Ja, sagt Singapur – und bittet sie zur Kasse

 

 

 

 

 

 

In Singapur müssen Ungeimpfte die Behandlungskosten bei einer Covid-Erkrankung künftig selber zahlen. Dabei hat das Land bereits eine der höchsten Impfraten der Welt.

86 Prozent der Einwohner Singapurs haben sich impfen lassen. Für diejenigen, die sich weigern, gibt es nun finanzielle Folgen.

86 Prozent der Einwohner Singapurs haben sich impfen lassen. Für diejenigen, die sich weigern, gibt es nun finanzielle Folgen.

Edgar Su / Reuters

Singapurs Gesundheitsminister Ong Ye Kung spricht Klartext: Die neuste Anordnung seines Ministeriums sei ein Zeichen an all jene, die zögerten, sich impfen zu lassen. Ab dem 8. Dezember, so der Minister, müssten diejenigen, die sich aus medizinischer Sicht impfen lassen könnten, dies aber nicht täten, im Falle einer Erkrankung die Behandlungskosten selber tragen.

Ungeimpfte belasten Kliniken  überdurchschnittlich

Singapur hat bereits eine der höchsten Impfraten der Welt. 86 Prozent der Bevölkerung sind doppelt geimpft, ein weiteres Prozent einmal. Doch den Behörden reicht das nicht. Denn die Ungeimpften seien überproportional für Hospitalisierung und Todesfälle verantwortlich. Darum findet die Regierung: Wer auf den Schutz verzichte, solle die Konsequenzen selber tragen. Diese Personen belasteten das Gesundheitssystem unnötig, so das Gesundheitsministerium.

Das Impftempo in Singapur hat stark nachgelassen

Personen, die mindestens eine Impfdosis erhalten haben; in % der Gesamtbevölkerung

 

In Singapur übernimmt der Staat die Kosten für Covid-Erkrankungen. Ausgenommen sind jene, die kurz nach der Rückkehr von einer Auslandreise krank werden – sie müssen bereits jetzt selber für die Kosten aufkommen, ausser sie haben eine private Versicherung. Von der neuen Regelung ausgenommen sind Kinder unter 12 Jahren und Personen mit einem medizinischen Attest, dass die Impfung für sie gefährlich sei. Für jene, die erst einmal geimpft sind, gibt es eine Schonfrist bis Ende Jahr.

Singapur öffnet trotz hohen Fallzahlen

Singapur hat lange eine Zero-Covid-Strategie verfolgt. Dies gelang mit strikten Auflagen und einer fast kompletten Abschottung von der Aussenwelt. Nach einer ersten Welle im Frühling und Sommer 2020, die vor allem Gastarbeiter betraf, die in beengten Unterkünften lebten, verzeichnete der Stadtstaat kaum mehr Fälle. Doch Anfang September dieses Jahres liess die Delta-Variante die Kurve steil ansteigen.

Singapur erlebt eine steilen Anstieg der Corona-Fälle

Täglich bestätigte Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner, gleitender 7-Tage-Durchschnitt

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Der Anstieg stellte den Zero-Covid-Ansatz infrage. Jetzt will die Regierung die Öffnung. Seit ein Grossteil der Bevölkerung geimpft ist, fährt die Regierung die Einschränkungen zurück. Man könne nicht ewig im Lockdown bleiben, schrieb Premierminister Lee Hsien Loong im Oktober auf Facebook, aber man könne auch nicht einfach alles sausen lassen. Man müsse lernen, mit dem Virus zu leben. Aber man versuche einen Weg zu gehen, der möglichst wenig Opfer fordere.

Dass Menschen an Covid-19 sterben, daran versuchen sich die 5,7 Millionen Singapurer erst noch zu gewöhnen: Bis vor einem Monat verzeichnete der Stadtstaat kaum Todesfälle. Seit der letzten Oktoberwoche sterben täglich etwa ein Dutzend Menschen an der Krankheit. Im internationalen Vergleich sind diese Zahlen immer noch tief.

Zu den Lockerungen gehört eine schrittweise Öffnung der Grenzen. Geimpfte Reisende aus einem Dutzend ausgewählten Ländern können eine sogenannte «vaccinated travel lane» benutzen und ohne Quarantäne nach Singapur einreisen. Dieses System soll schrittweise erweitert werden. Mit dem Nachbarland Malaysia sollen Ende Monat Flugreisen möglich werden und später auch der Übertritt über die Landgrenze. Da sich die Pandemielage in Südostasien stabilisiert, stellte das Gesundheitsministerium Anfang Woche auch Vereinfachungen für Reisen in der Region in Aussicht.

Hongkong schottet sich weiter ab – und setzt auf das Festland

Singapur versucht dank den Öffnungen, wieder seine Hub-Funktion zu erlangen, die es vor der Pandemie innehatte. Der südostasiatische Stadtstaat ist damit dem anderen grossen internationalen Hub in Ostasien, Hongkong, einen grossen Schritt voraus. Wer in der chinesischen Sonderverwaltungsregion ankommt, muss sich für drei Wochen in Quarantäne begeben. Die Zahl der Quarantäneplätze in den Hotels ist beschränkt. Die wenigen Ausnahmen, die es bisher gab, wurden gerade erst noch stärker eingeschränkt.

Der Hongkonger Regierung ist offensichtlich mehr daran gelegen, Reisen mit dem chinesischen Festland wieder zu ermöglichen als mit dem Rest der Welt. Da sich die Volksrepublik weiterhin abschottet, kann sich auch Hongkong nicht öffnen. Verhandlungen über eine Grenzöffnung und quarantänefreies Reisen zwischen Hongkong und dem Festland sind im Gang, eine schnelle Lösung scheint nicht in Aussicht. Die «South China Morning Post» berichtete, dass die Grenze zum Festland bis Juni nächsten Jahres geöffnet werden soll.

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Nov. 2021 | In Arbeit | Kommentieren