wurde. „Gerade manchen Frauen wurde früher das Studium nicht zugestanden, diesen Wunsch erfüllen sie sich nun.“ Andere waren im Berufsleben zu beschäftigt und konnten nicht richtig intensiv studieren. „Das holen sie jetzt nach, einige mit beeindruckender Entschlossenheit“, sagt Wasik. „Unseren Rekord hält gerade eine Teilnehmerin, die Veranstaltungen im Umfang von 34 Unterrichtsstunden pro Woche belegt. Respekt.“

Senioren und junge Erwachsene lernen gemeinsam – funktioniert das?

Wie viel Kontakt und Austausch es zwischen den Gruppen gibt, liegt einerseits natürlich an den Studierenden selbst. Andererseits gilt es, auch bestimmte Strukturen der Hochschulen zu beachten. „Hat eine Veranstaltung nur begrenzte Plätze, wird jungen Studierenden der Vorzug gegeben, da sie ja auf einen berufsqualifizierenden Abschluss hinarbeiten“, sagt Doris Lechner.

Deswegen stehen Seniorinnen und Senioren nicht immer alle Veranstaltungen offen. Viele Seminare und Tutorien, aber auch manche Fächer, wie etwa Medizin, sind meist Regel-Studierenden vorbehalten.

Wo ältere und junge Studierende gemeinsam lernen, gibt es ganz unterschiedliche Dynamiken. „Manchmal gibt es schon gewisse Berührungsängste von beiden Seiten“, räumt Lechner ein. „Wenn wir aber den Austausch zwischen Alt und Jung mit generationenübergreifenden Projekten bewusst fördern, funktioniert das immer sehr gut, und es entstehen tolle Gespräche.“

Gibt es Voraussetzungen für ein Studium im Alter?

Ein Gasthörerstudium steht jedem offen und kann auch ohne Abitur aufgenommen werden. „Allerdings ist auch ein Gasthörerstudium ein Studium, also sollte man schon grundsätzlich der Typ dafür sein“, meint Wasik.

Mehr zum Thema

So ergibt sich eine sehr heterogene Gruppe der studierenden Senioren – obgleich Akademiker in deutlicher Mehrheit sind. „Für sie ist es wichtig, zu verstehen, dass sich manche Lehrinhalte und Perspektiven seit der Zeit ihres eigenen Studiums verändert haben, und offen dafür zu sein“, sagt Doris Lechner.

Unabhängig von der Vorerfahrung beobachtet Jaroslaw Wasik eine Gemeinsamkeit: „Meist kommen die ganz Aktiven im Leben, die sich im Ruhestand eher langweilen und es gewohnt sind, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.“ Sie blicken auf eine erfolgreiche Karriere zurück und können im Alter nicht einfach aufhören, aktiv zu sein. Das Studium bietet ihnen die Möglichkeit, sich weiter auszuleben.

Okt. 2022 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Sapere aude, Senioren, Wissenschaft | Kommentieren

Demonstration in München 2018

 

Wir veröffentlichen jetzt Geheimdokumente,
die vielleicht nur deshalb geheim sind,
weil sie ein schlechtes Licht
auf den Verfassungsschutz werfen.

kubia, CC BY-NC 2.0

 

(mehr …)

Okt. 2022 | Allgemein, In vino veritas, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren
Sie gilt als Ikone der Linken – und schließt die Gründung einer eigenen Partei nicht aus.
·
Ein Gespräch mit Sahra Wagenknecht über Russland, Sanktionen und deutsche Proteste.
·
Dies, nachdem es still geworden war um die ehemalige Vorsitzende der Linksfraktion – die sich zudem 2019 aus den Spitzenämtern der Partei zurückgezogen hat.
·
Nun war die 53-jährige Bundestagsabgeordnete für eine geplante Demonstration der Linken am morgigen Montag in Leipzig zunächst eingeladen – und wurde dann wieder ausgeladen.
·
Wagenknecht ist auch damit wieder in den Schlagzeilen.
Ein Gespräch über Proteste in Deutschland, die Wirkung von Sanktionen und die Frage, wie es um den Zustand ihrer Partei bestellt ist.
·
·

 

(mehr …)

Okt. 2022 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren

„Sapere aude“: Ach, der Stoff, der unsren Stammtisch erfreut: der Wein, unser Riesling.

Es scheint uns fraglich, ob der Wein zu den Drogen im engeren Sinne gerechnet werden dürfe. Wahrscheinlich ist, dass seine ursprüngliche Gewalt in Jahrtausenden des Genusses domestiziert  wurde.

Mächtigeres, aber auch unheimlicheres erfahren wir aus den Mythen, in denen Dionysos als Festherr mit seinem Gefolge von Satyrn, Silenen, Mänaden und Raubtieren erscheint. (mehr …)

Okt. 2022 | Allgemein, Essay, Feuilleton, Gesundheit, In vino veritas, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude, Senioren, Wissenschaft, Zeitgeschehen | 3 Kommentare

Der Deutsche Bundestag stellt die Leugnung und Verharmlosung von Grossverbrechen unter Strafe. Doch das ist der falsche Weg, um gegen Hetzer und Wirrköpfe vorzugehen.

Putin-Anhänger demonstrieren im April in Frankfurt.

Putin-Anhänger demonstrieren im April in Frankfurt.

Thomas Lohnes / Getty

«Die Befreiung von Mariupol war eine humanitäre Aktion und rettete seine Bewohner vor dem Genozid.» Wer das in Zukunft öffentlich behauptet, kann sich in Deutschland strafbar machen. Der Bundestag hat den Straftatbestand der sogenannten «Volksverhetzung» in aller Stille ausgeweitet: Er verbietet jetzt ganz allgemein die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Zumindest dann, wenn solche Äusserungen den «öffentlichen Frieden» stören.

Das ist eine einschneidende und möglicherweise folgenreiche Gesetzesänderung. Das deutsche Parlament verabschiedete sie ohne grössere Debatte, fast schon lautlos. Für die Änderung stimmten sowohl die Abgeordneten der Ampelkoalition als auch jene der CDU/CSU-Fraktion. Bloss die extremen Flügelparteien, die Linke und die AfD, waren dagegen.

Befürworter des Gesetzes betonen, es handle sich nicht um eine «Lex Putin», kein Instrument also für den Informationskrieg mit Russland. Es geht den Gesetzgebern vielmehr darum, den Straftatbestand der «Volksverhetzung» nicht mehr nur auf die Leugnung des Holocausts zu beschränken.

Der Holocaust als deutsches Tabu

Im Grunde handelt es sich um die Antwort auf eine gesellschaftliche Debatte, die die Singularität des Holocausts infrage stellt. Ihre Vertreter möchten dieses Verbrechen vergleichbar machen mit anderen: dem Genozid an den Herero und Nama in Deutsch-Westafrika etwa, den stalinistischen Massenmorden oder der Auslöschung von Ureinwohnern in Amerika.

Doch ist die Ausweitung des Gesetzes sinnvoll? Aus liberaler Sicht ist schon das Verbot der «Auschwitzlüge» problematisch. Es ist ein Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit, das etwa der angelsächsischen Idee der «freedom of speech» klar widerspricht. Anders als Grossbritannien und die USA haben sich in Kontinentaleuropa 16 Länder, darunter auch die Schweiz, Gesetze gegeben, die die Leugnung oder Verharmlosung des Holocausts strafbar machen.

Diese Verbote sollen dem Kampf gegen den Antisemitismus dienen und Reputationsschäden im Ausland vorbeugen, die durch die öffentliche Leugnung oder Verharmlosung des Mordes an den Juden entstünden. Doch im Fall der ehemaligen «Täternation» geht es noch um mehr.

Der Holocaust ist für die Bundesrepublik so etwas wie ein negatives Gründungsnarrativ geworden. Ihre Daseinsberechtigung wird massgeblich aus der Abgrenzung von diesem Verbrechen hergeleitet und der Verpflichtung, den «Zivilisationsbruch» nie zu vergessen. In diesem Sinn ist das Gedenken an den Holocaust ein Teil der nationalen Identität, der mit dem Verbot der «Auschwitzlüge» abgesichert wird.

Auf Aufklärung statt auf Richter setzen

Daraus nun abzuleiten, dass auch die Auseinandersetzung um andere Grossverbrechen unter richterliche Kontrolle gestellt werden soll, ist aber falsch. Denn die offene Gesellschaft hat wirksamere Mittel gegen Lügen und Hetze als Gerichte. Allen voran die öffentliche Debatte, die mit Argumenten und Gegenargumenten Ereignisse einordnet und bewertet. Natürlich wird man Verschwörungstheoretiker und andere Wirrköpfe damit nicht überzeugen können. Aber stete Aufklärung immunisiert einen ausreichenden Teil des Publikums gegen deren Gift.

Die historische Forschung trägt entscheidend zu diesem Diskurs bei. Ihre Aufgabe ist es gerade nicht, geschichtliche Wahrheiten ein für alle Mal festzuschreiben. Denn neue Quellen und neue Interpretationen verändern die Geschichtsbilder. Dass deutsche Richter nun gezwungen werden, bei immer mehr historischen Ereignissen Sagbares von Unsagbarem zu trennen, ist nicht gut. Die Kritikfähigkeit der offenen Gesellschaft verdient mehr Vertrauen.

 

Das Problem an Verboten ist doch, dass dann in der Öffentlichkeit kein Diskurs mehr stattfinden kann, da ja jemand der das Thema verleumden will gar nichts sagen dürfte. Dieses Gefühl der Unterdrückung ist sicher kontraproduktiv für eine offene Gesellschaft. Deshalb bin ich eher gegen Verbote. Grundsätzlich sollte man in der Öffentlichkeit über jeden „Senf“ diskutieren dürfen.

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, ohne Ankündigung und nach ultrakurzer Debatte zu später Stunde hat der Bundestag  überraschend eine Verschärfung des Volksverhetzungs-Paragrafen 130 StGB beschlossen. Warum so heimlich? – Was wahr, was falsch ist und was man für wahr halten darf und was nicht, bestimmt zunehmend der Staat. Gesund ist das für eine freiheitliche Demokratie nicht. Das scheint auch der Regierung bewusst zu sein, sonst hätte sie die Gesetzesnovelle nicht einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchs Parlament lanciert.

Okt. 2022 | In Arbeit | Kommentieren

Jetzt haben Archäologen herausgefunden, warum die Stadt plötzlich zum Dorf schrumpfte. In einem neu entdeckten Stadtviertel fanden sich Läden und Lokale, Münzen und sogar Reste von Mahlzeiten. Ihre perfekte Erhaltung gibt einen Hinweis darauf, was im 7. Jahrhundert nach Christus geschah.

Die berühmteste Sehenswürdigkeit von Ephesos dürfte diese Marmorstatue aus römischer Zeit sein, die Archäologen für eine Kopie des Kultbildes der Göttin Artemis halten. Die vielen Brüste waren vielleicht die Hoden der geopferten Stiere.

Die berühmteste Sehenswürdigkeit von Ephesos dürfte diese Marmorstatue aus römischer Zeit sein, die Archäologen für eine Kopie des Kultbildes der Göttin Artemis halten. Die vielen Brüste waren vielleicht die Hoden der geopferten Stiere.

Philippe Michel / Imago

Neben der Statue der Göttin mit den vielen Brüsten verblasst natürlich alles, was Ephesos sonst noch zu bieten hat. Trotzdem ist das, was österreichische Archäologen jetzt in den Ruinen der antiken Stadt in der Türkei entdeckt haben, beachtenswert: ein Stadtviertel mit kleinen Läden, in dem sich sogar die Essensreste im Geschirr erhalten haben. Die perfekten Bedingungen erlauben einen «Einblick in einen Tag des Jahres 614/615 nach Christus», wie die leitende Archäologin Sabine Ladstätter es ausdrückt. Und dieser Fund könnte endlich auch erklären, warum die Stadt nach diesem Tag so grundlegend anders aussah als zuvor.

Der Artemis-Tempel von Ephesos war eines der sieben Weltwunder

Ephesos war eine griechisch dominierte Stadt an der Westküste der heutigen Türkei. Die Küstenlinie hat sich verschoben, heute liegen die Ruinen einige Kilometer vom Meer entfernt. Die Stadt war in der Antike berühmt für ihren Tempel der Göttin Artemis. Dieses seit mindestens dem 8. Jahrhundert vor Christus bestehende Artemision wurde mehrfach zerstört und danach jedes Mal grösser und prunkvoller wiederaufgebaut.

Auf dem Luftbild von Ephesos ist vor allem das antike Theater gut erkennbar. Vom ausserhalb dieses Areals befindlichen Tempel der Artemis sind nur wenige Fragmente erhalten.

Auf dem Luftbild von Ephesos ist vor allem das antike Theater gut erkennbar. Vom ausserhalb dieses Areals befindlichen Tempel der Artemis sind nur wenige Fragmente erhalten.

ÖAW-ÖAI / Niki Gail

Die letzte Version wurde im 4. Jahrhundert begonnen und nie fertiggestellt, ständig wurde daran weitergebaut. Auch so galt das Gebäude als eines der sieben Weltwunder. Es mass 137 Meter in der Länge, 69 Meter in der Breite und 18 Meter in der Höhe, war also grösser als ein Fussballfeld und so hoch wie ein sechsstöckiges Gebäude – und ist heute komplett verschwunden.

Ebenfalls verschwunden ist das Kultbild, das der Tempel beherbergte. Wie es ursprünglich aussah, darüber lässt sich nur spekulieren. Auf Münzbildern ab dem 2. Jh. v. Chr. und auch in Kopien aus römischer Zeit jedenfalls ist es als Frauenfigur zu sehen, der Oberkörper bedeckt mit etwas, was aussieht wie mit Wasser gefüllte Ballons. Sie werden als Brüste identifiziert; eine unter Archäologen populäre Theorie ist, dass die Statue mit den Hodensäcken von der Göttin geopferten Stieren behängt war.

Die Menschen in Ephesos assen Meeresfrüchte und Pfirsiche

Das nun von österreichischen Archäologen entdeckte Stadtviertel liegt zwar in der Nähe des politischen Zentrums der römischen Stadt, der Oberen Agora, entstand aber erst in der Spätantike. Seit der Teilung des Römischen Reiches im Jahr 395 n. Chr. in eine Ost- und eine Westhälfte gehörte Ephesos zum oströmischen Reich, das nach der Kaiserresidenz Byzanz, dem heutigen Istanbul, auch «byzantinisches Reich» genannt wird.

Auf der ausgegrabenen Fläche von etwa 170 Quadratmetern fanden die Archäologen eine Reihe kleiner Geschäfte, Lokale und Werkstätten, die Mauern zum Teil bis zu 3,4 Metern hoch erhalten, und darin, versiegelt unter einer einen Meter dicken Brandschicht, den gesamten Hausrat: Weinkrüge und Becher, Schüsseln mit Resten von Meeresfrüchten wie Herzmuschel oder Austern, ein Lagerraum mit Amphoren, gefüllt mit eingesalzenen Makrelen, ferner Kerne von Pfirsichen, Mandeln und Oliven, verkohlte Erbsen und Hülsenfrüchte.

In diesem Lagerraum fanden sich zahlreiche Gefässe noch mit ihrem ursprünglichen Inhalt sowie eine Geschäftskasse mit über 400 Kupfermünzen.

In diesem Lagerraum fanden sich zahlreiche Gefässe noch mit ihrem ursprünglichen Inhalt sowie eine Geschäftskasse mit über 400 Kupfermünzen.

ÖAW-ÖAI / Niki Gail

Bei dem einen Laden handelte es sich offenbar um eine Strassenküche, in der es das Essen nur zum Mitnehmen auf die Hand gab, denn es ist zwar Kochgeschirr aus Bronze und Keramik erhalten, aber keine Speise- und Trinkgefässe. Ein anderer Laden verkaufte Lampen und christliche Pilgerandenken, eine Werkstatt für Holzgegenstände hatte ebenfalls Souvenirs im Angebot.

Ephesos war ein beliebtes Ziel christlicher Pilger

Die Ausrichtung auf die religiöse Kundschaft kam nicht von ungefähr: In Ephesos wurden in frühbyzantinischer Zeit mehrere Heilige verehrt, die «Sieben Schläfer», Märtyrer des frühen Christentums, sowie der Apostel Johannes, über dessen angeblichem Grab eine Kirche stand. Das neu entdeckte Viertel liegt an der prominentesten Strasse der Stadt, die vom Hafen zu den grossen christlichen Heiligtümern führt und auch für Prozessionen genutzt wurde. Beliebt als Souvenir oder Mitbringsel waren offensichtlich die sogenannten Pilgerfläschchen, kleine, nur zwei bis drei Zentimeter hohe Keramikgefässe, in denen sich Staub oder Erde aus der Umgebung der Heiligtümer sammeln und mitnehmen liess und die an einer Schnur um den Hals getragen werden konnten. 600 dieser Fläschchen haben die Ausgräber zutage gefördert.

Die sogenannten Pilgerfläschchen konnten mit einer Schnur um den Hals getragen werden.

Die sogenannten Pilgerfläschchen konnten mit einer Schnur um den Hals getragen werden.

ÖAW-ÖAI / Niki Gail

In mehreren Läden fanden sich ausserdem noch die Geschäftskassen, insgesamt über 1000 Münzen, die meisten aus Kupfer, vier jedoch aus Gold. Entscheidender als das Material ist jedoch, dass sich anhand dieser Münzen der Zeitpunkt sehr genau feststellen lässt, wann das blühende wirtschaftliche Leben ein plötzliches Ende nahm: Sie stammen aus der Herrschaft des byzantinischen Kaisers Herakleios und lassen sich auf das Jahr 614/615 nach Christus datieren. Die genaue Analyse der gefundenen Früchte kann das dann sogar noch auf die Jahreszeit eingrenzen.

Das Ende war nicht friedlich. Funde von Pfeilspitzen und Lanzen sowie die dicke Schicht mit Brandschutt zeugen von einem feindlichen Angriff. Immerhin: menschliche Überreste haben die Archäologen nicht gefunden. Grabungsleiterin Ladstätter vermutet, dass die Menschen noch fliehen konnten oder aber der Überfall in der Nacht geschah und die Lokale und Geschäfte leer waren.

Interessant ist, dass nach dem Angriff offenbar niemand mehr da war, der sich für die Häuser unter dem Schutt interessierte. Normalerweise wird – auch heute noch – ein zerstörtes Haus früher oder später nach Brauchbarem durchsucht, sei es von ehemaligen Bewohnern, sei es von Fremden. Im Fall des niedergebrannten Viertels in Ephesos wäre wohl zumindest das Geld in den Kassen ein Anreiz gewesen, den Schutt zu durchwühlen. «Wir wissen sicher, dass aus den Häusern nichts entnommen wurde, es also keine Plünderung gab und auch später die Brandschicht nicht durchwühlt wurde», sagt Ladstätter. «Das Areal wurde auch danach nicht mehr benutzt. Das kann rechtliche Gründe haben, aber auch topografische, denn das Areal liegt ausserhalb der byzantinischen Stadtmauer, und es spricht vieles dafür, dass dieses nach den Zerstörungen 614/615 nicht mehr bewohnt wurde.»

In dem neu entdeckten Stadtviertel aus frühbyzantinischer Zeit in Ephesos befanden sich Läden, Werkstätten und Lokale sowie eine Strassenküche.

In dem neu entdeckten Stadtviertel aus frühbyzantinischer Zeit in Ephesos befanden sich Läden, Werkstätten und Lokale sowie eine Strassenküche.

ÖAW-ÖAI / Niki Gail

Nach dem Angriff schrumpft Ephesos zum Dorf

Der nun dokumentierte Angriff könnte auch endlich den Grund für das offenbaren, was Archäologen schon in anderen Vierteln in Ephesos beobachtet hatten, aber nicht erklären konnten: Im 7. Jahrhundert wurde die Stadt sprunghaft kleiner, war im Grunde nur noch ein Dorf, der Lebensstandard sank auf ein ländliches Niveau, das Geld verschwand und wurde durch Tauschhandel ersetzt, die Menschen lebten nur noch innerhalb der Stadtmauer. Aus anderen Quellen weiss man, dass es zu dieser Zeit immer wieder Ärger mit den Persern, zu dieser Zeit Sasaniden genannt, gab. Ladstätter vermutet sie deshalb hinter dem Angriff und sieht in ihm die Ursache für die Zerstörung und die darauffolgende Schrumpfung der Stadt.

Ephesos ist heute eine der wichtigsten touristischen Attraktionen der Türkei und zieht jedes Jahr zwei Millionen Besucher an. Ihnen soll in den kommenden Jahren auch das neu ausgegrabene Areal zugänglich gemacht werden. Den meisten wird allerdings angesichts der vielen anderen antiken Bauwerke wie dem Theater das kleine frühbyzantinische Ladenviertel ganz entgehen. Und im archäologischen Museum von Ephesos werden sie nicht staunend vor den dann dort ausgestellten Pilgerfläschchen stehen, sondern vor der römischen Statue der Artemis mit den vielen Brüsten.

Okt. 2022 | In Arbeit | Kommentieren

Nächste Seite »