Bürger und Wirtschaft leiden unter hohen Strompreisen. Als Ursache gilt teures Erdgas, das zur Stromerzeugung benötigt wird.
Tatsächlich liegt es an der Strombörse – und Rekordgewinne bei Kraftwerkbetreibern sind die Folge.
Seit der deutsche Strommarkt in den frühen 2000er-Jahren liberalisiert wurde und Kunden erstmals den Anbieter wechseln konnten, wird Strom an der Börse gehandelt. Allerdings: Wenn auch nur einen Moment lang weniger produziert als verbraucht wird, droht ein Blackout. Darum musste der Handel sehr speziell organisiert werden.
Da gibt es zunächst den kontinuierlichen Handel. Wenn Verbrauch und Produktion auch nur geringfügig abweichen, wird die Differenz in Schritten von 15 Minuten bestellt und geliefert. Den Endkundenpreis beeinflusst das kaum. Der größere Teil des Stromes wird einmal täglich für den nächsten Tag versteigert. Je nach Konjunktur und Wetter wird geschätzt, wie viel Strom morgen benötigt wird, und es werden Angebote eingeholt.
Wenn mehr Strom benötigt wird, kommen am Ende die teuersten, meist gasbetriebenen Kraftwerke zum Zug. Und dann folgt eine Besonderheit, die nun die Preise explodieren lässt: Am Ende bekommt jeder den Preis, den das teuerste Kraftwerk verlangt hat. Jeder, egal, wie billig sein Brennstoff auch ist, erhält den Preis des teuersten Kraftwerkes. Und der ist immer wieder um mehr als das Zehnfache höher als die tatsächlichen Kosten.
Diese Art der Preisbildung nennt sich „Merit Order“. Jahrzehntelang hat sie funktioniert, sogar Preise gesenkt. Je mehr Strom aus Wind und Sonne auf den Markt kam, desto seltener kamen die teuersten Kraftwerke zum Zuge. Der Börsenpreis sank. Immerhin konnten Betreiber von Braunkohle- und Atomkraftwerken noch Preise erzielen, mit denen respektabler Gewinn übrig blieb.
Die Stromerzeugung in Deutschland durch erneuerbare Energien ist 2021 um knapp acht Prozent gesunken.
Angesichts der politischen Weltlage ist absehbar, dass Gas noch lange teuer bleibt. So können RWE und andere Kraftwerkbetreiber im laufenden Jahr mit noch deutlich höheren Gewinnen rechnen, die in den kommenden Jahren kaum wieder sinken werden.
Und: Auch Betreiber von Windparks und Großsolaranlagen profitieren. Während Besitzer kleiner Solardächer mit der vergleichsweise kleinen gesetzlichen EEG-Vergütung „abgespeist“ werden, erhalten Betreiber von Großanlagen seit einigen Jahren den Börsenpreis. Allerdings: Weil dies im EEG-Gesetz geregelt ist, wird im Bundeswirtschaftsministerium seit Monaten diskutiert, diese Extra-Gewinne wieder zu kappen, eine Obergrenze für diesen Strompreis zu definieren.
Für konventionelle Kraftwerke gilt das nicht. Ihr Preis ist nicht gesetzlich geregelt, jede Begrenzung wäre ein Eingriff in einen freien Markt und entsprechend verpönt. Gleichzeitig warnen selbst kritische Beobachter des Marktes: Würde man einen gesetzlichen Höchstpreis festlegen, die Gewinne künstlich kappen, würde der Anreiz fehlen, in teure, neue Technologie zu investieren, die für die Energiewende benötigt wird.
Extra-Steuer auf überhöhte Einnahmen?
Aber warum erhalten Kraftwerke nicht einfach den Preis, für den sie ursprünglich angeboten haben – und eben nicht mehr den Preis des teuersten Kraftwerks? Das würde wenig bringen. Man kann gut schätzen, wie viel Strom morgen benötigt wird, wie teuer dann das teuerste Kraftwerk wäre, und würde einfach immer nur zu diesem hohen Preis anbieten.
Die einzige bislang hilfreich klingende Idee, wurde vor knapp zwei Wochen sehr leise aus dem Bundeswirtschaftsministerium geäußert: Man lässt den Preisbildungsmechanismus wie er ist und führt ein Extra-Steuer auf überhöhte Gewinne der Kraftwerksbetreiber ein. Die Einnahmen daraus könnten – ähnlich wie die EEG-Umlage – in den Gesamt-Topf der Strompreise zurückfließen und den Preis senken.
Auf Anfrage hat sich das Haus von Minister Robert Habeck dazu nicht mehr geäußert. So lange die Situation bleibt, wie sie ist, zahlen deutsche Stromkunden Jahr für Jahr viele Milliarden, mit denen schlicht der Gewinn der Kraftwerksbetreiber in bislang unvorstellbare Höhen getrieben wird.