Ein Blick auf besondere Regenbogen in der Kunst: Was vor vielen Jahrhunderten als künstlerische Reflexion eines Naturphänomens begann, hat für Künstler der Moderne und Gegenwart oft eine tiefe persönliche Bedeutung, die in neuen Zugängen und Materialien ihren Ausdruck findet.
Frei­heit und Tole­ranz, Tag und Nacht sind Themen, die für den Schwei­zer Künst­ler Ugo Rondinone unwei­ger­lich mit dem Symbol des Regen­bo­gens zusam­men­hän­gen.

Wir verste­hen und bewer­ten den Regen­bo­gen als Verbin­dung zwischen Himmel und Erde, Geis­ti­gem und Natür­li­chem und als Symbol für Frie­den, Tole­ranz, Multi­kul­tu­ra­li­tät und Inklu­sion. Als Logo und Symbol ist er eines der wirkungs­volls­ten visu­el­len Elemente unse­rer Zeit.

Ugo Rondinone, life time, 2022

Ugo Rondi­no­nes Regen­bo­gen leuchtet in der SCHIRN. Die Leucht­skulp­tur in Form eines Regen­bo­gens ist nicht nur ein Zei­chen des Respekts und der Inklu­sion, sondern auch ein archai­sches Symbol, das seit Menschen­ge­den­ken alle Kultu­ren dieser Erde faszi­niert. life time gehört zu Ugo Rondi­no­nes Werk­gruppe RAIN­BOW, in der er sich in poeti­schen Wort­kom­bi­na­tio­nen mit inne­ren Stim­mun­gen und zeit­lo­sen Wahr­hei­ten ausein­an­der­setzt und diese in den öffent­li­chen Raum trans­por­tiert. Frei­heit, Tole­ranz, Tag und Nacht sind Themen, die für den Schwei­zer Künst­ler unwei­ger­lich mit dem Symbol des Regen­bo­gens zusam­men­hän­gen. Der Regen­bo­gen strahlt Tag um Tag, Nacht um Nacht, Stunde um Stunde. Als gleich­zei­ti­ger, wirkungs­mäch­ti­ger Verweis auf die Gay Pride ist die Präsenz von life time ein wunder­ba­res Zeichen, dessen Lesart sich Rondi­none abso­lut bewusst ist. Als Logo und Symbol ist er eines der wirkungs­volls­ten visu­el­len Elemente unse­rer Zeit.

Olafur Eliasson, Your Rainbow Panorama, 2006-2011

Eines darf bei einer Reise ins däni­sche Aarhus nicht fehlen: Der Besuch der Instal­la­tion „Your Rain­bow Panorama“ von Olafur Elias­son, die sich seit 2011 auf dem Dach des ARoS befin­det. Kein gerin­ge­res Werk als die „Gött­li­che Komö­die“ von Dante soll als Leit­bild für den Muse­ums­bau gedient haben, der vom Para­dies in Form des Regen­bo­gens gekrönt ist. Auf schlan­ken Säulen über dem Dach erstreckt sich der Panora­ma­weg von einem Ende der Fassade des würfel­för­mi­gen Gebäu­des zum ande­ren.
Die Instal­la­tion bietet einen Rund­um­blick auf Aarhus und die angren­zende Land­schaft – in allen Regen­bo­gen­far­ben. Die helle­ren Farben legen einen Weich­zeich­ner über die Stadt, die dunk­len Farben heben die Kontraste hervor.

 

Elias­son selbst sagt über das Werk: „Ich habe einen Raum geschaf­fen, von dem man fast sagen könnte, dass er die Grenze zwischen Innen und Außen aufhebt – einen Ort, an dem Sie unsi­cher sind, ob Sie nun ein Kunst­werk betre­ten haben oder einen Teil des Muse­ums. Diese Unsi­cher­heit ist mir wich­tig, da sie Menschen anregt, über die Gren­zen hinaus zu denken und zu fühlen, inner­halb derer sie zu funk­tio­nie­ren gewohnt sind.“

Candice Breitz, Rainbow Series, 1996

Zwei Jahre nach dem Ende der Apart­heid und den ersten demo­kra­ti­schen Wahlen in Südafrika, zeigte die südafri­ka­ni­sche Weiße Künst­le­rin Candice Breitz ihre „Rain­bow Series“. Mit den umstrit­te­nen Colla­gen abstrak­ter Frau­en­fi­gu­ren, die sie aus Frag­men­ten aus (Porno)Zeit­schrif­ten und Post­kar­ten neu zusam­men­setzte, unter­suchte sie rassis­ti­sche und geschlech­ter­spe­zi­fi­sche Stereo­type und kommen­tierte auf ironi­sche wenn­gleich kontro­verse Weise die „Regen­bo­gen­na­tion“ Südafrika. Dieser Begriff wurde von Erzbi­schof Desmond Tutu und Nelson Mandela geprägt und bezieht sich unter ande­rem auf die neue, vermeint­lich fried­li­che Einheit des Multi­kul­tu­ra­lis­mus in einem Land, das noch bis vor kurzem von strik­ter Rassen­tren­nung geprägt war. Die Künst­le­rin zählt zu den Kriti­kern der „Rain­bo­wism“-Ideo­lo­gie, die Breitz viel­mehr als Utopie bezeich­net, da sie die wahren innen­po­li­ti­schen Probleme wie das Erbe des Rassis­mus unter dem Deck­man­tel des Regen­bo­gen­frie­dens beschö­nige. Die Colla­gen sind unan­ge­nehm und schwer aushalt­bar – hinter­fra­gen aber visu­elle Konven­tio­nen, in dem sie gängige Annah­men kritisch beleuch­ten

Max Beckmann, Mainlandschaft mit Regenbogen, 1923

Wie kaum ein ande­rer Künst­ler ist Max Beck­mann mit der Stadt Frank­furt verbun­den. Trau­ma­ti­siert von seinen Erleb­nis­sen als Sani­täts­hel­fer im Ersten Welt­krieg, kam Beck­mann 1915 in die Main­me­tro­pole und schuf hier einen Groß­teil seiner zentra­len Werke, unter ihnen Selbst­bild­nisse, Portraits und zahl­rei­che Frank­furt-Ansich­ten. Zu diesen zählt auch die Radie­rung „Main­land­schaft mit Regen­bo­gen“, die vermut­lich die Main­in­sel und das nörd­li­che Ufer aus Sach­sen­häu­ser Perspek­tive zeigt. Dort wohnte und arbei­tete Beck­mann 17 Jahren lang unweit der Städel­schule (damals Kunst­ge­wer­be­schule), an der er von 1925 bis 1933 eine Meis­ter­klasse leitete. Mit der „Macht­er­grei­fung“ der Natio­nal­so­zia­lis­ten verlor er seine Stel­lung, ging zunächst nach Berlin, emigrierte 1937 nach Amster­dam und 1948 in die USA.

Zakariya ibn Muhammad Qazwini, Illustration of a Rainbow, The Wonders of Creation, 13. Jh

Im 13. Jahr­hun­dert erschien die zwei­tei­lige illus­trierte Kosmo­gra­phie „Wunder der Schöp­fung und einzig­ar­tige [Phäno­mene] des Daseins“ des persi­schen Gelehr­ten Zaka­riyya‘ al-Qazwini (Abu Yahya Zaka­riya‘ ibn Muham­mad al-Qazwini). Das Werk war jahr­hun­der­te­lang eines der meist­ge­le­se­nen Bücher in der isla­mi­schen Welt, wurde viel­fach kopiert und über­setzt. Schon im Titel klingt an, dass der Autor keine natur­wis­sen­schaft­li­che Arbeit verfasste, sondern viel­mehr die erstaun­li­che Viel­falt der (gött­li­chen) Schöp­fung zeigen wollte. In der ersten von zwei „Maqa­las“ (Reden) schreibt Qazwini über Plane­ten, Stern­bil­der und Engel. Im zwei­ten Teil beschreibt er das Irdi­sche und geht auf die vier Elemente, die Meere, Lebe­we­sen, Pflan­zen und Wetter­phä­no­mene ein. Zu diesen zählt auch der Regen­bo­ge

Caspar David Friedrich, Gebirgslandschaft mit Regenbogen, 1809

Rätsel­haft, roman­tisch, reli­giös – und bis heute nicht eindeu­tig dechif­friert ist der Regen­bo­gen in Caspar David Fried­richs „Gebirgs­land­schaft mit Regen­bo­gen“. Schnell ist man dazu geneigt, das Werk als ein für den Künst­ler typi­sches Gemälde abzu­tun, doch dann hält man plötz­lich inne: Wieso durch­zieht ein Regen­bo­gen die vermeint­lich nächt­li­che Szene? Haben wir es etwa mit dem selte­nen Phäno­men des Mond­re­gen­bo­gens zu tun oder handelt es sich um ein reli­giö­ses Symbol? Wissen­schaft­ler deuten den Regen­bo­gen oft als persön­li­ches reli­giö­ses Bekennt­nis oder als Zeichen des Frie­dens zwischen Gott und Mensch aus der alttes­ta­men­ta­ri­schen Geschichte von Noah. Eines jedenfalls ist klar: Natur­wis­sen­schaft­lich lässt sich dieser Regen­bo­gen wohl nicht bele­gen.
Doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gibt es zwischen Himmel und Erde eben doch noch so Einiges, was man sich – mehr oder weniger – kaum erklä­ren kann …

Juli 2022 | Allgemein, Essay, Feuilleton, Zeitgeschehen | Kommentieren