[1]Der „Karlsdenar“ aus dem 9. Jahrhundert zeigt auf der Vorderseite neben der Kaisertitulatur „Karlus Imp Aug“ ein Brustbild Karls des Großen; seit Kurzem ist diese Silbermünze im Neuen Aachener Stadtmuseum „Centre Charlemagne“ unter einem Vergrößerungsglas zu betrachten. Das ist schon – und zwar nicht nur für Numismatiker – eine kleine Sensation, denn laut Prof. Dr. Frank Pohle, dem Leiter der Route Charlemagne, dem Zusammenschluss der kulturhistorischen Museen der Stadt Aachen, ist sie das einzige authentische, zeitgenössische Porträt Karls des Großen.
Als dieser im Jahr 800 n. Chr. als erster westeuropäischer Herrscher seit der Antike die Kaiserwürde erlangte, war Frank Pohle zufolge das Konzept der Porträt-Ähnlichkeit in der Kunst noch fremd. „In anderen Medien, etwa der Buchmalerei, wird irgendwer mit Krone dargestellt und dann daneben geschrieben, wer gemeint ist“, sagt er. Es gebe jedoch schriftliche Beschreibungen des Aussehens Karls des Großen, zum Beispiel in der Vita Karoli Magni, die der fränkische Gelehrte Einhard im 9. Jahrhundert über dessen Leben verfasst hat. Anhand dieser könne man sagen, dass die Abbildung auf der Münze „tatsächlich nahe dran ist am realen Karl“, so Pohle. Auf der Rückseite ist eine Tempeldarstellung mit Kreuz und die Devise „Christiana religio“ zu sehen.
Bei dem sogenannten Karlsdenar handelt es sich um ein Stück von extremer Seltenheit. Er wurde vermutlich erstmals anlässlich der Krönung von Ludwig dem Frommen – dem Sohn Karls des Großen – zum Mitkaiser im Jahr 813 n. Chr. geprägt und nur in kleiner Serie produziert. Je nachdem, ob man heute verschollene Exemplare mitzählt oder nicht, handelt es sich bei dem Karlsdenar im „Centre Charlemagne“ um die Nummer 50 oder 56.
Gemessen an dem Münzumlauf der damaligen Zeit ist dies laut Frank Pohle eine äußerst geringe Anzahl. Die wenigen bekannten Exemplare der Münze, die sich größtenteils in Museumsbesitz befinden, seien mit vielen verschiedenen Stempeln geschlagen worden. „Man hat den Eindruck, es hätten einmal mehr davon produziert werden sollen“, sagt Pohle. Die Herstellung sei dann aber recht bald – vermutlich mit dem Tod Karls des Großen – eingestellt worden.
Besonders macht die Münze auch die außergewöhnlich kräftige Ausprägung des Porträts: Lorbeerkranz, Stirnband und Schulterfibel sind sehr detailliert dargestellt, ein Beleg für das handwerkliche Können der damaligen Stempelschneider. Zudem unterscheidet sie sich von anderen Exemplaren durch die Devise auf ihrer Rückseite: Statt des üblichen XPICTIANA RELIGIO – christlicher Glauben – ist auf dem Aachener Karlsdenar XRICTIANA RELIGIO zu lesen.
Karl der Große auf Ebay
Ob es sich bei dieser Art des Karlsdenars, die Nachforschungen zufolge in einer Münzprägestätte in der Pfalz Aachen produziert wurde, um ein Zahlungsmittel oder eine Ehrengabe gehandelt hat, kann heute nicht mehr ermittelt werden. Da der Denar in Größe und Gewicht den geläufigen fränkischen Silberdenaren der Zeit entspricht, ist es Frank Pohle zufolge durchaus möglich, dass man mit ihm auch Waren bezahlen konnte. „Zumindest im Fernhandel und teurere Waren – für drei Eier und etwas Gemüse war der Silberdenar schon damals zu viel wert“, sagt er.
Seit ihrer Prägung im 9. Jahrhundert haben die Münzen natürlich eine enorme Wertsteigerung erfahren: Auf dem freien Markt, auf dem sie jedoch kaum noch zu finden sind, werden sie zu Preisen von 30.000 bis 160.000 Euro gehandelt. Dagegen war der Aachener Karlsdenar für das „Centre Charlemagne“ dank eines glücklichen Zufalls ein echtes Schnäppchen. „Ein sachkundiger Bürger hat uns darauf hingewiesen, dass das Stück auf ebay.fr eingestellt worden ist. Ein Herr aus der Normandie löste „Opas Münzsammlung“ auf“, erzählt Frank Pohle. „Wir haben dann einfach mitgeboten.“