Auch Männer können Frauen werden. Aber sind sie dann wirklich Frauen? Ja, sagen Transgender-Aktivisten. Und was bleibt der Frau, wenn alle Frau sein können, die Frau sein wollen?

Frausein wird zur sozial konstruierten Kategorie, und durch die Hintertür kommt das Patriarchat zurück, in Frauenkleidern.
Bleiben von der Frau nur ein paar Tropfen Blut? In England und den USA wird, unter Druck des Transgender-Aktivismus und befeuert von «progressiven» Männern, die Kategorie «Frau» auf Formularen oder im öffentlichen Diskurs zunehmend durch den Begriff «menstruierende Person» ersetzt. «Breast-feeding» heisst «chest-feeding», auf Geburtenstationen liegt nicht mehr «die Mutter von», sondern «das Elternteil von».
Frausein und Weiblichkeit, so die Logik hinter den neuen Formulierungen, ist nicht biologisch, sondern sozial konstruiert. Die Bezeichnung «Frau» nur für Frauen offenzuhalten, die als solche geboren wurden, sei deshalb potenziell diskriminierend. Befürworter des Begriffs «menstruierende Person» fordern kompromisslose politische und inklusive Korrektheit im Hinblick auf die Trans-Community, zum Schutz der Individualität und der Gefühle des Einzelnen. Weil es aber biologische Gegebenheiten gibt, um die man nicht herumkommt, bleibt der Frau am Ende nur noch die Menstruation als Kennzeichen ihrer Identität.
Es tobt ein Streit zwischen Transaktivisten und Feministinnen. Frauen, die an der weiblichen Biologie von Transfrauen zweifeln, Bezeichnungen wie «menstruierende Person» ablehnen, werden als bigotte Faschisten bezeichnet, abschätzig «Terf» genannt («trans-exclusionary radical feminists»). Auf der anderen Seite heisst es: Die «Frau» sei kein mit inklusiven Parolen bedrucktes Zelt, in dem alle, aber auch wirklich alle willkommen seien, die meinen, «Frau» zu sein – ausser den Frauen selbst.
Frauen, die Männer sind
Frauen seien, genauso wie Männer, komplexe Gewebe aus sozialen und biologischen Gegebenheiten, betonen Feministinnen. Das Gesetz mache keine Aussagen zu biologischen Fakten, es lege also nicht fest, ob eine Transfrau «wirklich» eine Frau sei. Deshalb seien Transfrauen biologisch immer noch Männer. Das alte Patriarchat mit dem Mann an der Spitze habe die Frau unsichtbar gemacht, nun komme das neue Patriarchat in Frauenkleidern. Mit «Frauen», die nie reale weibliche Erfahrungen gemacht haben: die Panik nach dem Vergessen der Pille, die Angst vor Vergewaltigung, Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz und so weiter.
Die Reduktion der biologischen Frau auf die Periode, so der Tenor, sei ein undemokratischer, sexistischer und frauenfeindlicher Eingriff in Persönlichkeitsrechte, das Ende der Geschichte der Befreiung von patriarchalen Strukturen, der Beginn einer modernen Hexenjagd auf als Frau geborene Frauen, die sich exklusiv «Frauen» nennen möchten.
Frausein sei kein Kostüm, schrieb die «Harry Potter»-Autorin J. K. Rowling. Nachdem sie für ihre Kritik am Begriff der «menstruierenden Person» ins Kreuzfeuer des Transgenderaktivismus geraten ist, wird sie gecancelt: «Viele Frauen empfinden die ‹inklusive› Sprache, in der weibliche Personen als ‹Menstruierende› oder ‹Menschen mit Vulva› bezeichnet werden, als entmenschlichend und erniedrigend . . . Für Frauen ist diese Sprache nicht neutral, sondern feindselig und entfremdend.»
Was Frauen zu Frauen macht
Auch die britische Philosophin Kathleen Stock, die vergangenes Jahr nach Protesten gegen ihre Aussagen zur biologischen Geschlechterdifferenz ihre Professur niederlegen musste, verwies auf die symbolische Enteignung der Frau durch einen letztlich chauvinistisch agierenden Transgenderaktivismus: «Für viele Transaktivisten», schrieb sie, «sind Transfrauen im wörtlichen Sinn Frauen, und wenn sie Kinder haben, können sie auch Mütter sein. Haben sie Partnerinnen, können sie lesbisch sein, sie können auch Opfer von Frauenhass sein und so weiter. Nacheinander fallen die Begriffe, mit denen Frauen sich beschreiben, dahin wie Dominosteine.»
Nicht nur treibt die Bezeichnung der Frau als «menstruierende Person» einen unnötigen Keil zwischen Frauen und die Transgemeinde. Die Reduktion der Frau auf ihre Periode interpretiert die Gedanken Judith Butlers fehl, der Vordenkerin der Geschlechtertheorie, die doch eigentlich zur Legitimation der neuen Begrifflichkeit herbeigezogen wird. Was macht in westlichen Gesellschaften Frauen zu Frauen, Männer zu Männern? Seit dem Erscheinen von Butlers bahnbrechendem Buch «Gender Trouble» (1990) wird darüber debattiert.
«Konservative Biologisten» kritisieren «linke Gendertheoretiker» für die Leugnung biologischer Tatsachen und die Konzeption vom Körper als nacktem Brett, auf das die Gesellschaft Geschlechterregeln einkerbe. Die Vertreter der Gendertheorie entgegnen darauf, biologische Dispositionen und Hormonstrukturen reichten nicht aus, um daraus verschiedene Eigenschaften, Fähigkeiten und Tätigkeitsbereiche von Mann und Frau abzuleiten, im Stil von: Prädestinieren Eierstöcke eine Frau zur Hausfrau und zu Emotionalität, Hoden einen Mann zu harter Arbeit und Rationalität?
Bittere Ironie
Nur, hat Judith Butler immer betont, gehe es gerade nicht um die Leugnung körperlicher Unterschiede von Mann und Frau, sondern um eine viel interessantere Frage: Warum werden bestimmte körperliche Gegebenheiten von Mann und Frau so lange beständig wiederholt, besprochen und dargestellt, bis sie zur Norm werden, während andere Eigenschaften als «abweichend», «unnatürlich» oder «unschön» gelten?
Der Feminismus hat Vorkämpferinnen. Suffragetten kämpften für als Frauen geborene Frauen für gleiche Rechte, Berufe, Ausbildungsplätze. Nicht mehr. Und heute soll das körperliche Merkmal, das als Frau geborene Frauen noch zu kennzeichnen vermag, die Menstruation sein – nach der Logik des vulgärfeministischen Newspeak. Eine Reduktion also, und zwar eine, die die patriarchale Ordnung reproduziert, die sie doch – eigentlich – durchbrechen wollte.
Das ist misogyn und entmenschlichend. Denn was ist mit Frauen, die nicht oder nicht mehr menstruieren? Die magersüchtige Frau, die kranke Frau, die Frau nach der Menopause sind dieser Logik zufolge weder Frau noch Person, sondern nichts mehr. Allein die gebärfähige Frau ist es offenbar noch wert, in den Katalog legal definierter Gesellschaftsmitglieder aufgenommen zu werden. Eine bittere Ironie.
Persona non grata
Nur wenig hat der Feminismus so vehement bekämpft wie die Mutterschaft. Für Feministinnen wie Simone de Beauvoir war das zu stillende Kind ein Blutegel, die Frau eine vom Mann unterdrückte Reproduktionsmaschine. Nun bleibt sie das, eine menstruierende Persona non grata, möge sie mit der letzten biologischen Realität, die ihr bleibt, anstellen, was sie will.