Dann aber entzündet ein Prozess den Unmut der Studenten. Und aus der altehrwürdigen Universitätsstadt wird ein Zentrum der Revolte, im Winter 1968/69 jedenfalls verwandelt sich das romantisch verschneite Heidelberg in einen brodelnden Kessel: Studenten marschieren zu Tausenden durch die Altstadt; Polizisten stürmen die Räume des AStA; In den Straßen kommt es zu Rangeleien. Die FAZ wirft die Frage auf, ob Heidelberg nicht die „Zitadelle des Aufruhrs“ genannt werden könne, nicht das Zentrum der deutschen Studentenbewegung sei – die im Rest der Republik allerdings ihren Zenit bereits überschritten hatte.

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Juni 2021 | Heidelberg, Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Senioren, Zeitgeschehen | Kommentieren

Ein Ort zum Wohlfühlen: Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner (Mitte), Dirk Rulffes, Vorsitzender des Vereins Neckarorte (links), und Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck stellen den Neckarort am Römerbad vor, der ab 2. Juli an fünf Wochenenden zur Bühne für Darbietungen aus Musik, Kultur, Sport und mehr wird. Foto: Philipp Rothe

Sowohl das Land als auch die Stadt bezuschussen die Wohlfühlorte direkt am Wasser.  Die Organisatoren, der Verein Neckarorte und die Stadt Heidelberg, können auch in diesem Sommer wieder an den Start gehen. Insgesamt werden 2021 vier Neckarorte bespielt und das erstmals zeitgleich: Römerbad, Neckarlauer, Iqbalufer und Alte Brücke. Vor allem am Römerbad schöpfen die Beteiligten aus dem Vollen: Dort wird ab 2. Juli 2021 an fünf aufeinander folgenden Wochenenden ein großes Kultur- und Kunstprogramm geboten. Möglich ist das aufgrund des Impulsprogramms „Kunst trotz Abstand!“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Das Land fördert das Projekt am Römerbad mit rund 47.000 Euro. Die Stadt Heidelberg gibt für die Gesamtaktion Neckarorte weitere Zuschüsse in Höhe von 67.000 Euro. (mehr …)

Juni 2021 | Heidelberg, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau, Metropolregion Rhein-Neckar | Kommentieren

68er – was wir wirklich woll(t)en

Zwischen Aktivismus und Hedonismus: Was haben junge Leute für Perspektiven in einer Gesellschaft, in der am liebsten alle „forever young“ wären? Über ihre Zukunft zu sprechen scheint paradox. Träfe das dann nämlich wirklich zu, wäre die künftige Gesellschaft schon in den Merkmalen sichtbar, die ihre gegenwärtige Jugend charakterisieren.

Man müsste solche Merkmale – beispielsweise politische Skepsis oder Aktivismus, Karriereorientierung oder Hedonismus – nur verlängern, um ein Bild der nächsten Zukunft zu bekommen. Die Zukunft der Jugend wäre dann nicht viel mehr als ihre entfaltete Gegenwart. Entsprechend werden die berühmten „Jugendstudien“, Umfragen also unter Schülern und Studenten, gern mit sorgenvollen Blicken darauf gelesen, ob die aus der gegenwärtigen Jugend herausdestillierte Zukunft den „Alten“ auch wünschenswert erscheinen kann.

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Juni 2021 | Allgemein, Essay, Junge Rundschau, Politik, Senioren, Zeitgeschehen | Kommentieren

Lassen wir das Ringen um den demokratischen Rechtsstaat auf der kommunalen Bühne noch einmal – letztmals – zu Wort kommen. In Heidelberg fing 1968 mit der demonstrativen Kennzeichnung von NPD Plakaten (und das Gerangel mit der Polizei) an, nachdem wir in der Nacht zuvor dabei ertappt und in eine Zelle verfrachtet worden waren …
Was ist von der Studentenbewegung geblieben? Die Revision einer linken Geschichte: Um 1968 liegt ein Vorhof von Imperativen. Etwas Unerledigtes dauert fort. Keine andere Episode der Bundesrepublik hatte, merkwürdig genug, die Kraft, einen derart frisch gereizten Furor auszulösen. Typischer hingegen sind eher Selbstironie, sarkastische Tonlage und – ja, doch! – gute Laune. Die narzisstische Mitgift von 68, die Selbstachtung, muß man dankbar eingestehen dürfen.

Hier nun aber interessiere das Unerledigte: Was hält 68 – manchmal noch – aktuell,
was löst immer noch Verurteilungszwänge aus? „Prima Klima“ …

In den vergangenen Jahrzehnten gab es nur einen, allerdings sehr ambitionierten Versuch, sich mit der 68er- Erbschaft kritisch auseinanderzusetzen: den (auch schon wieder lange her) Kongress „Prima Klima“ 1986 in Frankfurt. Meine Erinnerung an die Vordiskussionen ist stärker als die an den Kongress selbst. Da war es wieder, das Gefühl der Teach-ins, der SDS-Debatten: die Intensität, die langen Redebeiträge.

Auf dem Kongress selbst war der Appell zur Selbstkritik, ja doch, ein ceterum censeo. Von Anfang an gab es zwei gegenläufige Motive, beschworen wurde das Gespenst einer zweiten Restauration: Der lange Marsch sei, war zu hören, nicht durch die Institutionen gegangen, er drohe heute vollends in ihnen, in der brüchigen, destruktiven Normalität des Alltags zum Erliegen zu kommen. Die Gegenposition: Die Rede vom Scheitern der 68er und vom alles erstickenden Zeitgeist der BRD sei falsch. Dem Selbstkritikappell stellte sich allein Christian Semler SDS. Ziemlich tonlos räumte er „unverzeihliche Fehler“ ein und betonte, man habe die Demokratiebewegung in Osteuropa unterschätzt. Er war der Einzige, der Osteuropa überhaupt erwähnte.

Es war ein typischer 68er-Kongress: Die unerledigte Vergangenheit lastete wie ein Bann über ihm. Dass nur drei Jahre später das vertraute Gebäude unserer Welt zusammenbrechen und mit dem Mauerfall eine neue Zeitrechnung beginnen würde, schien kein Redner auch nur zu ahnen. Der Saal leerte sich, und übrig blieb die Frage, wer den Müll beseitigt.

Dutschkes Stimme

All Jene, die heutzutage meinen, die 68er seien an allem schuld, und sich jetzt anstrengen, den Mythos endgültig auszuradieren, sind aber allenfalls Epigonen der 68er. Die Selbstliquidation begann schon 1969. Die K-Gruppen stellten sich ausdrücklich gegen alles, was vorher war. Die „kleinbürgerlichen“ Studenten mit ihren „links- oder rechtsopportunistischen“ Verirrungen mussten „überwunden“ werden. Die Spaltung verschlang auch das Private, ich verlor mit einem Schlag viele Freunde:  Bei Axel Springer  – mit Hans Joachim Schoeps – 1969 im Klenderhof in Campen auf Sylt sechs Wochen zu Gast gewesen zu sein,  und zudem die Heidelberger Genossen über mit Springer gehabten undogmatischen und langen nicht nur politischenGesprächen, über die ich berichtete, genügte.
Die gerade noch langhaarigen Genossen hingegen kehrten im Namen des Proletariats zum Façonschnitt zurück und widmeten sich ihrer täglichen zwölfstündigen Parteiarbeit.

Welch traurige Grotesken die Linientreue hervorbringen konnte, zeigte die große Vietnamdemonstration im Januar 1973 in Bonn, zur Zeit der Tet-Offensive des Vietkong. Rudi Dutschke sollte erstmals nach dem Attentat auf ihn wieder reden. Die Demonstranten jubelten, als sie seine Stimme, die Stimme von 68, wieder hörten. Aber die K-Gruppen-Organisatoren hatten ihm das Ehrenwort abgezwungen, nicht wieder die Studentenbewegung auszurufen. Anstelle der „Sieg im Volkskrieg“-Arien warnte er nun vor der Möglichkeit einer Niederlage. Hinter ihm stand ein Partei-Aufpasser, der laut den Ablauf seiner Redezeit skandierte.

Ab 1969 trieb die Bewegung in die krude Alternative: Organisation oder Gewalt

Der Wirklichkeitsverlust der Haschrebellen- oder Tupamaro-Milieus konnte dabei mit den Kaderorganisationen durchaus mithalten. Hier beginnen die schwarzen Löcher vieler Biographien. Als sich die RAF gründete, gab es – was Wunder – auch wieder richtige und falsche Genossen. Die Richtigen lieferten Geld, Wohnungen, Pässe; die Mehrheit machte aus gesunder Skepsis nicht mit. Aber viele hatten den Boden unter den Füßen verloren. „Die Bewegung“ verarmte politisch, aus der Gesellschaft wurde das „Schweinesystem“: Die politische Sprache infantilisierte oder erstarrte im Parteikauderwelsch. Radikalere Dementis der antiautoritären Lust an der Kritik sind kaum denkbar.

Problematisch ist dabei, dass der radikal-obsessive Bruch unbegriffene Kontinuitäten erleichterte. Tradiert wurden gleichwohl Solidaritätszwang, Feindbilder, Opferkult, Ausblendung der Mehrheitsgesellschaft und die Neigung, den Minderheitenstatus zu verewigen. Unerschütterlich auch die Links/Rechts-Trennung, verbunden mit der Überzeugung, links seien die besseren Menschen.

Linienkämpfe in den Metropolen vs. 68er in der Provinz

Buchreihe der Stadt Heidelberg. Bd. 13. Edition Guderjahn. 2009. ISBN 978-3-89735-598-9. EUR 24,80

Buchreihe der Stadt Heidelberg. Bd. 13. Edition Guderjahn. 2009. ISBN 978-3-89735-598-9. EUR 24,80

Ironie der Geschichte: Während in den Metropolen Berlin, Frankfurt und Hamburg die Linienkämpfe tobten, eroberte 68 die Provinz. Der Impuls der antiautoritären Bewegung zersetzte den Obrigkeitsstaat; die lebensreformerische Tendenz und ihre Institutionen, die WGs, Kinderläden und Stadtteilgruppen pflanzten sich ungebrochen fort. Als die alte Bundesrepublik zu Ende ging, erkannte die westdeutsche Linke, dass es immer ihre Republik gewesen war, die nun vergoldet in der Abendsonne aufleuchtete.

„Für eine bessere Zukunft

Die Datierungsfrage ist keine Pedanterie: „68“ war 67. Bis dahin hatte links von der SPD das politische Nichts gelegen, der SDS besetzte diese Stelle. 1967 war noch alles zusammen: Die große Welle des Aufbegehrens, die Auseinandersetzung auf der Straße, Teilhabe an den weltweiten Protestbewegungen, neue Lebensformen. Auch die Gewaltfrage (gegen Sachen und/oder Paersonen) war präsent.

Aber es ging noch um „Gegengewalt“, und das wurde auch so verstanden. Der 2. Juni und der Tod von Benno Ohnesorg waren der große Schock. Nie wieder hat es soviel Kritik, Aufklärung und gemeinsame intellektuelle Anstrengung gegeben wie nach diesem Schock. Aus der antiautoritären Bewegung war unversehens eine politische Kraft geworden.

68 selbst war ein Jahr des Übergangs. Der internationale Vietnamkongress gab das Gefühl eines globalen Zusammenhangs. Das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April provozierte den Angriff auf die Springerzentrale – und uns, in Esslingen die Auslieferung (immerhin einer ganzen Ausgabe, die Im Neckar landete oder in uns von Wasserwerfern der Polizei durchnässte) wärmende Flammen der Bildzeitung zu verhindern …

Die Osterunruhen wurden als emanzipatorische Gewalterfahrung gefeiert

Die SDS-Parole „Vom Protest zum Widerstand“ mobilisierte auch die Provinz. Der Zulauf der „revolutionären“ Lehrlinge und jungen Arbeiter wurde bejubelt, nun zählten allein die „Etappen“ des Kampfes. Im November wurden bei der „Schlacht am Tegeler Weg“ mehr Polizisten als Demonstranten verletzt. Die „Etappen“-Philosophie verlangte, das „Militanz-Niveau“ festzuhalten. Hellmut Gollwitzer riskierte viel, als er die Trennung von „Gewalt gegen Sachen“ und „Gewalt gegen Menschen“ vorschlug. Die Angst war größer, dass die Chance, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, durch ein Innehalten vertan werde. Das große Gefühl war verflogen, es begannen die privaten Tragödien.

Ohnmacht = Allmacht = Macht?

Wir waren weder als narzisstische Egomanen determiniert, den Totalitarismus unserer Väter zu wiederholen, noch können wir uns vom bitteren Nachher distanzieren. Es waren die Erfahrungen von 68 selbst, das exzentrische Glück, die unverhoffte Möglichkeit einer besseren Welt, die uns überwältigt hat. Selbst die Gewalt hatte etwas zu tun mit dem gewalttätigen Festhalten an dem einzigartigen Gefühl, dass sich der Horizont öffnet. Dass es oft die besten Motive sind, die am schrecklichsten pervertieren können, dass vor allem aus dem Guten das Böse entspringt, ist noch heute schwer zu akzeptieren. Selbstkritik aber muss beides zusammen sehen, die große Erfahrung und ihre bestürzenden Verwandlungen.

Das große Gefühl: Nein, kein Hedonismus.

Die Männer erstrahlten in juveniler Virilität, die Frauen aber entdeckten schnell, dass sie in Wahrheit grüne Jungs waren. Die legendäre Kommune 1 war nicht hedonistisch, sondern leistungsorientiert. Genial, wie sie begriff, dass sie Projektionsfläche für die unruhige Jugend war, und damit politisch spielte.

Das große Gefühl war etwas anderes. Richtig ermessen kann es nur, wer den Gefühlsabsturz danach erlebt hat. Bis zum 2. Juni 67 waren unser Lebensgefühl und unsere zeitgeschichtliche Analyse ziemlich identisch: Als radikale außerparlamentarische Opposition hatten wir keine Chance. Die „Spiegel“-Affäre, die geplanten Notstandsgesetze, die Große Koalition, der erste Tote: Wir standen mit dem Rücken zur Wand. Und dann begann die Welt, sich um uns zu drehen. Plötzlich waren wir es, die die Politik zu Reaktionen zwang. Die Wende von der Ohnmacht zur Allmacht: Wir konnten tatsächlich unsere eigene Geschichte schreiben. Das Gefühl verstärkte sich, als die enthusiastische Erfahrung sexueller Befreiung hinzukam. Was Wunder, dass unsere Augen blitzten.

Der große Zusammenhang

Eine Doppelhelix der sich gegenseitig steigernden Revolutionserwartung bannte uns. Die Revolte in der ganzen westlichen Welt. Die Kulturrevolution. Dutschke proklamierte, Che sei aufgebrochen in den Urwald. Und wohin brechen wir auf? Wir waren frei vom Sog der Nazi-Vergangenheit, wir gehörten der Welt. Der „Viva Maria“-Film lehrte, dass die Inszenierung der Revolution die Revolution macht. Der revolutionäre „Prozess“ ging auch in die Tiefen der Kindheit. Es galt, die „autoritäre Persönlichkeit“ zu zerstören. Es war ein Trip. Die Realität zerschlug diesen großen Zusammenhang. Wir revidierten ihn nicht wirklich, sondern trugen eine Verlusterfahrung weiter. Vielleicht gab es eine Scham über den Abflug in den Trip.

Der große Erfolg

Apologien sind langweilig. Die Erfolge von 68 liegen irgendwo zwischen dem Satz „Die 68er sind an allem schuld“ und der These, dass 68 nur eine Randerscheinung eines gesellschaftlichen Umbruchs war. Dass „Nachgeborene“ freilich mit einem Gefühl politischer Impotenz studieren, wenn sie an 68 denken, kann auch nicht froh stimmen.

Ohne Freude am Paradox ist eine ernsthafte Beschäftigung mit 68 allerdings kaum denkbar. Die List der Geschichte war zumindest so mächtig wie die Revolte: 68 scheiterte an dem, was es wollte, und war erfolgreich mit dem, was es nicht wollte. Wir bekämpften die repräsentative Demokratie und ernteten eine gestärkte repräsentative Demokratie. Wir bekämpften den Staatsapparat und bekamen eine liberale Staatsgewalt. Die obrigkeitshörige Beamtenschaft und der Untertanengeist verschwanden. Die Revolte strapazierte – und vitalisierte – die formale Demokratie. Mithin ist die Rede von 68 als zweiter Gründung der Republik nicht ganz falsch, es ereignete sich so etwas wie eine nachholende Jugendzeit der Republik. Und Deutschland erlangte ganz nebenbei eine europäische Normalität.

Natürlich sind da auch lineare Erfolgsgeschichten wie die Frauenbewegung oder die Veränderung der Kindererziehung, die mit den Kinderläden begann. Die größten Wirkungen von 68 finden sich bei Verhaltensnormen, Lebensformen, Bildung und Sozialpolitik. Hier entstand ein mixtum compositum aus alternativer Kultur und Sozialstaat. Der Staat sollte Kreativität freisetzen, jugendliche Delinquenten nur therapieren und Einzelfallgerechtigkeit herstellen; Ausländer retteten uns vor dem Deutschsein; Eltern versagten nicht, sondern brauchten finanzielle Zuwendungen, Schulschwänzen war keine Frage der Disziplin, sondern der Therapie. Ein unübersehbarer Teppich von Initiativen, Beratungen, Kommissionen, Forschungen breitete sich aus. Gegen den damit verbundenen Freiheitsverlust und die zunehmende Macht der Sozialbürokratie gab es kaum Proteste. So kann man streiten, ob die Linke größere Probleme mit dem unerledigten 68 oder mit ihren Erfolgen danach hat.

Das große Scheitern

Generationenverantwortung – kann es so etwas geben? Vielleicht hätten Spott und Hohn über die Prediger des bewaffneten Kampfes Schlimmeres verhindert.

Was fingen wir mit den Chancen an, die sich durch die Amnestie der sozialliberalen Koalition eröffneten? Ich kann mich an keine einzige Debatte erinnern, bei der – wenigstens theoretisch! – die ausgestreckte Hand auch nur prüfend berührt worden wäre. Als dann die Regierung Brandt in die Defensive geriet und „Berufsverbote“ erteilt wurden, gingen die wieder verloren, die vorher durch die Amnestie gewonnen werden konnten. Ein historischer Moment, von beiden Seiten verspielt. So blieb das kritische Potential draußen, auch die SPD verlor eine ganze Generation.

Es begann der lange Weg zur Gründung der Grünen – wer hätte auch nur ahnen wollen, dass die eines Tages mit der CDU gemeinsame Sache machen würden, dass sie so werden würden, wie sie geworden sind – es begann die „Erfolgsgeschichte“ der 68er bei der Umgestaltung der Gesellschaft.

Verblasst damit langsam die Generationsverantwortung? Ich glaube, es hatte Folgen, dass 68 zwar ständig negiert oder „überwunden“, nie aber politisch beendet wurde. So entfalteten wir unser Gutmenschenparadies. Privat lästerten wir über die verbrauchte Luft und die sprachlichen Verrenkungen. Aber in diesem alternativen Milieu lebten wir auch ganz gern, in der die Generationen sich duzten. Es versprach uns andauernde Jugend und die Vermeidung der Realitätsprüfungen des Erwachsenseins.

Es ist also nicht verwunderlich, dass nach 68 keine neue Generation politischer Intellektueller angetreten ist. Noch immer bewachen die greisen Überlebenden der Gruppe 47 die Schützengräben der Political Correctness in der Literatur. Im Unterschied zu Frankreich, wo nach dem Pariser Mai André Glucksmann und andere einen Generationswechsel unter den Mandarinen durchsetzten, bestimmten in Deutschland nie die 68er die großen Debatten der Nation. Denn wo waren die intellektuellen Dissidenten unter den Maoisten, die die Verbrechen der Kulturrevolution und des Stalinismus auf die Tagesordnung setzten? Waren nicht die boat people unsere Sache – zu schweigen von Pol Pot und den killing fields? Die Kap Anamur entlastet da nicht. Warum suchten wir nicht den öffentlichen Streit? Etwa wieder die alte Angst vor dem falschen Beifall?

Nun hat sich der Zeitgeist gewendet. Es ist unser Schleier, der zerreißt, unsere Werte schlagen ins Gegenteil um. Die Kids sagen jetzt „Du Opfer!“, wenn sie Blödmann meinen. Das ist das Ende unserer Opferkultur. Wir spüren, dass die soziale Kälte nicht von den Neoliberalen, sondern aus dem Herzen des Sozialen kommt. Unsere multikulturelle Toleranz lief zumeist auf Nichtwissen und Indifferenz hinaus. Und als die Mauer fiel, erkannten wir in den Bürgerrechtlern von 1989 zwar unseresgleichen wieder. Aber wir verübelten, dass sie unsere Welt zerstörten. Das gemeinsame Interesse hätte gewesen sein müssen, das große Thema der Wiedervereinigung zu debattieren: das Verhältnis von Freiheit und Gleichheit.

Das unheilige Paar

Seis drum, die Geschichte ist geschehen. Dazu, dass es sich in Deutschland gut lebt, dass ein stabiles, pragmatisches, konsensorientiertes und außerordentlich demokratisches Land entstanden ist, haben wir (ja, ohne das wahrscheinlich s o gewollt zu haben) viel beigetragen. Und für Revisionen unserer Geschichte ist es nicht zu spät. Diese Mühe erlaubt es dann auch, die schöne Seite dieser Zeit unverstellt zu erkennen.

Wie nervtötend ist es, dass die erinnerungsgeilen Medien immer wieder das schreckliche Paar Andreas Baader/ Uschi Obermaier aufrufen? Natürlich, Sex & Crime, das geht. Wir, die wir unsere Sache nicht erledigt haben, dürfen uns ärgern. Aber protestieren? An der Entsublimierung von Sexualität und Gewalt waren wir nicht ganz unschuldig.

Juni 2021 | Zeitgeschehen | Kommentieren

Der gesetzlichen Rente drohen „schockartig steigende Finanzierungsprobleme“ – und zwar schon ab 2025, in nur vier Jahren. Davor warnte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium vergangene Woche in einem Gutachten. Es brauche Reformen, etwa eine höhere Altersgrenze, sonst könnten die Zuschüsse in die Rentenkasse bald den Bundeshaushalt „sprengen“.

Die Reaktion fiel heftig aus. Olaf Scholz, Vizekanzler, Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat, etwa behauptet, die Wissenschaftler hätten „falsch gerechnet“, ihre Lösungsvorschläge seien „unsozial“, und überhaupt wolle er das Thema lieber mit „echten Experten“ diskutieren. Ist also alles ein Irrtum? Gibt es gar kein Problem mit der Rente?

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Juni 2021 | In Arbeit | Kommentieren

In der Heidelberger Altstadt, auf der Neckarwiese und in Teilen Bergheims gilt ab Freitag, 18. Juni 2021, jeweils an den Wochenenden ein nächtliches Alkoholverkaufs- und -konsumverbot. Die Stadt Heidelberg hat hierzu in enger Abstimmung mit dem Polizeipräsidium Mannheim eine Allgemeinverfügung erlassen. Jeweils in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag gilt von 23 Uhr bis 6 Uhr zunächst ein Alkoholverkaufs- und abgabeverbot. Eine Stunde später – jeweils von 24 Uhr bis 6 Uhr – folgt ein Alkoholkonsumverbot für den öffentlichen Raum im Geltungsbereich. Der Ausschank in der konzessionierten Gastronomie, also der Verzehr an Ort und Stelle, ist davon ausgenommen. Zudem wird das nächtliche Aufenthaltsverbot für die Neckarwiese fortgesetzt – es beginnt aber künftig zwei Stunden später. Der Aufenthalt ist dann an den Wochenenden von 24 Uhr bis 6 Uhr verboten. Der vollständige Text der Allgemeinverfügung kann unter www.heidelberg.de eingesehen werden. (mehr …)

Juni 2021 | Heidelberg, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau | Kommentieren

Immer für ein Stückchen Maskerade gut. H.C. Artmann

Es dürfte eines der schillerndsten Selbstporträts der neueren Literaturgeschichte sein, das H. C. Artmann 1964 seinem schwedischen Tagebuch voranstellte: „Meine heimat ist Österreich, mein vaterland Europa, mein wohnort Malmö, meine hautfarbe weiß, meine augen blau, mein mut verschieden, meine laune launisch, meine räusche richtig, meine ausdauer stark, meine anliegen sprunghaft, meine sehnsüchte wie die windrose, im handumdrehen verdrossen, ein freund der fröhlichkeit, im grunde traurig …“

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Juni 2021 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren

„Naftali ist ein Lügner“ stand auf Plakaten bei der nationalistischen Demo in Jerusalem über den neuen Premier

Anderswo haben Regierungen hundert Tage Schonfrist. In Israel ist für solchen Luxus kein Platz. Nur 48 Stunden nachdem das Kabinett Bennett sein Amt angetreten hatte, schlugen die Flammen hoch. Israels Armee bombardierte Ziele im Gazastreifen.
Es waren zwar die ersten Luftangriffe in Gaza seit Beginn der Waffenruhe vor gut drei Wochen. Das Ende der Feuerpause hatte die Hamas aber schon vergangene Woche eingeläutet, indem sie regelmäßig Brandballons über die Grenze schickte. Für die Hamas sind die Ballons ein effizientes Mittel der Provokation: Sie sind billig, das Abwehrsystem Iron Dome ist machtlos gegen sie, und im Juni sind die Felder der grenznahen Kibbuzim dürr genug, um rasch Feuer zu fangen. Vor allem aber erhofft sich die Hamas spektakuläre Bilder von Rauchsäulen auf israelischem Territorium: So kann man aufwandslos Macht demonstrieren, ohne gleich den Casus Belli vorzulegen. (mehr …)

Juni 2021 | Allgemein, In vino veritas, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren

Mesopotamien: Zunächst bestand die Schrift aus Bildsymbolen, später wurde sie abstrakter.

Fragen Sie Alexa, sie weiss – fast – alles. Und wenn Sie sie fragen, weiss sie auch, was Sie wissen wollten. Das kann von Interesse sein, zum Beispiel für den Staat – für den notabene die Corona-Krise ein soziologisches Grossprojekt ist. Auch Tech-Konzerne haben dank ihren Analysewerkzeugen eine hochauflösende Sicht auf die Gesellschaft. Bedroht das die Souveränität? Der Staat hat in seiner Entstehungsgeschichte schon immer «Daten» seiner Bürger gesammelt – in analoger Form. Bereits in Mesopotamien wurden um 3000 v. Chr. Kreditverträge in Keilschrift dokumentiert und von der Tempelverwaltung archiviert – als eine Art amtliches Schuldverzeichnis.

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Juni 2021 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Junge Rundschau, Forschung | Kommentieren

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Juni 2021 | Heidelberg, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Metropolregion Rhein-Neckar, Rhein-Neckar-Kreis | Kommentieren

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