Maskenpflicht: Obenrum frei
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Ein kleines, grünes Gesicht, selig zusammengekniffene Augen, ein Lächeln: So sieht der Smiley für Covid-Geimpfte auf der Homepage der US-Seuchenschutzbehörde CDC aus. Er findet sich neben 13 Aktivitäten, etwa Freunde treffen, auf Konzerte oder ins Kino gehen, im Restaurant essen, einen Gottesdienst besuchen oder sogar in einem Chor singen. All das dürfen vollständig Geimpfte un in den USA wieder. „Wir alle haben diesen Moment herbeigesehnt“, sagte Rochelle P. Walensky, die Direktorin des CDC, vor Kurzem: „Wenn Sie vollständig geimpft sind, können Sie nun wieder die Dinge tun, auf die Sie wegen der Pandemie verzichten mussten.“
Zwar gibt es Ausnahmen, etwa beim Arzt, in Krankenhäusern, Pflegeheimen, öffentlichen Verkehrsmitteln und an Flughäfen und Bahnhöfen. Ebenso kann eine Maskenpflicht regional von den entsprechenden Behörden, Arbeitgebern oder Geschäften vorgeschrieben werden. Doch in den USA deutet sich an, was irgendwann hoffentlich weltweit der Fall ist: eine überwundene Pandemie Für US-Präsident Joe Biden war die Aufhebung der Maskenpflicht dann gar ein „Meilenstein.“
Und in Deutschland? Auch hierzulande soll laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Maske irgendwann fallen. Unlängst sagte er der Bild, die Maskenpflicht in Deutschland ende dann, „wenn sich jeder problemlos impfen lassen könnte, weil genug Impfstoff für alle da ist. Das ist für mich definitiv ein Zeitpunkt.“ Bis dahin, davon hatte Spahn bereits zuvor bei einem Besuch in einem Hamburger Impfzentrum gesprochen, werde es eine „Übergangsphase“ geben, in der Geimpfte aus Solidarität weiter Masken tragen müssten. „Maskentragen ist nervig, aber wir sprechen hier nicht von Jahren, sondern von Wochen und Monaten.“ Es scheint also absehbar, auch wenn Spahn einschränkend sagte, eine Maskenpflicht in gewissen Situationen, etwa in engen Räumen oder der U-Bahn, „für den nächsten Winter“ wolle er nicht ausschließen.
Sieben-Tage-Inzidenz
Dass noch eine Weile an der Maskenpflicht festgehalten wird, ergibt durchaus Sinn. Denn im vergangenen Jahr hat sich zunehmend der wissenschaftliche Konsens herausgebildet, dass Masken schützen, vor allem andere, ein Stück weit aber auch einen selbst (zum Beispiel Frontiers in Medicine: Coclite et al., 2021). Sie sind zwar nicht so wirksam wie das Vermeiden von Kontakten oder Impfungen, dafür sind sie günstig und bedeuten kaum eine Einschränkung. Ihr Effekt ist moderat, aber universell, was sie zum idealen Helferlein in dieser Pandemie macht. Für die Aufhebung des einfachen Solidaritätshebels Maske ist zentral, ob diejenigen, die sie nicht mehr tragen müssen, noch eine Gefahr für andere darstellen. Im Falle der amerikanischen Regelung heißt das: Sind Geimpfte noch eine potenzielle Gefahr für Ungeimpfte? Können sie sich noch anstecken und dann selbst ansteckend sein?
dass der Vorstoß in den USA sinnvoll ist.
Und tatsächlich zeichnet sich, was diese Frage angeht, eines immer deutlicher ab: Geimpfte stecken sich nicht nur wie erwartet sehr viel seltener mit Covid-19 an, sondern sind, falls sie es tun, auch weniger ansteckend. So bezog sich das CDC in seiner Begründung für die neuen Freiheiten auf eine Studie, an der geimpfte Beschäftigte aus dem US-Gesundheitswesen teilnahmen. Die bestätigt die Wirksamkeit der Impfstoffe und zeigte, dass die Präparate von Pfizer/BioNTech und Moderna das Risiko, sich zu infizieren, um 94 Prozent senkten. Selbst die erste Impfdosis bot einen 82-prozentigen Schutz. (MMWR: Pilishvili et al., 2021). Eine Studie aus Israel, in der die Daten der ersten vier Monate der israelischen Impfkampagne ausgewertet wurden, kam zu dem Ergebnis, dass der Impfstoff von Pfizer/BioNTech eine 95-prozentige Schutzwirkung hat (The Lancet: Haas et al., 2021). Eine andere Studie aus Israel zeigte, dass sich Menschen, die sich trotz Impfung noch infizierten, eine bis zu viereinhalbfach geringere Viruslast hatten – und damit „eine potenziell geringere Infektiosität“, so die Autorinnen und Autoren (Nature: Levine-Tiefenbrun et.al., 2021). Auch eine Preprint-Studie aus Großbritannien deutet darauf hin (Preprint – MedRxiv: Pritchard et al., 2021).
Viele Wissenschaftler sind skeptisch
Andere Wissenschaftler sind da vorsichtiger. Der Impfstoffforscher Leif Erik Sander von der Charité sagte vor Kurzem zu ZEIT ONLINE: „Es scheint einzelne Menschen zu geben, die sich trotz Impfung infizieren, sehr hohe Viruslasten haben und deshalb möglicherweise auch sehr infektiös sind.“ Und wen es da genau treffe, das wisse man noch nicht. Claudia Denkinger, Leiterin der Sektion Klinische Tropenmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg, hält den US-amerikanischen „Vorstoß nicht für sinnvoll, weil er das Public-Health-Konzept untergräbt. Personen, die ein Risiko haben, können sich nicht immer schützen. Und solange noch viel Virus zirkuliert, sollten alle Maske tragen.“ Auch Dr. Peter Walger, Sprecher des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, sagt: „Die amerikanische Entscheidung ist zu früh, sie ist eher eine Antwort auf den republikanischen Druck, die man nur politisch interpretieren kann, nicht hygienisch.“
Auf Deutschland könne man die Situation ohnehin nicht übertragen, sagt Walger, was in erster Linie an der geringeren Impfquote liege. „Wir werden hier noch länger einen vulnerablen Bevölkerungsanteil haben, der sich infizieren kann“, eine hohe zweistellige Millionenzahl. Die Maske sei „das beste Schutzmittel, das wir haben, bis die Herdenimmunität da ist“. Und so ist sich Walger sicher: „Die Maske wird uns noch eine Weile begleiten. Aber es gibt Situationen, in denen sie nicht nötig ist. Draußen etwa war sie schon immer in den meisten Fällen überflüssig.“ Ausgenommen vielleicht, wenn man anderen sehr nahe kommt, etwa in einem dichten Gedränge.
Walger kann sich gar vorstellen, dass die Masken auch über das Ende von Corona hinaus in unseren Leben präsent bleiben werden. „Wir merken einen extremen Effekt der Hygienemaßnahmen auch abseits von Corona. Wir haben keine Grippe, keine Norovirus-Welle. Das ist eine Art Kollateralnutzen.“ Walger sagt, er könne sich vorstellen, dass die Masken uns auch nach Corona bleiben, zumindest in Situationen mit vielen Menschen auf engem Raum.
Der Ausblick ist dennoch optimistisch. Denn die Impfkampagne nimmt Fahrt auf, die Inzidenzen sinken, es gibt Licht am Ende des Tunnels. „Wir sind auf einem guten Weg. Aber man muss schauen, was in der Zwischenzeit noch passiert“, sagt Bernd Salzberger. „Regnet uns die indische Variante noch rein? Oder werden Infektionen bei Kindern noch häufiger? Dann kann es sein, dass wir in Innenräumen noch weiter Maske tragen müssen.“
Neue Varianten, ein Bevölkerungsanteil, der sich nicht impfen lassen will oder kann, auch Menschen mit Autoimmunerkrankungen, bei denen die Impfungen nicht wirken: Es ist ein Endspurt mit Fragezeichen. Aber ein Endspurt. Nur lässt sich auch der noch verstolpern. So kündigte Niedersachsen am Donnerstag an, die Maskenpflicht im Einzelhandel abschaffen zu wollen, sollte die Inzidenz stabil unter 35 liegen. Und das ganz ohne Druck, denn anders als in den USA, wo die Maskenpflicht ein politisch aufgeladenes Thema ist, finden fast 90 Prozent der Deutschen die Maskenpflicht angemessen.
So gab es Kritik im Internet und von Experten und das Bundesland kippte die Pläne inzwischen. Die Maskenpflicht im Einzelhandel wird vorerst bleiben. Grüne, lächelnde Smileys gibt es auf den Corona-Informationsseiten der Homepage Niedersachsens übrigens nicht. Weder mit, noch ohne Maske