Eine Woche lang bereist der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber die Ukraine. Im Gespräch zeigt er sich „beeindruckt von der Entschlossenheit der Menschen im Lande, den Krieg gegen Russland zu gewinnen“. Er beschreibt das brutale Vorgehen der Russen und den Nutzen deutscher Waffen wie der Panzerhaubitze 2000. Von den seitens Deutschland und der Niederlande gelieferten 15 Systemen seien derzeit aber nur noch wenige im Einsatz. Es ist schon beängstigend, wie etwa Charkiw, eine Stadt von der Größe Münchens, in der zum Tiefpunkt nur noch rund 100.000 Menschen lebten – allerdings sind es derzeit wieder etwa 300- bis 400.000, so genau weiß es niemand. Von 22 bis 6 Uhr ist Ausgangssperre.
Die Stadt wird täglich und wahllos von Russland mit Raketen bombardiert. Jeden Tag, jede Nacht werden Krankenhäuser und Wohnviertel mit Clusterbomben angegriffen. Man bekommt mit, dass der erste Einschlag ungefähr zeitgleich mit dem Auslösen des Alarms erfolgt. Das ist nicht wie im Zweiten Weltkrieg, wo man ab Alarm noch eine halbe Stunde Zeit bis zur Ankunft der Bomber hatte. Es gibt für die Zivilbevölkerung keine Möglichkeit mehr, sich zu schützen. Wenn wenn als die Alarmanlage eines Autos angeht, weil die Druckwelle des Einschlags so nah war, dann bleibt das in Erinnerung – als eine fast verrückte, aber gelassene Entschlossenheit. Bei einem Alarm geht kaum Jemand mehr in einen Keller oder Schutzraum, weil jeder weiß, dass bis zum Einschlag die Zeit ohnehin nicht mehr reichen würde. Niemand rennt mehr weg, die Menschen machen ganz normal ihre Geschäfte weiter. Sie meinen, es werde nun nun halt irgendwo eine Rakete einschlagen, aber niemand wisse wo. Die Menschen akzeptieren offenbar einfach dieses zusätzliche Lebensrisiko und versuchen, damit optimistisch umzugehen. Sie sind sehr sicher, dass die Ukraine siegen wird und nehmen das – wohl deshalb? – hin. Wobei sie allerdings versuchen unnötige Risiken zu vermeiden, sich nicht an öffentlichen Plätzen aufzuhalten, die vielleicht häufiger bombardiert werden. So war in Slowjansk zu sehen, wie Bauern zwischen den ukrainischen Stellungen noch die Ernte einfahren, derweil es rechts und links von ihnen brennt, weil russisches Feuer die Felder in Brand gesetzt hat. In der Innenstadt von Kramatorsk werden Schützengräben ausgehoben, 50 Meter weiter sitzen Leute auf einer Parkbank, rauchen und erzählen sich was.
Spuren die der Krieg hinterlässt
Diese Gelassenheit geht freilich auch mit einer großen Verbitterung über die russische Kriegsführung einher. Man muss es schon kriminellen Terrorismus nennen dürfen, wenn Wohnviertel und Krankenhäuser gezielt angegriffen werden. Oder wenn – zum Beispiel – ein Verwaltungsgebäude doppelt beschossen wird: Erst, um es zu zerstören und eine Stunde später noch einmal, um auch die Rettungskräfte zu töten.
Die Oppositionsabgeordnete Inna Sovsun erzählt, wie sie am Tag des Kriegsausbruchs um sieben Uhr morgens in Kiew ins Parlament zu einer Sondersitzung gerufen wurde. Das Kriegsrecht wurde ausgerufen und dann wurden den Abgeordneten Waffen ausgehändigt, um ihre Stadt mit Material zusammenzubringen, mit Trucks, Drohnen und Jeeps. Zudem wurden erfolgreich alte französische Jeeps gekauft und sie in die Ukraine gebracht. Von diesen Stiftungen die das tun – und Freiwilligenorganisationen gibt es einige. Das trägt dazu bei, dass die Logistik oder auch die Aufklärung bei den Ukrainern wesentlich besser funktioniert. In Kramatorsk und Slowjansk war zu sehen, wie wichtig es war, dass die USA Mehrfachraketenwerfer zur Verfügung gestellt haben, welchen Mehrwert die deutschen Panzerhaubitzen 2000 schon geliefert haben. Die Ukrainer sind sicher, dass sie ohne die nicht mehr an den jetzigen Stellungen stehen würden, sondern eher am Dnepr. Und natürlich der Umkehrschluss, dass sie die Russen auch zurückwerfen könnten, wenn wir noch mehr helfen.
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„Panzerhaubitzen jedenfalls sind im Dauerfeuer“
Vom Verteidigungsministerium war zu erfahren, dass derzeit noch fünf von fünfzehn Panzerhaubitzen im Einsatz sind, die auch massiv genutzt werden. Dementsprechend werden Ersatzteile gebraucht. Es sind zwar Ersatzteilpakete mitgeliefert worden, aber offensichtlich nicht immer das richtige. Es reicht auch nicht immer, das Ersatzteil zu haben. Bei größeren Reparaturen braucht man auch die passende Werkstatt dafür. Das geht an der Front nicht immer so einfach. Die Ukrainer sind zwar optimistisch, dass sie die Einsatzbereitschaft wieder nach oben bringen können. Aber sie sagen auch, dass sie in der Ukraine eine eigene Reparaturmöglichkeit brauchten. Sonst müssten sie die Haubitzen wieder außer Landes schaffen. Derzeit können sie nur kleinere Reparaturen selbst machen,durch russischen Beschuss hingegen wurde keine zerstört.
Panzerhaubitzen und Raketenwerfer der USA hatten eine große Wirkung
Die Mehrfachraketenwerfer haben tatsächlich einen Unterschied gemacht. Dass man jetzt im Süden bei Cherson besetzte Gebiete zurückerobern kann, ist eine Folge davon. Auf der anderen Seite rücken die Russen im Donbass immer noch vor. Als ich vor zwei Tagen dort war, bewegten sie sich auf Bachmut zu. Dort ist es für die Ukrainer immer noch sehr schwer, die eigenen Stellungen zu halten. Also: Ja, die Systeme machen einen Unterschied, man braucht aber schlicht mehr davon, auch mehr Munition. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben am 11. August ein Konvent in Kopenhagen, wo sich die Staaten treffen, die die Ukraine unterstützen. Da muss es vor allem darum gehen: Was sind die nächsten Pakete? Wie kommen wir über den Herbst und den Winter? Da geht es um Munitionsproduktion. Das scheint mir bisher zu wenig beachtet worden zu sein.
Was meinen ukrainischen Gesprächspartner
zu deutschen Waffenlieferungen
Die haben sich erstmal bedankt für das, was gekommen ist. Aber sie haben auch deutlich gesagt, dass sie mehr brauchen. Bei 1000 Kilometern Frontverlauf ist es schön, dass wir von unseren 119 Panzerhaubitzen zehn zur Verfügung stellen. 30 wären aber besser. Die Ukrainer haben ja selbst 100 Panzerhaubitzen bestellt, die aber frühestens Ende nächsten Jahres fertig werden. Kann man nicht jetzt der Ukraine mehr abgeben und die eigenen Bestände dann aus der ukrainischen Bestellung wieder auffüllen? Das würde dazu führen, dass auf dem Gefechtsfeld schneller mehr ankommt. Es geht auch um gepanzerte Fahrzeuge für die Logistik und Truppentransporte, und um Kampfpanzer, da ist die Ukraine massiv unterlegen. Wenn man besetzte Gebiete zurückerobern will und die Kriegsverbrechen beenden will, dann braucht man einfach Panzer.
Wenn man sich anschaut, was die Russen da gerade auffahren, nämlich alles, was noch übrig ist, dann ist der Leopard 1 vielen alten sowjetischen Panzern ebenbürtig. Die Ukrainer sagen, sie nähmen lieber den Leopard 2, aber ein Panzer ist besser als kein Panzer.
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Ich glaube, das ist tatsächlich die Brutalität der russischen Seite. Wie sie versucht, den Willen der Zivilbevölkerung zu brechen, sie einzuschüchtern, zu terrorisieren. Dass hier wirklich jegliche Humanität von der russischen Seite verloren gegangen ist, kommt bei uns nicht an. Bei uns ist von einem Krieg die Rede, und das ist ja auch richtig. Aber die gezielte Bombardierung von Wohnblöcken, von Parks, das ist nicht nur einmal vorgekommen. Sie sehen in Kiew ausgebrannte Autos, auf denen „Kinder“ steht. Die Ukrainer sagen, sie hätten den Eindruck, dass die Russen erst recht darauf gefeuert hätten.
Wie lange werden die Ukrainer das noch durchhalten?
Die Ukrainer sind – was Wundwe – wütend. Sie sind wirklich entschlossen, diesen Kampf bis zum Ende zu führen und ihr Land zu verteidigen. Jeder Terrorakt Russlands macht sie noch entschlossener. Sie wissen, dass es noch lange dauern wird und sind auch für die Hilfe dankbar. Aber philosophische Debatten, wie wir sie teilweise in Deutschland führen, haben nichts mit der Realität zu tun.
Überlegungen zu einem baldigen Waffenstillstand?
Die Ukrainer haben bereits 2015 die Erfahrung gemacht, was passiert, wenn man einen Waffenstillstand aushandelt, der dann nicht hält. Er würde den Russen nur Gelegenheit geben, sich auf einen neuen Angriff vorzubereiten.
Diesen Fehler haben sie einmal gemacht, den werden sie kein zweites Mal machen.