Sieben‐Tage‐Inzidenzen, Reproduktionszahlen, Übersterblichkeiten – verstehen wir überhaupt, was die Corona‐Zahlen bedeuten, die uns täglich überfluten?

 

Schlagzeilen wie „Grünen‐Wähler fahren gern SUV“ oder „Jede Stunde Joggen schenkt dir 7 Stunden Lebenszeit!“, die auf Effekt statt auf Information setzen, verfestigen substanzlose Halb‐ wahrheiten. Die Folge: Allzu leicht fallen wir auf Fake News und Panikmache herein.

 

 

 

 

Der Psychologe Gerd Gigerenzer, die Datenanalyse‐Expertin Katharina Schüller, der Öko‐ nom Thomas Bauer und der Statistiker Walter Krämer wollen daran etwas ändern. In ihrer „Unstatistik des Monats“ diagnostizieren sie seit Jahren einen Analphabetismus im Umgang mit Zahlen, Wahrscheinlichkeiten und Risiken. Anhand neuer spektakulärer Beispiele erklären die vier in ihrem Buch, wie wir Unsinn erkennen, Prognosen richtig einordnen, zwischen Kausalität und Korrelation unterscheiden und unsere komplexe Welt sinnvoll beschreiben können. Das ist unterhaltsam – und wichtiger denn je!

Noch immer nämlich ist das korrekte Interpretieren von Zahlen und Statistiken kein Teil der Allgemeinbildung. Bildungssysteme, die Lesen und Schreiben lehren, aber kaum statistisches Denken, öffnen der Verbreitung von Falschinformationen Tür und Tor. Die Autoren sind davon überzeugt, es müsse darum gehen, die Bürger kompetenter zu machen.
Ohne mitdenkende und informierte Bürger, die in der Lage sind, statische Aussagen selbst zu bewerten und sich ein eigenes Urteil zu bilden, bleibt Demokratie ein leeres Wort.

Thomas Bauer, Gerd Gigerenzer, Walter Krämer und Katharina Schüller benennen die grundsätzlichen Denkfehler, zeigen, wie man Daten und Fakten besser versteht, und geben einen Ausblick, wie wir die Zahlenblindheit überwinden können. – Statistik so vergnüglich und einleuchtend wie nie!

Thomas Bauer, Ökonom, ist Professor für Empirische Wirtschaftsforschung in Bochum und Vizepräsident des RWI in Essen.
Gerd Gigerenzer, Psychologe, ist Direktor des Harding‐Zentrums für Risikokompetenz, Universität Potsdam, Direktor emeritus am Max‐Planck‐Institut für Bildungsforschung in Berlin und Bestsellerautor.

Walter Krämer, Statistiker, ist emeritierter Professor für Wirtschafts‐ und Sozialstatistik an der TU Dortmund und Autor verschiedener Bestseller.
Katharina Schüller, Geschäftsführerin und Gründerin von STAT‐UP, ist Expertin für Advanced Analytics, Big Data und Künstliche Intelligenz.

Gemeinsam bilden sie das Unstatistik‐Team und hinterfragen jeden Monat publizierte Statistiken und deren Interpretation in den Medien. Seit dem Jahr 2012 veröffentlichen die emeritierten Hochschulprofessoren und Bestsellerautoren „Unstatistiken“ – Ziel dieser monatliche Veröffentlichungen ist es, zu einem sachlichen Umgang mit Daten und Fakten beizutragen.

Macht Schokolade dünn?

Angefangen hatte es mit Kommentaren zur „Armutsgefährdungsquote“ in Dortmund, zur Pünktlichkeit der Deutschen Bahn sowie zu der Zeitungsmeldung „Schokolade macht dünn“. Auf diese und zahlreiche andere Meldungen gingen die drei Autoren bereits in ihrem 2016 im Campus-Verlag erschienenen Buch „Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet“ ein. In den zurückliegenden Monaten spielten bei den „Unstatistiken“ häufig Meldungen zu Corona eine Rolle wie „Die Corona-Pandemie lässt Masse und Maße der Deutschen steigen“. Etliche solcher Meldungen der letzten Jahre und der hierzu veröffentlichten Kommentare haben die Autoren nun in ihrem neuen Buch zusammengestellt.
Auch wenn in der letzten Zeit immer wieder Titel erschienen sind, die sich mit fehlerhaften Statistiken und statistischen Falschmeldungen beschäftigten, werden die Leser im aktuellen Werk vermutlich auch bisher unbekannte Beispiele finden.
Das Buch ist insgesamt in drei Kapitel gegliedert; das erste, »Denken in Raten«, beginnt mit einer Liste von fünf Grundprinzipien, die beim Rezitieren von Statistiken erfahrungsgemäß nicht immer beachtet werden:

In den darauf folgenden Abschnitten gehen die Autoren auf typische Fehler statistischer Veröffentlichungen ein. Zunächst geht es um die Verwechslung von Korrelation und Kausalität mit verschiedenen Beispielen von Schein- und Nonsenskorrelationen; sie erläutern aber auch, wie man Untersuchungen anlegen sollte, um tatsächliche Kausalitäten nachzuweisen. Hier beschreiben sie als positives Beispiel, wie sich die Wirkung der Maskenpflicht statistisch belegen lässt.

Ein weiteres gefährliches Pflaster sind Meldungen, die auf unseriösen Hochrechnungen beruhen wie „geschätzte
100 000 durch Windenergieanlagen getötete Amseln“ die sich auf nicht repräsentative Umfragen stützen, wie die Befragung, durch die sich die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ zur Schlagzeile „Grüne fahren SUV“ veranlasst sah.
Am Beispiel der Corona-Inzidenz-Daten machen die Autoren auf das Problem aufmerksam, dass die veröffentlichten Daten nicht unbedingt das messen, was sie messen sollen (beispielsweise lassen sich Infizierte ohne Symptome in der Regel nicht testen).
Natürlich darf in einem Buch über Fehler in statistischen Veröffentlichungen nicht eine Sammlung von misslungenen grafischen Darstellungen fehlen – offensichtlich lassen sich solche nicht ausrotten, obgleich alle typischen Fehler doch hinlänglich bekannt sein sollten (und das Thema mittlerweile sogar zum Standard-Unterrichtsstoff der Mittelstufe gehört).
Das zweite Kapitel des Buchs trägt die Überschrift „Was uns Medien versprechen“. Hier gehen die Autoren in verschiedenen Abschnitten folgenden Fragen nach: „Wie man ewig lebt (Eine Stunde joggen, sieben Stunden länger leben), »Wie man früher stirbt« (Warnungen vor einem vorzeitigen Tod), »Was künstliche Intelligenz alles (nicht) kann« (mit Beispielen zu Fehlern im Umgang mit bedingten Wahrscheinlichkeiten) sowie »Warum Prognosen immer falsch sind« (Prognosen ohne Angabe der Grundannahmen sind wertlos).

Im dritten und letzten Kapitel »Wie wir uns selbst betrügen« untersuchen die Autoren noch einmal ausführlich einzelne Beispiele, reflektieren den Stand der Statistik-Bildung im Schulunterricht und im Rahmen der Hochschulausbildung, der eigentlich Anlass zur Hoffnung geben sollte, dass in Zukunft weniger Menschen von Zahlenblindheit geschlagen sind, als es in der Vergangenheit der Fall war – als Schüler bereits kennt man jetzt Vierfeldertafeln mit absoluten Häufigkeiten).
Insgesamt lebt das Buch von der Fülle an aktuellen Beispielen, die verdeutlichen, wie viel noch zu tun ist. Insofern erfüllt es seinen Zweck, nämlich über die typischen Fallen in der Statistik aufzuklären. Am Ende findet man ein ausführliches Quellenverzeichnis zu den Beispielen.
Erschreckend ist, wenn man bedenkt, was an Unsinn bereits veröffentlicht wurde und welche Konsequenzen das hatte.

Grüne fahren SUV und Joggen macht unsterblich
Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik
208 Seiten, Klappenbroschur,
mit zahlreichen Abbildungen, 22 Euro
ISBN 978‐3‐593‐51608‐0
Erscheinungstermin: 17. August 2022

 

Sep. 2022 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, InfoTicker aktuell | Kommentieren