Oder: Nichts ist unmöglich?  Aber dann doch bitte lieber gleich: Toyotaaa!

Zu spät gemeldete Einkünfte bringen die Grünen in die Defensive. Kanzlerkandidatin Baerbock verliert bereits an Zustimmung – und das könnte erst der Anfang sein. Meinungsforscher sehen angesichts der Debatte um die Nebeneinkünfte der Grünen die Möglichkeit, dass die Partei in der Wählergunst zurückfällt. „Die Häufung von Kritik über einen längeren Zeitraum kann zum Absturz führen“, sagte Hermann Binkert, Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa.
So weit sei es bei den Grünen zwar aktuell noch nicht. „Aber ein Tropfen kann das Fass zum Überlaufen bringen.“ Und dann schade den Grünen auf einmal auch der Umstand, dass sie von manchen überbewertet wurden. „Umso deutlicher erscheinen dann die Verluste“, so Binkert.

Derteit liefern sich die Grünen mit der Union in Umfragen auf Bundesebene noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen. „In einigen westlichen Bundesländern haben die Grünen die Union aber schon überholt“, erläuterte der Meinungsforscher. Aber er erinnert an das Wahljahr 2013. Sehr lange erlebten die Grünen damals einen Umfrage-Höhenflug. Weder ihre Steuererhöhungspläne noch eine Pädophilie-Debatte habe ihnen etwas anhaben können. „Dann kam der Veggie-Day-Vorschlag, und die Grünen brachen ein.“

Auch Forsa-Chef Manfred Güllner sieht mögliche Probleme auf die Partei zukommen. „Es ist durchaus eine große Gefahr für die Grünen, wenn das bislang positive Bild von Annalena Baerbock zerpflückt wird“, so Güllner. „Viele der möglichen Wähler sind bislang nur Grünen-Sympathisanten, aber keine Grünen-Stammwähler und könnten wieder ins Unions-Lager zurückwechseln.“

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Die Grünen stellten sich immer als „große Idealisten“ dar, erläuterte Güllner, da würden solche Fehler besonders kritisch bewertet. Die CSU hingegen „hatte immer ihre Amigo-Affären, da erwartet man nichts anderes“.
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Am Mittwoch war bekannt geworden, dass Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock der Verwaltung des Bundestags Sonderzahlungen nachgemeldet hatte, die sie in den vergangenen Jahren als Bundesvorsitzende von ihrer Partei bekommen hatte. „Das war ein blödes Versäumnis“, sagte Baerbock am Donnerstag dem Handelsblatt. „Und klar, ich habe mich darüber“ – was Wunder – „selbst wahrscheinlich am meisten geärgert. Als es mir bewusst wurde, habe ich es sofort nachgemeldet.“

Vorgeblich „bloße Schlamperei wird zum moralischen Bumerang“

Unmittelbar danach wurde bekannt, dass auch Ex-Parteichef Cem Özdemir dem Bundestag Sonderzahlungen nachmelden musste. Özdemir habe im Mai Weihnachtsgeld für die Jahre 2014 bis 2017 in Höhe von insgesamt 20.580,11 Euro nachgemeldet, nachdem ihm und seinen Mitarbeitern aufgefallen sei, dass dies versehentlich noch nicht erfolgt sei, teilte sein Büro am Donnerstagabend mit. Er sei dazu nicht von der Bundestagsverwaltung aufgefordert worden.

Ein weiterer Blick in die Vergangenheit, jenseits von Özdemir, fördert nichts Verdächtiges zutage: Das Büro von Claudia Roth, die von 2004 bis 2013 Parteichefin war und zugleich auch Bundestagsabgeordnete, teilt am Freitag auf Anfrage mit, dass Roth in den Jahren 2011 und 2012 eine Sonderzahlung als Weihnachtsgeld erhalten und diese „fristgerecht dem Bundestagspräsidenten gemeldet“ habe.

Der Generalsekretär der FDP, Volker Wissing, kritisierte, dass die Grünen Baerbock eine Prämie für erfolgreiche Wahlkämpfe gewährt haben. „Dass es aus Sicht der Grünen erforderlich ist, zur Motivation des eigenen Führungsteams ein Boni-System zu etablieren, wie man es sonst eher aus dem Investmentbanking kennt, befremdet“, meinte Wissing dazu. „Offensichtlich ist man bei den Grünen der Meinung, dass es für ihr Führungspersonal besonderer Anreize bedarf, um diese zu einem engagierten Wahlkampfeinsatz zu motivieren.“
Laut Parteiangaben erhält Baerbock wie auch andere Mitarbeiter der Grünen-Bundesgeschäftsstelle Sonderzahlungen, etwa in Jahren erfolgreicher Wahlkämpfe wie im Europawahljahr 2019 – oder im vergangenen Jahr der Coronakrise wegen.
Wissing dazu: „Frau Baerbock und die Grünen müssen sich die Frage stellen, ob der Umgang ihrer Spitzenkandidatin mit ihren finanziellen Angelegenheiten angemessen für eine Politikerin ist, die sich um das Amt der Bundeskanzlerin bewirbt.“
Aus Sicht des Passauer Politikwissenschaftlers Heinrich Oberreuter zeigt die Debatte um die verspätete Meldung von Sonderzahlungen, dass die Grünen „nicht derart moralisch vollkommen sind wie der Ruf, den sie genießen und beanspruchen“. „Wer gerne mit Steinen wirft, merkt auf einmal zu spät, dass er selbst im Glashaus sitzt“, so Oberreuter. Und „dann wird aus hier öffensichtlich vorliegender bloßer Schlamperei“ in der Tat:  „zum moralischen Bumerang.“

“ … und auf einmal hinten“

Baerbocks Vergesslichkeit und ihr Umgang damit bremsen den Höhenflug der Kanzlerkandidatin bereits. Dem „ZDF-Politbarometer“ zufolge liegt sie im direkten Vergleich mit CDU-Chef Armin Laschet und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf einmal hinten. Ihre persönlichen Beliebtheitswerte sanken auf den bislang niedrigsten Stand, sie liegt mittlerweile sogar weit hinter Co-Grünenchef Robert Habeck.
Es liege nun mal in der Natur der Sache – schätzt Forsa-Chef Güllner – dass,  je näher der Wahltag rücke, desto genauer von den Wählern Vor- und Nachteile der Kandidaten abgewogen würden.
„Sollen sie wirklich Baerbock, die eher für die Moderne steht, aber keine Regierungserfahrung hat, ins Kanzleramt wählen? Oder setzen sie nicht doch auf den Unions-Kandidaten Laschet, oder den von der SPD ins Rennen geschickte Scholz zm die zwar altmodisch, aber verlässlich sind?“

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„Das war ein blödes Versäumnis“: Baerbock räumt Fehler bei Nebeneinkünften ein

Mai 2021 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren