„Das Gerücht“ Lithographie – Paul A. Weber

International verbreiten sich in Sozialen Netzwerken Gerüchte und fragwürdige Informationen zum Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Was dahinter steckt, und welche Behauptungen auch in Deutschland kursieren, dokumentieren wir hier. Russland hat die Ukraine am 24. Februar angegriffen. Der Konflikt hatte sich zuvor rasant zugespitzt. Am 21. Februar hatte Russland die selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige Staaten anerkannt und die Entsendung von Soldaten dorthin angeordnet. Ende 2013 kam es in der Ukraine zu pro-europäischen Demonstrationen, auf die ein Regierungswechsel und bewaffnete Konflikte innerhalb des Landes folgten.

 

Wir haben es nicht wahrhaben wollen. Jahrelange Diplomatie, Verhandlungen, Gespräche in allen möglichen Formaten, Beschwichtigungen – es hat alles nichts genutzt. Und wer jetzt beim Aufmarsch an der ukrainischen Grenze noch die zynische Hoffnung hegte, dass der Worst Case die Einnahme der beiden russisch dominierten Ostprovinzen Donezk und Luhansk sein würde, der sieht sich bitter getäuscht. Putin geht aufs Ganze, er will die gesamte Ukraine besetzen, einen souveränen Staat mit einem Krieg in die Knie zwingen und ihn seinem kruden Geschichtsbild folgend in den russischen Machtbereich eingliedern.Im Zuge dieser Auseinandersetzungen annektierte Russland im März 2014 die Halbinsel Krim im Süden der Ukraine. Wenig später spalteten sich im Osten des Landes (in der Donbass-Region) die sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk ab. Seitdem kam es dort immer wieder zu Kämpfen.
Zur aktuellen Lage kursieren zunehmend Falschmeldungen im Internet. An dem verbreiteten Video- und Bildmaterial gibt es teilweise berechtigte Zweifel, teilweise werden aber auch authentische Aufnahmen infrage gestellt. Hier wird dokumentiert, welche Meldungen auch in Deutschland kursieren, und was darüber bekannt ist:

Behauptung: Nein, dieses Bild zeigt keinen von der Ukraine abgeschossenen russischen Jet – es stammt von 1993

Bewertung: Falscher Kontext

(Faktencheck vom 28. Februar 2022)

Auf Facebook und Twitter verbreitet sich das Bild eines brennenden Kampfjets mit der Behauptung, dieser sei vom ukrainischen Militär abgeschossen worden. Das stimmt nicht, das Foto hat nichts mit dem aktuellen Konflikt zu tun. Es entstand bei einer Flugshow in Großbritannien.

Behauptung: US-Außenminister Antony Blinken habe in einer UN-Sitzung ein Foto eines bombardierten Kindergartens in Luhansk gezeigt

Bewertung: Manipuliert

(Faktencheck vom 25. Februar 2022)

Es wird ohne Belege behauptet, dass der Angriff auf einen Kindergarten in der Oblast Luhansk eine „False Flag“ der Ukraine war. Das wird unter anderem von Alina Lipp auf Telegram verbreitet, und auch der österreichische Wochenblick griff die Behauptungen am 21. Februar in einem Artikel auf. Unter anderem heißt es darin, US-Außenminister Antony Blinken habe ein Foto des Kindergartens bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in die Kamera gehalten. Es wird ein Vergleich zu 2003 gezogen, als der damaligen US-Außenminister Colin Powell ein Fläschchen in die Kamera hielt, um zu beweisen, dass der irakische Diktator Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen habe. Eine Lüge, wie sich später herausstellte.

Die Behauptung, Blinken habe ein Foto des Kindergartens hochgehalten, ist aber ebenfalls falsch. Die AFP hat das Foto von Blinken mit dem Bild des Kindergartens bereits in einem Faktencheck als Fälschung entlarvt. Die Recherche zeigt, dass Blinkens Gesicht und das Bild des Kindergartens nachträglich in das Foto des ehemaligen US-Außenministers Colin Powell von 2003 eingefügt wurden. Unseren vollständigen Faktencheck zu diesem Thema finden Sie hier.

Behauptung: Bild-TV verbreite in einem Video „Fake News“ zur Russland-Ukraine-Krise

Bewertung: Fehlender Kontext

(Faktencheck vom 25. Februar 2022)

In Sozialen Netzwerken wird behauptet, im Zuge des Russland-Ukraine-Kriegs würden „westliche Fake News“ verbreitet. Als Beispiel werden Aufnahmen von Bild-TV genannt, die eine Explosion und den Absprung von Fallschirmtruppen zeigen, doch tatsächlich nichts mit dem aktuellen Krieg zu tun haben. Der Fehler wurde aber korrigiert. Den ganzen Faktencheck dazu finden Sie hier.

Behauptung: Videos von Luftangriffen auf den Militärflughafen Iwano-Frankiwsk seien nicht authentisch

Bewertung: Falsch

(Faktencheck vom 25. Februar 2022)

Im Netz verbreiten sich Videos, die Luftangriffe auf den Flughafen der ukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk zeigen. Deutschsprachige Telegram-Accounts bezweifeln deren Echtheit. Doch die Videos lassen sich durch Recherchen eindeutig den Angriffen zuweisen. Den ganzen Faktencheck dazu finden Sie hier.

Behauptung: Foto zeige die Folgen einer Gasexplosion im Jahr 2018
und nicht eines aktuellen russischen Angriffs in der Ukraine

Bewertung: Falscher Kontext

(Faktencheck vom 25. Februar 2022)

In Sozialen Netzwerken wird eine Collage verbreitet: Ein Bild-Artikel über einen russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in der Ost-Ukraine wird einem russischen Bericht mit demselben Foto gegenübergestellt. Der russische Bericht soll angeblich belegen, dass das Foto die Folgen einer Gasexplosion 2018 zeige. Das stimmt nicht, das Foto ist aktuell und aus der Stadt Tschuhujiw. Den Faktencheck dazu finden Sie hier.

Behauptung: Angebliche Live-Übertragung der russischen Sondersitzung zur Anerkennung von Donezk und Luhansk wurde Stunden vorher aufgenommen

Bewertung: Richtig

(Faktencheck vom 25. Februar 2022)

In einer Sondersitzung des Sicherheitsrates am 21. Februar beriet Russlands Präsident Wladimir Putin über die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine. Die Sitzung von dem Sender Channel One wurde gegen 17 Uhr Ortszeit im russischen Staatsfernsehen übertragen. Die russische Regierung veröffentlichte das Protokoll der Sitzung um 18.30 Uhr Ortszeit, was zu der Länge des Videos von 95 Minuten passt. Ein Twitter-Beitrag von RT mit dem Verweis auf eine angebliche Live-Übertragung auf Youtube wurde jedoch mutmaßlich um 18 Uhr Ortszeit veröffentlicht.

Bereits am Tag nach der Sitzung wiesen Twitter-Nutzer (hier und hier) darauf hin, dass die Uhren der Teilnehmenden eine viel frühere Uhrzeit anzeigen. Mehrere Medien berichteten ebenfalls über die zeitlichen Unstimmigkeiten bei der angeblichen Live-Übertragung der Sondersitzung.

Die Berichte wecken Zweifel an den zeitlichen Abläufen und dem Zeitpunkt der Entscheidung, die Volksrepubliken als unabhängige Staaten anzuerkennen. Denn: Nicht nur die Uhren auf der Sondersitzung zeigen eine andere Zeit, auch die spätere Unterzeichnung der Dekrete durch Putin war wohl nicht live.

In der Aufzeichnung der Sitzung legte Putin seine Uhr am Anfang der Sondersitzung ab. Auf einem Bild, das die russische Regierung veröffentlichte, sind die Uhren von Verteidigungsminister Sergei Schoigu (links) und Außenminister Sergei Lawrow (rechts) jedoch gut zu erkennen. Dreht man die Bilder beider Uhren, zeigt Schoigus Uhr 11.45, also mehrere Stunden vor der angeblichen Live-Ausstrahlung. Bei Lavrov ist ein Zeiger zu sehen, der auf die 12 zeigt.

Politiker auf der Sondersitzung
Im Foto von der Sondersitzung zu sehen: die Uhren des russischen Verteidigunsministers Sergei Schoigu (links) und des Außenministers Sergei Lawrow (rechts) (Quelle des Originalfotos: Kreml / Screenshot, Markierungen und Bearbeitungen: Faktencheck)

Bei der Unterzeichnung der Dekrete zur Anerkennung von Luhansk und Donezk, angeblich am Abend desselben Tages, waren Putin, der Luhansker Republikchef Leonid Passetschnik, sowie dessen Donezker Amtskollege Denis Puschilin in einem Raum zu sehen. Zum Zeitpunkt der Unterschrift hatte Putin seine Uhr um – sie zeigt Viertel nach 10.

Ein Bild, das von der russischen Regierung veröffentlicht wurde, lässt auch die Uhr des Luhansker Republikchefs Leonid Pasetschnik erkennen. Gedreht zeigt auch sie 10.15 Uhr.

Die Aufnahmen wurden im russischen Staatsfernsehen ab etwa 22.35 Uhr Ortszeit gesendet. Die eigentliche Aufnahme könnte somit entweder etwa 20 Minuten früher stattgefunden haben, oder schon am frühen Morgen, noch vor der Sondersitzung, bei der über die Anerkennung der Volksrepubliken beraten wurde.

Laut Medienberichten bestätigte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow mittlerweile, dass es sich bei den Übertragungen um Aufzeichnungen gehandelt habe. Auf dem Youtube-Kanal des russischen Senders RT ist das Video weiterhin als „live gestreamt“ markiert, jedoch mit dem Verweis „Tape“. Die genauen zeitlichen Abläufe der Sondersitzung und der anschließenden Anerkennung der Republiken bleiben weiterhin unklar.

Behauptung des russischen Verteidigungsministeriums am 24. Februar 2022:
Es würden keine ukrainischen Städte angegriffen, Zivilisten drohe keine Gefahr

Bewertung: Falsch

(Faktencheck vom 24. Februar 2022)

Das staatlich kontrollierte russische Medium RT DE berichtet, das russische Verteidigungsministerium habe betont, russische Streitkräfte führten einen „Sondereinsatz zur Befriedung und Entmilitarisierung der Ukraine“ durch. In diesem Rahmen gebe es „keine Raketen-, Luft- oder Artillerieangriffe auf ukrainische Städte“. Und: „Zivilisten seien nicht in Gefahr.“ Dasselbe berichtete auch die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

Dem widersprechen jedoch mehrere Meldungen über Explosionen und Angriffe in ukrainischen Städten. Diese lassen sich mit Foto- und Videomaterial belegen.

Konkret gibt es Aufnahmen eines bombardierten Wohnblocks in der Stadt Tschuhujiw (englische Berichte schreiben den Namen Chuhuiv oder Chuguiv). Die Stadt liegt in der Oblast Charkiw. Die Bilder wurden zum Beispiel von der AFP oder Al Jazeera veröffentlicht. Dabei gab es Berichten zufolge mindestens ein Todesopfer und mehrere Verletzte. In Sozialen Netzwerken wird teilweise angezweifelt, dass das Gebäude in Tschuhujiw durch einen Raketenangriff zerstört wurde – alles deutet jedoch darauf hin, dass die Aufnahmen und Berichte aktuell und authentisch sind.

Zudem gingen am Morgen Videoaufnahmen einer Explosion auf einer Straße in der Stadt Uman viral (hier und hier). Uman liegt in etwa im Zentrum der Ukraine in der Oblast Tscherkassy. Bei dem Beschuss wurde eine Person auf einem Fahrrad getötet. Den Ort konnten wir verifizieren; auch hier deutet alles darauf hin, dass das Bildmaterial authentisch ist. Der Leiter der Oblast sprach auf Facebook von einem getöteten Zivilisten und fünf Verletzten und rief zur Evakuierung auf.

Die ganze Recherche und alle Belege finden Sie hier im ausführlichen Faktencheck.

Behauptung russischer Medien am 19. Februar: Ein festgenommener ukrainischer Agent, der an einem Anschlag beteiligt sei, habe Pläne der Ukraine
zur Eroberung des Donbass offenbart

Bewertung: Unbelegt 

(Faktencheck vom 24. Februar 2022)

Am 19. Februar berichteten russische Medien, darunter die deutschsprachige Webseite SNA: Vertreter der selbsternannten Volksrepublik Donezk (DVR) hätten einen ukrainischen Agenten namens Anton Matsanyuk festgenommen. Er werde verdächtigt, an der Sprengung eines Autos des Chefs der Separatisten-Miliz beteiligt gewesen zu sein und habe Pläne offenbart, dass die Regierung in Kiew die pro-russischen Separatistengebiete im Donbass erobern wolle.

Dazu veröffentlichten russische TV-Sender ein Interview mit dem angeblichen Agenten. Der russische Sender Channel 1 hat Matsanyuk interviewt, es wurden ihm für die Dauer des Interviews die Handschellen abgenommen.

Die Aussagen des Mannes, dass die Ukraine eine Eroberung des Donbass plane, lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Ukraine selbst bestritt Vorwürfe von Sabotageakten oder Angriffen: Außenminister Dmytro Kuleba twitterte beispielsweise am 21. Februar, die Ukraine plane „keine derartigen Aktionen“.

Zudem gibt es Unstimmigkeiten bei der Geschichte der Festnahme des „Spions“: Russische Medien wie Sputnik und Channel 1 berichteten, diese habe sich am Donnerstag, 17. Februar, in einer Wohnung in Donezk ereignet. Die Explosion des Autos, an der der Mann beteiligt gewesen sein soll, war jedoch laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Ria Novosti, die sich unter anderem auf Angaben der Volksmiliz DVR beruft, am Freitag, 18. Februar gegen 18 Uhr vor dem Verwaltungsgebäude in Donezk. (Die Zeitangabe im Medienbericht ist 19 Uhr Moskauer Zeit, der Zeitunterschied zu Donezk beträgt eine Stunde, also entspricht das 18 Uhr ukrainischer Zeit.) RIA Novosti veröffentlichte einen ersten Bericht um 19.04 Uhr, und einen Telegram-Beitrag um 19.08 Uhr (beides russischer Zeit).

Die Frage, warum Matsanyuk vor der Explosion festgenommen wurde, wird in den Berichten nicht beantwortet; Verletzte gab es demnach nicht.

Es gibt auch Zweifel an der Geschichte über das gesprengte Auto des Separatisten-Anführers. Am 18. Februar um 19.25 Uhr lokaler Zeit veröffentlichte Sputnik mehrere Fotos des explodierten Autos, eines älteren grünen Militärfahrzeug-Modells. In den Aufnahmen ist das Kennzeichen des Fahrzeugs zu erkennen: ДК-0101. In einem Video des zerstörten Autos, das seit dem Abend des 18. Februar in Sozialen Netzwerken kursiert, ist das Kennzeichen aber nicht zu sehen.

Foto der russischen Agentur Sputnik zeigt das Kennzeichen des zerstörten Fahrzeugs
Das Foto der russischen Agentur Sputnik zeigt das Kennzeichen des zerstörten Fahrzeugs (Quelle: Sputnik; Screenshot: Faktencheck)

Noch am selben Tag wies ein Nutzer auf Twitter darauf hin, dass auf früheren Fotos verschiedene Militärfahrzeuge dieses Kennzeichen trugen. Ein Bild zeigt dasselbe ältere Auto, die Aufnahme stamme vom 7. Februar in Donezk. Wir konnten das Foto nicht verifizieren.

Das zweite Foto zeigt ein anderes, offensichtlich moderneres Fahrzeug mit demselben Kennzeichen. Dieses Foto wurde bereits am 31. Mai 2021 auf Twitter veröffentlicht. Einige Internetnutzer und auch eine ehemalige Beraterin des ukrainischen Verteidigungsministeriums äußerten deshalb die Theorie, dass es sich bei dem gesprengten Auto in Donezk nicht um das Fahrzeug des Chefs der Separatisten-Miliz handelte, sondern um ein älteres Modell, auf das man das aktuelle Kennzeichen montiert habe. Diese Behauptungen konnten wir nicht verifizieren.

Ein Foto auf Twitter vom 31. Mai 2021 zeigt einen SUV mit einem schwarzen Kennzeichen – darauf steht dieselbe Nummer wie auf dem Kennzeichen des Militärfahrzeugs (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Behauptung durch pro-russische Separatisten am 18. Februar: Ein Video zeige Saboteure, die einen Angriff mit einem Chlor-Tank in der Region Donezk planten

Bewertung: Manipuliert

(Faktencheck vom 22. Februar 2022)

International, aber auch im deutschsprachigen Raum auf Facebook kursiert ein Video, das scheinbar eine Kampfsituation zeigt. Die Qualität ist schlecht, die Aufnahme dunkel. Zu erkennen ist eine Person mit Helm zwischen blätterlosen Sträuchern oder Bäumen. Auch eine Waffe ist zu sehen, die abgefeuert wird. Zu hören sind Schüsse, eine Explosion und Funksprüche.

Eine Person mit Helm
Ausschnitt aus dem Video, das in Sozialen Netzwerken kursiert und ursprünglich von einer pro-russischen Volksmiliz verbreitet wurde (Screenshot: RU-Faktencheck)

In deutschsprachigen Facebook-Beiträgen mit dem Video heißt es, in Donezk seien „die ersten Kämpfe“ ausgebrochen. Oder: Soldaten der DVR („Volksrepublik Donezk“) kämpften gegen einen Versuch einer „ukrainischen Sabotagegruppe“, die in das Territorium eindringen wollte.

Veröffentlicht wurde das Video am 18. Februar im russischsprachigen Telegram-Kanal des Pressedienstes der pro-russischen Volksmiliz der DVR. Dahinter steht eine paramilitärische Gruppierung in der Ost-Ukraine. Die Volksmiliz der DVR veröffentlichte das Video mit der Behauptung, man habe verhindert, dass Saboteure in das Territorium von Donezk eindringen. Demnach stamme das Video von diesen Saboteuren selbst und sei von einer Action-Kamera aufgezeichnet worden, die sie vor Ort zurückgelassen hatten. Die Personen hätten versucht, einen Chlorbehälter auf dem Gelände einer Kläranlage in der Nähe der Stadt Horliwka (Stadt im Oblast Donezk) zu sprengen.

Es gebe jedoch einige Unstimmigkeiten, die Zweifel an der Echtheit des Videos weckten, berichtete der Journalist Eliot Higgins vom Recherchenetzwerk Bellingcat auf Twitter.

Higgins fasste auf Twitter die Recherchen mehrerer Journalisten zu diesem Video folgendermaßen zusammen: Den Metadaten des Videos zufolge ist es am 8. Februar erstellt worden, also zehn Tage bevor es veröffentlicht wurde. Wer sich die Metadaten des Videos selbst genauer anschauen möchte, kann es sich von Telegram herunterladen, die Informationen dazu hat Bellingcat hier veröffentlicht. Wir haben das Video ebenfalls mit dem Tool Metadata2Go überprüft und die Metadaten hier gespeichert.

Die Metadaten belegen laut Higgins außerdem, dass dem Video Audio- und Videodaten hinzugefügt wurden, was auf eine Manipulation des Originals hindeute. Die Audiospur des angeblichen Saboteur-Videos passe zu einem älteren Video von 2010, das auf Youtube zu finden ist und auf einem militärischen Übungsplatz in Finnland entstand. Mutmaßlich wurde also der Ton dieses alten Videos benutzt. Higgins folgert daraus, dass das Video gefälscht sei.

Behauptung durch pro-russische Separatisten am 18. Februar: Die Ukrainewerde bald Teile des Donbass angreifen und man müsse sofort evakuieren

Bewertung: Unbelegt

(Faktencheck vom 22. Februar 2022)

In deutschsprachigen Telegram– und Facebook-Kanälen wurden am 18. Februar Videos von den Separatisten-Führern der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk veröffentlicht. Denis Puschilin und Leonid Passetschnik behaupten darin, dass ein Angriff der Ukraine auf die Region Donbass bevorstehe, und rufen zur Evakuierung auf.

Die Statements erwecken den Eindruck, sie seien eine aktuelle Reaktion auf Handlungen der Ukraine. Puschilin sagt in seiner Botschaft, dass „ab heute, dem 18. Februar, eine massive, zentralisierte Ausreise der Bevölkerung in die Russische Föderation organisiert“ werde. Die Metadaten der Videos zeigen jedoch, dass sie schon zwei Tage zuvor aufgezeichnet wurden – am 16. Februar.

Journalisten von Bellingcat und Radio Free Europe machten auf die Unstimmigkeiten zwischen den Metadaten und dem Veröffentlichungszeitpunkt aufmerksam.

RU-Faktencheck hat diese Recherchen überprüft und konnte die Ergebnisse bestätigen. Beide Videos wurden in Telegram-Kanälen der „Volksrepubliken“ veröffentlicht. Wir haben die Originaldateien heruntergeladen und uns die Metadaten angesehen: In beiden Videos fanden wir den 16. Februar als Erstellungsdatum.

Metadaten eines Videos
Die Metadaten zeigen, dass die Video-Dateien schon zwei Tage vor ihrer Veröffentlichung erstellt wurden (Quelle: Faktencheck)

Die Ukraine bestritt Vorwürfe zu angeblich geplanten Angriffen. Das französische und das deutsche Außenministerium bezeichneten die Behauptungen der Separatisten in einem gemeinsamen Statement als unbegründet: „Wir befürchten, dass inszenierte Zwischenfälle als Vorwand für eine mögliche militärische Eskalation missbraucht werden könnten“, hieß es darin.

Behauptung: Die Bombardierung eines Kindergartens in Luhansk sei nur vorgetäuscht worden

Bewertung: Falsch

(Faktencheck vom 22. Februar 2022)

Seit dem 17. Februar kursieren in Sozialen Netzwerken Bilder von einem Kindergarten in der Ost-Ukraine, der mutmaßlich beschossen wurde. Fotos zeigen ein Loch in der Wand eines Turnraumes. Mehreren Berichten zufolge gab es tatsächlich einen Angriff auf das Gebäude. Im Netz kursieren Behauptungen, dass er nur vorgetäuscht sei, doch dabei handelt es sich offenbar um Desinformation.

Mit einem digital bearbeiteten Foto, in das ein Bagger nachträglich eingefügt wurde, wird zum Beispiel suggeriert, das Loch in der Wand sei durch diesen Bagger verursacht worden. Wie Reuters berichtet, handelt es sich dabei jedoch um eine Fotomontage – ein Bagger stand ursprünglich nicht neben dem Loch in der Wand. Das zeigt ein Video auf Facebook, in dem der Kindergarten von außen zu sehen ist.

Bagger vor einem Gebäude
Dieses manipulierte Foto kursiert auf Twitter und wird als vermeintlicher Beleg genutzt, dass der Kindergarten nicht beschossen wurde. Der Bagger wurde jedoch nachträglich eingefügt. (Screenshot und Schwärzung: Faktencheck)

Das Narrativ vom erfundenen Angriff kursiert auch in Deutschland: In einem deutschsprachigen Telegram-Beitrag wird behauptet, dass die Bilder des Kindergartens „Fake“ seien. Sie deutet an, dass der Einschlag nicht von einem Angriff pro-russischer Separatisten stamme und dass es keine Explosion gegeben habe. Ihre Begründung: Es fehlten Rußspuren und Geröll an der Einschlagstelle und die Fenster seien nicht zerbrochen. Um ihre Aussage zu belegen, zeigt sie Bilder von anderen Einschlägen, auf denen jedoch ebenfalls kaum Rußspuren zu sehen sind. Das Fenster im Kindergarten neben der Einschlagstelle ist zudem offensichtlich zerstört.

Raum in Trümmern
Das Bild des zerstörten Turnraumes

Dass der Angriff auf den Kindergarten stattfand, bestätigen zahlreiche Fotos und Medienberichte (hier und hier) – dort wird der Angriff pro-russischen Separatisten zugeordnet. Auch die ukrainischen Streitkräfte schreiben auf Facebook, die „russischen Besatzungstruppen“ seien dafür verantwortlich.

Einige russische Webseiten geben dagegen der ukrainischen Seite die Schuld. In einem Artikel der Seite MK-RU vom 17. Februar hieß es: „Die ukrainische Armee bombardierte einen Kindergarten in [Luhansk]“. Als Quelle wird ein Telegram-Kanal, mutmaßlich von pro-russischen Separatisten, angegeben. Ein Faktencheck der ukrainischen Faktencheck-Organisation Stop Fake kam jedoch zu dem Schluss, dass es sich bei dem Artikel von MK-RU um eine Falschmeldung handele.

Wie der Nachrichtensender NTV am 18. Februar berichtete, liegt der Kindergarten in Stanyzia-Luhanska und heißt „Skaska“. Das Dorf liegt nahe der Stadt Luhansk, wenige Kilometer westlich der ukrainisch-russischen Grenze. Ein Hinweis, dass es sich wirklich um diesen Kindergarten handelt, ist ein markanter Zaun, der auch auf einigen Bildern auf der Facebook-Seite des Kindergartens zu erkennen ist. Auch der getroffene Raum selbst ist in einem Facebook-Beitrag des Kindergartens von Anfang 2020 zu sehen.

Kinder und Erwachsene in einem Kindergarten
Derselbe Raum im Kindergarten „Skaska“ Anfang 2020. Im Hintergrund ist das Wandmotiv mit den Palmen zu sehen und rechts das Regal mit den Fußbällen. (Quelle: Facebook-Seite des Kindergartens „Skaska“)

Behauptung: CNN habe berichtet, Wladimir Putin wolle die Invasion in der Ukraine hinauszögern, bis die USA Waffen an die Ukraine liefern, damit Russland diese beschlagnahmen könne

Bewertung: Manipuliert

(Faktencheck vom 17. Februar 2022)

Das Bild des angeblichen CNN-Berichts, das am 12. Februar in Deutschland auf Facebook kursiert, zeigt eine Moderatorin und den russischen Präsidenten Wladimir Putin. In dem eingeblendeten Schriftzug steht auf Englisch die vermeintliche Nachricht: „Sources: Putin to delay invasion until Biden delivers weapons to Ukraine for Russia to capture“.

Das Bild ist jedoch eine Fälschung, der CNN-Beitrag stammt aus dem Jahr 2017. Der Text im Bild wurde manipuliert. Wir haben dazu bereits einen ausführlichen Faktencheck veröffentlicht.

Eine Moderatorin und den russischen Präsidenten Wladimir Putin
Das Original-Video von CNN beweist, dass es in dem Bericht nicht um die Ukraine ging – er ist auch nicht aktuell (Quelle vom 30. März 2017: CNN; Screenshot: Faktencheck)

Die Rundschau bedankt sich für Texte und Recherchen bei: Uschi Jonas, Alice Echtermann, Sarah Thurst, Viktor Marinov, Steffen Kutzner, Matthias Bau, Sophie Timmermann, Marc Steinau.

Feb. 2022 | Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude | Kommentieren