In ihrer 40-jährigen Bandgeschichte haben Die Ärzte `ne ganze Menge tumb – provozierende Songs geschrieben.
Aktuelles Credo: „Einige von diesen sind nicht mehr zeitgemäss und werden aus dem Programm gestrichen“.
„Es fing an, als sie mich anrief, da war ich gleich verlor’n. Ihre Stimme klang so zärtlich und so sanft in meinen Ohren.“ Diese romantischen Zeilen haben Dirk Felsenheimer und Jan Vetter – besser bekannt als Bela B und Farin Urlaub – vor gut 34 Jahren als die Band Die Ärzte geschrieben.
Frauenfeindlich und diskriminierend
Der Song sei «fatshaming und misogyn», sagte der Ärzte-Sänger Farin Urlaub nach Angaben von Fans bei dem letzten Konzert in Berlin. Demnach haben einige Fans das Lied «Elke» gefordert. Farin Urlaubs Antwort: «Sowas spielen wir nicht mehr, das ist letztes Jahrtausend.»
Mit dieser Aussage werden Die Ärzte Teil der Diskussion über Sexismus, Rassismus und Bodyshaming. Denn unter «Fatshaming» versteht man die Diskriminierung von Personen mit Übergewicht. Und «misogyn» bedeutet frauenfeindlich.
Misogyne Pop-Songs gibt es wie Sand am Meer. Jüngstes Beispiel war das «Puffmutter-Lied» «Layla». Aber auch das Frauenbild von Bands wie den Rolling Stones oder AC/DC ist nicht über jeden Zweifel erhaben, wenn sie beispielsweise in «Under My Thumb» Frauen als bescheuertes Spielzeug darstellen. «Unter meinem Daumen, das süsseste Haustier der Welt. Unter meinem Daumen, das Mädchen, das mich einst untergekriegt hat. Unter meinem Daumen, das Mädchen, das mich einst rumgeschubst hat.» 1966 dichtete Mick Jagger diese misogynen Zeilen.
«Elke» wurde 1988 von Farin Urlaub als Rache für zugeschickte Fotos von zwei weiblichen Fans geschrieben.
Dass die Ärzte nun «Elke» nicht mehr spielen wollen, ist keine ganz neue Entscheidung. Gegenüber diversen deutschen Medien sagte Farin Urlaub bereits in der Vergangenheit, das Lied sei «totgespielt» und «einfach durch». Es liesse sich auch keine neue Perspektive mehr finden, um den Song in die heutige Zeit zu retten.
Geschrieben wurde «Elke» 1988 ganz allein von Farin Urlaub. Der Text geht auf zwei weibliche Verehrerinnen namens Elke und Daniela zurück, welche die Band mit Anrufen und Briefen belästigten. Einem dieser Briefe hatten sie auch Fotos beigelegt, so wusste Urlaub, dass es sich um zwei übergewichtige Frauen handelte. Bei einem der Anrufe drohte er den beiden übergriffigen Fans, einen Song über sie zu schreiben – was er dann auch tat. So zumindest die Legende.
Der Text des Songs «Elke» im Wortlaut
Es fing an, als sie mich anrief,
da war ich schon verlor’n
Ihre Stimme klang so zärtlich
und so sanft in meinen Ohren
Sie schickte mir ein Foto,
mein Herz blieb beinah steh’n
Sie sah aus wie eine Pizza,
sie war wunder-wunderschön
Ich schrieb ihr einen Liebesbrief
mit Rosenduft sogar
Und zwei Wochen später
waren wir ein Liebespaar
Refrain: Elke – die fette Elke
Wir haben uns getroffen,
allein bei ihr zuhaus
Sie sah noch viel-viel dicker
als auf dem Foto aus
Ich schloss sie in die Arme,
das heisst ich hab’s versucht
Ich stürzte in ihr Fettgewebe
wie in eine Schlucht
Sie ist ein echter Brocken,
drei Meter in Kubik, wah!
Sie sieht so aus wie Putenbrust
mit Gurke in Aspik
Refrain
Ich war mit Elke essen,
ganz schick mit Kerzenschein
Ich ass ein bisschen Tofu,
sie ass ein ganzes Schwein
Elke ist so niedlich,
Elke ist mein Schwarm
Im Sommer gibt sie Schatten,
im Winter hält sie warm
Sie hat zentnerschwere Schenkel,
sie ist unendlich fett
Neulich hab ich sie bestiegen,
ohne Sauerstoffgerät
Refrain
Ich nannte sie mal Nilpferd,
natürlich nur im Scherz
Doch ich brach damit
ihr dickes fettes Herz
Sie ist daran gestorben,
mein süsser kleiner Schatz
Ich konnt’ sie nicht begraben:
Auf dem Friedhof war kein Platz!
Der Kultsong «Elke» ist aber lange nicht der einzige Titel, den Die Ärzte aus ihrem Programm entfernt haben. «Claudia» handelt von der Beziehung zwischen einer Frau und ihrem Schäferhund. Bei «Geschwisterliebe» singen sie über Geschlechtsverkehr zwischen Bruder und Schwester. Beide werden nicht mehr live gespielt.
Beim Blick auf die Setlist fällt auf: Auch «Männer sind Schweine», die erfolgreichste Single der Band, wurde offenbar aus dem Live-Programm verbannt. Und das, obgleich der 1998 veröffentlichte Song mit über einer Million verkauften CD eine der erfolgreichsten Singles der Chart-Geschichte ist.
Bereits 2003 verkündete die Band gegenüber diversen deutschsprachigen Medien, dass man den Gassenhauer nicht mehr spielen werde, weil der Song in Diskotheken gespielt worden sei und Coverversionen auf Party-CD gelandet seien. Auf ihrer Comeback-Tour 2012 ruderten Die Ärzte wieder zurück und nahmen den Song wieder ins Programm auf. Bei den heutigen Konzerten fehlt von dem Nummer-1-Hit jede Spur.
Gegründet, aufgelöst und wieder gegründet
Die selbsternannte «beste Band der Welt» schliesst derzeit ihre grosse Comeback-Tour «Buffallo Bill in Rom» ab. Über mehrere Jahre sammelten sich die Gerüchte über eine mögliche Trennung der Band. Während der Corona-Pandemie nahmen Bela B, Farin Urlaub und Rodrigo González mit «Hell» aber ihr Comeback-Album auf. Die geplante Tournee «In the Ä tonight» musste aufgrund der Pandemie jedoch zunächst verschoben, danach komplett abgesagt werden.
Gegründet wurden Die Ärzte im Jahr 1982 von Dirk Felsenheimer und Jan Vetter. Doch sechs Jahre später entschieden sich Bela B und Farin Urlaub während eines Ferienaufenthalts in Zypern, die Band aufzulösen. Nach diversen Projekten beschlossen Farin und Bela 1993, Die Ärzte wiederzubeleben. Seither besteht die Gruppe aus Farin Urlaub, Bela B und Rodrigo González.
Seit dem 1998 veröffentlichten Album «13» gehören die Ärzte zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Bands. Bis heute haben Bela, Farin und Rod über 8,5 Millionen Tonträger verkauft.