„Shrinkflation“ ist, wenn die von uns im Supermarkt gekauften Produkte bei gleichem Preis teurer werden, weil der Verpackungsinhalt schrumpft. Kann man so machen. Doch es sollte nicht so einfach sein.
In Zeiten teurer Rohstoffe ist klar, dass nicht nur die Heizungsrechnung höher ausfallen wird, sondern dass auch Lebensmittel im Preis anziehen. Doch anders als die Energiekonzerne, die den Kunden die Preisveränderungen klar anzeigen müssen, können die Lebensmittelkonzerne nach Herzenslust tricksen. Rot wird da niemand. Die Lebensmittelhersteller nicht vor Scham und die Kunden nicht vor Wut, denn wir merken die miese Tour eben häufig nicht.
Das „Handelsblatt“ hat jüngst ein paar Beispiele zusammengetragen: Haribo Goldbären statt 250 Gramm künftig nur noch 175 Gramm bei kleinerer Tüte, aber gleicher Preisempfehlung. Versteckte Preiserhöhung um über 14 Prozent. Begründung: stark gestiegene Kosten für Rohstoffe und Verpackungsmaterial. Vernell Weichspüler von Henkel: statt 900 Milliliter nun 850 Milliliter (wobei der Preis bei Rewe sogar noch gestiegen ist). Begründung: verbesserte Dufttechnologie und besser recyclebare Verpackung. Danke, danke, danke. Kleenex Kosmetiktücher: statt 56 Tüchern nur noch 48 bei gleichem Regalpreis. Begründung: teurere Energie, Logistik und Rohstoffe. Oh, rührend. Schnell! Ich brauche ein Kleenex. Aber unbemerkt extra zahlen möchte ich trotz allem nicht. Selbst unsere wichtigsten Partner in der Inflation, die Discounter, führen uns legal hinters Licht. Beispiel Aldi Nord. Das „Handelsblatt“ nennt als Beispiel den grünen Tee von Westminster. Von 250 Gramm für 2,59 Euro runter auf 150 Gramm für 1,89 Euro. Eine versteckte Preiserhöhung von 22 Prozent. Aldi Nord spielte es herunter und nannte es einen „Test“. Schon klar. Mal gucken, wie dämlich die Kunden wirklich sind.
Tja, beim Einkauf stehen wir eben nicht immer mit dem Notizblock da und rechnen Dreisatz. Da geht schon mal die eine oder andere Abzocke durch. Wir reagieren nun einmal eher auf Veränderungen am Preis als an der Füllmenge. Weil wir nicht alles im Kopf haben können. Was für ein Glück für die Multis in der Krise.
Verboten ist Shrinkflation nicht per se. Denn alle relevanten Informationen stehen ja auf der Verpackung und auf dem Preisschild. Aber es ist eine miese Tour. Die Hersteller wissen ganz genau, dass die Kunden auf die übliche Menge vertrauen.
Bester Hinweis dafür ist, wie die Hersteller auf die Werbetrommel eindreschen, wenn MEHR als bislang in der Verpackung steckt: „Jetzt ein Riegel extra zum gleichen Preis“. Lidl macht das sogar mit Bio-Eiern. Es ist eben kein Verlass darauf, dass wir Kunden schon selber merken, dass wir hier mehr bekommen fürs Geld. Umgekehrt muss das genauso gelten. Wir brauchen es nicht weiter zu diskutieren: Zu behaupten, alle Informationen zur Preiserhöhung durch geschrumpften Inhalt stünden auf der Packung, ist pure Heuchelei.
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Das Ziel der EZB ist eine jährliche Inflationsrate von unter, aber „nahe zwei Prozent“.
Es ist einfach unsympathisch. Vergessen wir alle liebevoll gebastelten Werbekampagnen, in denen sich die Hersteller wie unsere besten Freunde positionieren, die verstehen, was wir brauchen. Klammheimlich untergejubelte Shrinkflation zeigt die wahre Mentalität.
Am hinterhältigsten ist es, wenn die Verpackungen bei geringerem Inhalt gleich groß bleiben. Abstoßend anschauliches Beispiel ist da das sogenannte Streichfett Rama. Das ist die Firma, die auf ihrer Website offenbar gerne mal das Wort Margarine fallen lässt (etwa in einem Lebensmittelquiz), während Rama nur ein Streichfett ist und höchstens noch Dreiviertelmargarine genannt werden darf.
„Schatz, gib mal bitte das Streichfett rüber?“
„Du meinst dieses Dreiviertelzeugs? Hier!“
Und mit dem Streichfett Rama sind Sie derzeit so richtig angeschmiert. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat Rama zur Mogelpackung des Monats gekürt. Denn die Dose ist gleich groß geblieben, der Inhalt aber von 500 Gramm auf 400 Gramm gesunken. Bei gleich gebliebenem Ladenpreis. Begründung von Hersteller Upfield: die dramatischen Kostensteigerungen in der gesamten Lieferkette, einschließlich der Rohstoffe.
Laut Verbraucherzentrale sind auch weitere Marken wie Sanella, Lätta und Becel von versteckten Preiserhöhungen betroffen. Wie gesagt: Preiserhöhung nachvollziehbar, Versteckspiel Kundenverdummung. Respektlos. Schreibt es auf die Verpackungen, Mensch! „Weniger Inhalt wegen teurerer Rohstoffe“. Ritter Sport hat es einst mit der teureren „Nussklasse“ vorgemacht. Teurere Rohstoffe, höherer Preis. Wir Kunden sind nicht dumm. Ich aber meide systematisch Produkte von Herstellern, die mich für dumm verkaufen.
Die größte Frechheit ist dann noch der nicht selten nachgeschobene Hinweis der Hersteller, der Handel sei doch völlig frei bei der Preisgestaltung. So sagen es etwa Haribo, Henkel und der Ültje-Erdnuss-Hersteller Intersnack (zu seiner 180-Gramm-statt-200-Aktion). Soll heißen: Wir Hersteller machen die Portionen kleiner, weil alles so teuer geworden ist, verkaufen die dann zum alten Preis, aber der Handel kann ja dann gerne die Preise senken. Rewe soll also schuld sein, Edeka, Kaufland, Netto, Penny, Marktkauf.
Es zeigt mal wieder: Verbraucherschutz ist nicht im Interesse derer, denen wir jeden Tag bei unserer Ernährung unser Vertrauen schenken.
Aber es ist doch ganz einfach: Verdonnern wir (mittels unserer von uns demokratisch legitimierten Gesetzgeber) die Hersteller doch dazu, ein Jahr lang ab Verringerung des Verpackungsinhaltes genau diese Tatsache vorne gut lesbar auf die Verpackung zu schreiben. 20 Prozent (50 Gramm) weniger Inhalt seit August 2022. Und zwar auch, wenn – wie bei Haribo – die Verpackungsgröße mitschrumpft (denn das fällt kaum auf). Dann muss sich weder Haribo, noch Henkel, noch Upfield, noch Kimbery-Clark für ihre miese Touren rechtfertigen. Weil wir sie ihnen schlicht per Gesetz verbieten. Fertig.
Und bis dahin (und es wird in der Krise sicher bald mehr Shrinkflation geben, wenn erst einmal die alten Produktverpackungen mit den höheren Mengenangaben aufgebraucht sind): Verhalten wir uns einfach wie mündige Verbraucher und denken dran: Besagte Trickser sind ja zum Glück keine Monopolisten.