Die Linke will Konsequenzen aus ihrer Wahlschlappe ziehen. Doch ihr droht neuer Streit um (Bild) Sahra Wagenknecht – die dem direkten Gespräch selbst aus dem Weg geht. Aber Dietmar Bartsch gab seinen Anhängern zum Wochenende eine Durchhalteparole mit auf den Weg. „Wir sind noch da, wir stehen wieder auf, kommen zurück und zwar stark, geeint und entschlossen“, betonte der Linken-Fraktionschef.
Unstrittig innerhalb seiner Partei ist in diesen Tagen aber nur der erste Teil des Satzes, denn die Linke hat es nur ganz knapp in den neuen Bundestag geschafft. Ob es der Linken gelingt, sich nach der schweren Wahlniederlage wieder aufzurappeln und sich dabei nicht heillos zu zerstreiten, das ist keineswegs sicher.
„Harte innerparteiliche Kämpfe um die zukünftige Ausrichtung der Partei sind absehbar“, heißt es in einer ersten Wahlanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Um nach der verheerenden Niederlage Streit auf offener Bühne zu vermeiden, riefen Parteivorstand und Fraktionsführung die Linken auf, sich mit Äußerungen in der Öffentlichkeit zurückzuhalten. An diesem Wochenende berät der 44-köpfige Parteivorstand in Berlin auf einer Klausurtagung über Konsequenzen aus der verlorenen Wahl. „Wir müssen in erster Linie eigene Fehler analysieren“, sagte die Parteichefin Janine Wissler am Samstagabend.
Als die neue Fraktion am Dienstag erstmals zusammenkam, sei die Stimmung nachdenklich gewesen, heißt es. Anders als in der Vergangenheit hätten nicht sofort Vorwürfe im Raum gestanden, stattdessen hätten sich Abgeordnete durchaus selbstkritisch zu Wort gemeldet. „Es ging nicht um die Fehler der anderen, sondern auch um eigene Fehler“, sagt ein Fraktionsmitglied. Doch die größte innerparteiliche Kritikerin beteiligte sich an dieser Debatte nicht. Denn die Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die als Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen wieder in den Bundestag eingezogen war, erschien gar nicht erst zur ersten Sitzung ihrer Fraktion. Umso größer war der Ärger bei einigen in der Partei, als zeitgleich ein Interview veröffentlicht wurde, in dem Wagenknecht einmal mehr mit ihrer Partei hart ins Gericht ging – trotz der Aufforderungen zur Zurückhaltung.
Selbst den Wahlabend hatte sie nicht mit ihrer Landespartei in Nordrhein-Westfalen verbracht. Auf der Wahlparty in Kreuzberg tauchte sie ebenfalls nicht auf, obwohl sie in Berlin war. Aus dem „Spiegel“ konnten ihre Parteifreunde nun erfahren, dass Wagenknecht am Wahlabend mit einem Redakteur des Blattes ein italienisches Restaurant besucht hatte.
Ihre Positionen verkündet Wagenknecht lieber in Interviews und Talkshows, als sie parteiintern zu verteidigen. Im Frühjahr hatte sie in einem Buch eine „Lifestyle-Linke“ kritisiert, ihrer Partei warf sie Selbstgerechtigkeit und falsche Themensetzungen vor. Gerade die jüngeren Mitglieder, die den Klimaschutz nach vorn bringen wollen, fühlen sich von ihr brüskiert. Einige beantragten vergeblich Wagenknechts Ausschluss. Der Konflikt trug dazu bei, dass die Linke als tief zerstrittene Partei wahrgenommen wurde. „In vielen Fragen, die zentral waren, haben wir zu sehr mit unterschiedlicher Stimme gesprochen“, so Wissler.
Die Wahlniederlage könnte nun den jahrelangen Streit um Wagenknecht wieder aufleben lassen. Der Abgeordnete Alexander Ulrich, der Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz war, bemängelte den Umgang mit der Ex-Fraktionschefin. Es sei nicht richtig, eine der beliebtesten Politikerinnen in den eigenen Reihen jahrelang zu bekämpfen. Dafür habe man nun die Quittung erhalten. Dagegen kritisierte Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und Linken-Mitglied, dass Wagenknecht wenige Monate vor der Wahl eine „Abrechnung mit ihrer Partei oder Teilen ihrer Partei“ veröffentlicht habe.
Parteiches bemühen sich um Schadensbegrenzung
Die Parteivorsitzenden, die um Schadensbegrenzung bemüht sind, riefen Wagenknecht und ihre Gegner gleichermaßen zur Zurückhaltung auf. „Die Erwartung an alle unsere Mitglieder ist, dass wir gemeinsam an der Neuaufstellung der Partei Die Linke arbeiten. Das betrifft sowohl Sahra Wagenknecht als auch die Mitglieder, die Sahra Wagenknecht kritisieren“, sagte die Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow.
Es gehört im übrigen zur Ironie dieses Wahlergebnisses, dass die Linke ihren Wiedereinzug ins Parlament auch einem Mann verdankt, der zu den Wagenknecht-Unterstützern gezählt wird. Der Leipziger Abgeordnete Sören Pellmann, der neben Gregor Gysi und Gesine Lötzsch das dritte Direktmandat gewonnen hat, forderte seine Partei auf, den Streit beizulegen. „Wir sollten es sofort beenden, dass wir innerparteiliche Streitigkeiten auf einer persönlichen Ebene führen“, sagte er.
Die Linke müsse sich wieder auf das besinnen, was sie groß gemacht habe: „nah bei den Menschen“ zu sein. Dass es in vier Jahren noch einmal gelingen kann, drei Direktmandate zu holen, ist aus Pellmanns Sicht keineswegs sicher. „Aber die meisten von uns haben erkannt: Das ist jetzt die letzte Chance, die wir haben.“
Im Parteivorstand zeigte sich allerdings auch, wie tief die Gräben bei den Linken sind. Einige kritisierten das strategische Bündnis, das die ostdeutschen Reformer in der Fraktion vor Jahren mit dem Wagenknecht-Lager geschlossen hatten. Bartsch, gegen den sich diese Kritik vor allem richtete, hatte die Sitzung da bereits verlassen.