Von München über Paris nach Edinburgh, eine Rundreise durch Spanien, nachts nach Istanbul – das alles geht. Man muss nur wissen, wie. Tipps für das grenzenlose Zugreisen

Bahnreisen in Europa: Die Welt einfach an sich vorbeiziehen lassen: Bahnfahren kann entspannt sein – wenn man es richtig macht.
Die Welt einfach an sich vorbeiziehen lassen: Bahnfahren kann entspannt sein – wenn man es richtig macht

Reisende, die klimafreundlich unterwegs sein wollen, steigen längst auch für weitere Strecken in den Zug statt ins Flugzeug. Mit der Bahn quer durch Europa: Was schön klingt, ist leider nicht so einfach – das fängt schon bei der Planung einer grenzüberschreitenden Verbindung an. Mit diesen Tipps sollte es dennoch gelingen.

Wie weit komme ich mit der Deutschen Bahn?

Die Deutsche Bahn (DB) unterhält einige transeuropäische Verbindungen, weshalb es sich anbietet, dort seine Planungen zu beginnen. DB-Züge fahren in mehrere (Nachbar-)Länder: nach Warschau, Klagenfurt, Wien und Budapest, nach Aarhus und Kopenhagen, nach Amsterdam, Paris und Straßburg sowie nach Basel, Zürich und Bologna über Bozen und Verona. Je nach Strecke und Zeit ist die DB Fernverkehr AG Betreiberin, teils auch ihre Partnerinnen in den jeweiligen Staaten. Eine Übersicht über alle ICE- und IC-Strecken für 2022 zeigt die Routen und Anschlüsse.

Bei der Buchung fragt die Bahn auch das Alter der Reisenden ab, um Preise und Rabatte auch im Ausland berechnen zu können. Wie sich der Gesamtticketpreis zusammensetzt, ist transparent: Bei mehreren Umstiegen zeigt das Buchungssystem der Bahn die einzelnen Reiseabschnitte mit den Tarifen der jeweiligen Betreiber.

Als Zubringer innerhalb Deutschlands ist auch FlixTrain eine Alternative. Derzeit verbindet FlixTrain 50 Städte miteinander.

Wie komme ich an entlegenere Orte?

Das kommt darauf an: Kenne ich mein Ziel schon? Und gibt es nur einen Ort, an den ich reise, oder soll es eine Rundreise mit mehreren Stationen werden? Für Letzteres ist das Interrail-Ticket ein Klassiker, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert. Interrail ist für alle Altersgruppen und für die erste und zweite Klasse verfügbar. Nutzer müssen sich vorab entscheiden: Soll es der Global-Pass sein, gültig für 33 europäische Länder? Dann hängt der Preis davon ab, ob eine Maximalzahl an frei wählbaren Reisetagen pro Monat reicht oder man bis zu drei Monate am Stück und an allen Tagen fahren will. Wer nur ein Land entdecken will, kauft sich den Ein-Länder-Pass (die Beneluxstaaten Belgien, Niederlande und Luxemburg zählen als ein Land). Dieser ist einen Monat lang an maximal acht Reisetagen gültig. Welche Züge man nehmen darf, bestimmt die jeweilige Bahngesellschaft.

Wer erst mal schauen möchte, welche Orte überhaupt erreichbar sind, kann neben der Seite der DB die Suche über Google Maps anstoßen. Unter dem Lokomotivsymbol zeigt deren Routenplaner Zugverbindungen an. Die Darstellung ist zwar etwas umständlich, aber dennoch gut, um ein erstes Gefühl dafür zu bekommen, welche Verbindungen es gibt und welche Eisenbahngesellschaften sie abdecken.

Welche übergreifenden Portale kann ich nutzen?

Für die genauere Planung gibt es zahlreiche unabhängige Anbieter, darunter Omio und Trainline. Beide verkaufen auf Provisionsbasis Tickets der Bahngesellschaften, per App und im Browser. Wie gut ihre Auskünfte sind, hängt davon ab, welche Unternehmen angebunden sind und welche Daten ihnen zur Verfügung stehen. Die DB etwa wurde im April vom Bundeskartellamt abgemahnt, weil sie Plattformen wie Omio keine Daten über Verspätungen, Ausfälle und Auslastung ihrer Züge weitergebe und so ihre Marktmacht missbrauche.

Zum Vergleich von Omio und Trainline haben wir jeweils eine Bahnverbindung von Hamburg nach Lissabon und eine von München nach Edinburgh gesucht; eine einfache Fahrt an einem Werktag Ende Mai.

Omio vergleicht Verbindungen per Bahn, Bus und Flugzeug in Europa, Kanada und den USA – allerdings nur die schnellsten und günstigsten Varianten. Das kann dazu führen, dass für manche Route nur Flüge angezeigt werden. Zu der Abfrage München-Edinburgh spuckt Omio nur Flüge aus, genauso bei der Strecke Hamburg-Lissabon.

Trainline sucht Bus- und Bahnverbindungen. Für Hamburg-Lissabon schlägt die App einen FlixBus vor, der mehr als 45 Stunden unterwegs ist. Eine Bahnvariante findet sie nicht. Zur Fahrt von München nach Edinburgh soll der Reisende separat den Eurostar buchen und dann einzelne Tickets für die Weiterreise innerhalb Großbritanniens kaufen; Verbindungen werden nicht angezeigt.

Eine Alternative ist der Rail Planner. App und Website sind eigentlich für Interrail-Reisende gedacht, die so ihre Fahrten planen und verwalten können. Für Recherchen ist die Auskunft aber ebenso geeignet und äußerst präzise: Es gibt eine Übersicht mit genauen Abfahrts- und Ankunftszeiten, der Reisedauer und der Zahl der Umstiege. Ein Schätzpreis wird angezeigt, dazu Hinweise, ob Platzreservierungen nötig sind und was sie kosten. Wer kein Interrail-Ticket hat, muss für die Buchung auf Omio, Trainline oder die Bahnportale ausweichen. Von München nach Edinburgh hat die schnellste Verbindung in der Abfrage die Dauer von 15 Stunden, 49 Minuten, mit drei Umstiegen in Stuttgart, Paris und London. Hamburg-Lissabon ist trotz sieben Umstiegen in 44 Stunden und 47 Minuten machbar, allerdings mit einer Abfahrt um 0.45 Uhr.

Welche Strecke kostet wie viel?

Wer mit der Bahn Grenzen überschreiten will, muss die Preise selbst einholen und vergleichen, etwa auf den Websites der Bahngesellschaften und bei den genannten Webportalen. Die Apps sind kostenlos, Trainline erhebt bei Buchungen im Voraus gegebenenfalls mehrere Euro an Gebühren – laut des Unternehmens dienen sie dazu, die Website zu verbessern. In Frankreich hat die Bahngesellschaft SNCF mit SNCF-Connect ein mehrsprachiges Portal geschaffen, das Früh- und Digitalbucherinnen günstige Tarife verspricht. Für innerdeutsche Strecken kann man sich für seine Wunschverbindung einen Bahn-Preisalarm auf der gleichnamigen Website einrichten.

Für seinen jüngsten Bahntest 2020/2021 hat der gemeinnützige deutsche Umweltverband VCD sechs europäische Verbindungen auf Machbarkeit und Preise untersucht: Hamburg-Stockholm, Berlin-Danzig, Berlin (Spandau)-Amsterdam, Frankfurt (am Main)-Marseille, München-Budapest und München-Rom. Dabei bezog der Verband die Buchungsportale der jeweiligen Bahnunternehmen sowie den Anbieter Trainline mit ein. Empfohlen wird demnach bis zu acht Wochen vor Abreise zu buchen, weil Preise und Auslastung steigen, je kurzfristiger man plant. Auch der VCD rät dazu, selbst die Anbieter und ihre Angebote zu vergleichen – eine Plattform für ganz Europa gibt es nicht.

Wo buche ich am besten?

Buchen kann man bei den Bahngesellschaften selbst wie auch bei den unabhängigen Portalen Trainline und Omio. Die Tickets werden per E-Mail zugesandt oder in der App gespeichert; die gängigen Zahlungsmöglichkeiten sind hinterlegt. Allerdings sollten Kunden hier das Kleingedruckte sehr genau lesen. Trainline hat bei dem Bewertungsportal Trustpilot zwar eine Note von 4,1; gerade in den vergangenen Wochen sind aber viele negative Kommentare zu lesen über Ticketkäufe, die nicht funktionierten, bei denen aber trotzdem Geld abgebucht wurde. Das Unternehmen antwortet immerhin auf die Beschwerden. Bei Omio, mit 3,5 bewertet, wird etwa kritisiert, dass Bahncard-Rabatte nicht richtig verbucht werden. Problematisch ist bei beiden Anbietern der Kundendienst, wenn etwas schiefgelaufen ist. Wer direkt bei dem jeweiligen Bahnunternehmen bucht, hat es im Zweifel leichter, bei Ausfällen und Verspätungen Geld zurückzubekommen.

Was ist bei Verspätungen oder Reklamationen?

Bevor es losgeht, sollte man die Apps der Bahnunternehmen im Reiseland herunterladen. So können unterwegs noch Züge hinzugebucht oder alternative Verbindungen gesucht werden.

Wenn etwas schiefgeht, gibt es innerhalb der EU einheitliche Regelungen für Bahnpassagiere. Darunter fällt etwa die Regelung, dass bei Verspätungen ab einer Stunde Schadenersatz in Höhe von 25 Prozent des Ticketpreises fällig wird, bei mehr als zwei Stunden 50 Prozent. In Nicht-EU-Ländern greift die Verordnung nicht. Reisende sollten dort also lieber vorab schauen, wie die jeweilige Bahngesellschaft mit Reklamationen umgeht. Wer in Großbritannien reist, für den gelten nach dem Brexit die britischen Fahrgastrechte, sie ähneln aber denen in der EU.

Generell gilt: Wer bei der DB gebucht hat, wird von der DB entschädigt – auch für ausländische Strecken. Bei Einzelbuchungen im Ausland ist jeweils der Betreiber der Strecke verantwortlich. Thalys, Trenitalia und SNCF haben deutschsprachige Seiten, auf denen Fahrgastrechte geltend gemacht werden können; der polnische Betreiber PKP, die spanische Bahn Renfe und die portugiesische Bahn CP wickeln das Ganze auf Englisch ab.

Gibt es sonst knifflige Punkte?

Bei manchen Zügen, etwa dem belgischen Schnellzug Thalys, muss man immer auch einen Sitzplatz reservieren. Im regulären Ticketkauf ist der Preis dafür enthalten. Interrail-Reisende müssen die Reservierung selbst vornehmen, dafür hat die Rail-Planner-App ein Reservierungstool. Das treibt aber die Kosten nach oben, auf der Strecke Köln-Paris etwa kostet der Sitzplatz 30 Euro pro Person extra. Und wer allzu spontan fahren will, kann manch ausgebuchte Verbindung nicht nutzen.

Genauer vorbereiten muss sich auch, wer sein Fahrrad oder viel Gepäck mitnehmen möchte. Noch mal das Beispiel Thalys: Fahrräder dürfen kostenlos mit, doch die Räder müssen abmontiert und das Ganze muss in einer Hülle mit bestimmten Maßen verstaut werden. Die Zahl der Gepäckstücke ist bei dem Anbieter ebenfalls begrenzt, eine Überschreitung kostet Geld oder der Schaffner akzeptiert das Mehrgepäck nicht.

Sind Nachtzüge eine Alternative?

Nachtzüge eignen sich vor allem für Reisende, denen es eher ums Ankommen geht als um den Blick aus dem Fenster. Außerdem spart man sich die Kosten für eine Übernachtung.

Über die DB sind die Nightjets der österreichischen Linie ÖBB sowie die Nachtzüge der kroatischen und ungarischen Linie buchbar. Die fahren von München aus (über Ljubljana) nach Kroatien, nach Rijeka und Zagreb. Außerdem nach Budapest sowie in viele italienische Städte wie Mailand, Rom, Florenz und Venedig. Die Nachtzugverbindung Paris-Berlin-Moskau war wegen der Corona-Pandemie unterbrochen und sollte voraussichtlich im Dezember 2022 wieder an den Start gehen. Ob das wirklich klappt, ist wegen des Kriegs in der Ukraine noch nicht absehbar. Die ÖBB bietet übrigens Liegewagen-Damenabteile für allein reisende Frauen an!

Speziell ist der Nachtzug von der bulgarischen Hauptstadt Sofia nach Istanbul über Plowdiw und Edirne. Die Fahrt dauert rund elf Stunden. Allerdings kann man die Tickets nicht vorab kaufen, sondern nur am Schalter in Sofia oder Istanbul. Englischsprachige Infos gibt es hier. Und die Fahrt nach Sofia dauert von Berlin über Wien und Budapest fast zwei Tage.

Auch nach Schweden kommt man über Nacht: von Berlin nach Stockholm mit dem Snälltåget. Er startet abends in der deutschen Hauptstadt, frühmorgens ist ein Umstieg in Malmö nötig, gegen 14.15 Uhr ist die Ankunft in Stockholm. Die Route führt über die dänischen Inseln Fünen, Seeland und die Öresundbrücke aufs schwedische Festland.

Mai 2022 | In Arbeit | Kommentieren

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