Dank Supwercomputern werden Wettervorhersagen genauer.
Dennoch liegen die Prognosen von Handy-Apps oft daneben.

 

 

Hier erklärt ein Experte, woran das liegt – und welche Dienste er empfiehlt.

Es ist Regen angesagt – die Wahrscheinlichkeit liegt bei 90 Prozent. Das bestätigt die Wetter-App am Abend zuvor. Die Niederschlagsmenge wird für den Vormittag mit 4,9 Litern pro Quadratmeter angegeben – zu viel für einen entspannten Ausflug. Doch am Tag darauf stellt sich heraus: Die Vorhersage war falsch. Es fällt kein einziger Regentropfen.
Wieso passiert so etwas immer noch? Wieso ärgern sich viele Smartphone-Nutzer immer wieder darüber, dass es für sie unerwartet nachts schüttet oder dass tagsüber die Sonne scheint, obgleich ihre Wetter-App eigentlich einen bewölkten Himmel angekündigt hatte.

? Wie passt das in eine Zeit, in der Supercomputer und künstliche Intelligenzen immer leistungsfähiger  und die Klimamodelle immer komplexer werden, und in der sich Wetterdaten in Windeseile übermitteln lassen?
Antworten darauf liefert der Meteorologe Henning Rust. Er sagt, jetzt im Sommer überraschten ihn falsche Regenvorhersagen nicht. Eine Erklärung für das Phänomen wäre demnach, dass im Sommer meist Gewitterzellen den Regen mitbringen. Diese Zellen sind aber oft viel kleiner als die Gebiete, für die eine Vorhersage gemacht wird. »Wir werden immer besser bei der Vorhersage«, sagt der Wetter-Experte Rust. »Aber kleinräumige Gewitter werden wir nie genau in Ort und Zeit lokalisieren können.«

Ein Herantasten in 50 Durchläufen

Kleine Gewitter, so kann man sich das Problem vereinfacht vorstellen, rutschen praktisch durch das Gitternetz der weltweiten Wettermodelle, an deren Datenpools sich Entwickler von Wetter-Apps bedienen. Das US-amerikanische Global Forecast System (GFS ) etwa misst innerhalb von 28 Kilometer breiten Maschen. Die Messfelder des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF ) sind etwa 12 Kilometer breit und der Deutsche Wetterdienst  setzt bei seinem System Icon auf 9-Kilometer-Kacheln. Gespeist werden diese großen Modelle täglich von Wetterstationen, Ballons, Satelliten, Schiffen und Flugzeugen mit Millionen Daten zu Luftdruck, Niederschlag, Temperatur, Wasserdampf, Wind und Wolken.
Hochleistungscomputer schnappen sich diese Daten und berechnen daraus mögliche Wetterlagen für bis zu zwei Wochen im Voraus. Dabei werden die Ausgangswerte immer wieder leicht verändert, damit sich die Software in rund 50 Durchläufen möglichst nahe an die Wahrscheinlichkeit für sonnige Tage und Regenwetter herantastet. Um die Software immer weiter zu verbessern, wird schließlich im Rückblick überprüft, ob der Algorithmus richtig lag oder daneben.

Dass es bei ihren Wetteraussichten um Wahrscheinlichkeiten geht, unterschlagen jedoch viele App-Anbieter. Vor allem bei Temperaturen wird oft keine Spannbreite angezeigt, sondern ein fester Wert. Das stört Henning Rust. »Wer keine Wahrscheinlichkeiten angibt, der hat nicht verstanden, wie Wettervorhersage funktioniert«, sagt der Meteorologe. »Unsicherheiten zu verheimlichen, halte ich für fahrlässig.«
Man dürfe ohnehin nicht den Anspruch haben, dass die Wettervorhersage perfekt sei, sagt Rust. »Das geht eben nicht.«
Apps irritierten mit übertriebener Hitzewarnung
Unsicherheiten, wie Rust sie beschreibt, führten im Juli bei zahlreichen Wetter-Apps zu völlig übertriebenen Hitzeprognosen. Dabei wurde etwa für Köln eine Temperatur von mehr als 45 Grad prognostiziert. Der tatsächlich gemessene Höchstwert lag später bei etwa 37 Grad.
Laut Wettervoraussage  hatte das US-Modell GFS die Extremhitze acht Tage im Voraus in Aussicht gestellt, vorausgesetzt wurde dafür ein nahezu völlig trockener Boden. Die Folge: Nutzern mit Apps auf Basis des GFS-Modells wurde ein Ausreißerwert angezeigt, der mit der Realität nichts zu tun hatte. Da das GFS-Modell kostenlos angezapft werden darf, werde es »für die meisten Wetter-Apps genutzt«, heißt es in einem Bericht. »Viele Nutzer in den 08/15-Wetter-Apps« hätten daher die 45 Grad gesehen.

Die Daten eines Wettermodells ungefiltert aufs Handy zu schicken, hält der Meteorologe Rust grundsätzlich für eine schlechte Idee. »Das ist zwar billig, aber es fehlt die statistische Nachbearbeitung«, sagt der Forscher. »Bei guten Apps hat die Temperaturkurve keine festen Werte, sondern deckt einen gewissen Bereich ab.« Rust zufolge erkennt man ordentliche Apps zudem daran, dass die Wettermodelle an die Region angepasst werden. »Die Entwickler beim Deutschen Wetterdienst und auch bei Weather Pro etwa machen das.«
Bei vorinstallierten Standard-Apps auf Smartphones könne man sich darauf nicht verlassen, so Rust: »Dort ist oft ein für die USA optimiertes Modell die Grundlage für Vorhersagen«. Der Ratschlag des Experten: Lieber ein bisschen Geld ausgeben und Apps nutzen, die regionale Besonderheiten berücksichtigen. Dazu zählt beispielsweise auch die Topografie.
In seinem Beitrag zeigen 3D-Karten, dass längst nicht alle Wettermodelle das Gelände richtig einschätzen und beispielsweise die Temperatur in Bergregionen falsch vorhersagen. »Jetzt wisst ihr, warum ihr in Tälern nie genaue Wetterprognosen in euren kostenlosen Wetter-Apps (meist GFS) bekommt«, kommentiert ein Fachmann.
Um zu entscheiden, ob man einen Schirm mitnimmt, werden neben regional angepassten Wetter-Apps auch kurzfristige Regen-Aussichten vorausgesagt. »Einen Regenradar in einer App finde ich super«, sagt der Wissenschaftler. Diese Funktion zeigt Regenwolken auf einer Karte an, die sich per Wischbewegung über einen Zeitstrahl fortbewegen. Auf der Karte lässt sich dann ablesen, ob in den kommenden anderthalb Stunden eine dunkle Wolke über dem Wohnort schwebt und Regen mitbringt.
Die Qualität eines solchen Regenradars erkennt man unter anderem daran, ob die Niederschlagsfelder einfach immer in die gleiche Richtung weiterwandern. Das ist ihm zufolge ein eher schlechtes Zeichen. Besser sei es, wenn zusätzliche Faktoren wie Windrichtung und Zerfall der Zelle mit einbezogen werden – und sich eine Regenwolke kurz vor der Fahrradtour vielleicht doch noch einfach auflöst.

Aug 2022 | Allgemein, Essay, Wissenschaft, Forschung | Kommentieren