Es ist bereits nach zwei Uhr in der Nacht auf Dienstag, als die Kanzlerin sich endlich vor die Hauptstadtpresse setzt. Angela Merkel wirkt müde, als sie sagt: „Wir haben heute intensiv gearbeitet.“ (mehr …)
Denken wir in „diesem unserem Land“ an Römer, haben wir wahrscheinlich – neben natürlich Asterixens Abenteuern hierzulande erst einmal zweierlei im Kopf. Da sind zum einen die eindrucksvollen Überreste: die Colonia Ulpia Traiana in Xanten; der Römerturm und die aus der Eifel herangeführte Wasserleitung in Köln; die Jupitersäulen, Römerschiffe und der Eichelstein in Mainz; die prachtvoll ausgestatteten Villenkomplexe im Hinterland; schließlich der sich über etwa 550 Kilometer erstreckende Limes als Roms größtes bauliches Denkmal überhaupt.
„Die Osterruhe war ein Fehler“ – Mit diesem Eingeständnis der Bundeskanzlerin Dr. Angela Dorothea Merkel ist mehr gescheitert als der Versuch, Corona einzudämmen.
„Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“, sagt die Kanzlerin am Mittag vor der kurzfristig herbeigeeilten Hauptstadtpresse im Kanzleramt – wohinter sich alle (alle!) Ministerpräsident*Innen, die schließlich diesen „Fehler“ mitgetragen haben – dann erst mal verstecken konnten – Denn am Ende trage, so sie: „ich für alles die letzte Verantwortung“. Sie „bedauere zutiefst“, dass „dieser gesamte Vorgang zusätzliche Verunsicherung auslöst“, so Merkel weiter – und bitte dafür alle Bürger um Verzeihung.“ (mehr …)
Indien will Rohingya deportieren:
- Hunderte Rohingya in Jammu und Kaschmir in Abschiebehaft
- Schwangere und Kinder unter den Verhafteten
- Deportation nach Myanmar wäre ein Verstoß gegen die Prinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) verurteilt die Massenverhaftungen geflüchteter Rohingya in Indien als eklatanten Verstoß gegen die Prinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention. „Angehörige dieser muslimischen Volksgruppe mussten vor der fruchtbaren Gewalt aus ihrer Heimat Myanmar flüchten, die auch buddhistische Nationalisten immer wieder geschürt haben“, berichtet Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. „Diejenigen, die in Indien Zuflucht fanden, müssen nun vor dem Hass der Hindu-Nationalisten fliehen. Aber wohin?“ In ihrer Heimat sei es nach wie vor nicht sicher – nicht zuletzt wegen des Militärputsches und der damit einhergehenden Gewalt. Auch Bangladesch, Indonesien und Malaysia, die zusammen fast eine Million Rohingya beherbergen, wollten keine weiteren Geflüchteten aufnehmen. „Die Lage dieser Menschen scheint ausweglos. Wohin sie auch flüchten: Sie werden als Illegale und Eindringlinge gebrandmarkt und vertrieben“, so Causevic.
Indien will Rohingya deportieren:
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Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) verurteilt die Massenverhaftungen geflüchteter Rohingya in Indien als eklatanten Verstoß gegen die Prinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention. „Angehörige dieser muslimischen Volksgruppe mussten vor der fruchtbaren Gewalt aus ihrer Heimat Myanmar flüchten, die auch buddhistische Nationalisten immer wieder geschürt haben“, berichtet Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. „Diejenigen, die in Indien Zuflucht fanden, müssen nun vor dem Hass der Hindu-Nationalisten fliehen. Aber wohin?“ In ihrer Heimat sei es nach wie vor nicht sicher – nicht zuletzt wegen des Militärputsches und der damit einhergehenden Gewalt. Auch Bangladesch, Indonesien und Malaysia, die zusammen fast eine Million Rohingya beherbergen, wollten keine weiteren Geflüchteten aufnehmen. „Die Lage dieser Menschen scheint ausweglos. Wohin sie auch flüchten: Sie werden als Illegale und Eindringlinge gebrandmarkt und vertrieben“, so Causevic. Übereinstimmenden Berichten lokaler Medien zufolge hat die Polizei in dem indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir in den letzten zwei Wochen hunderte Rohingya verhaftet und in Auffanglager gebracht, um sie von dort aus nach Myanmar abzuschieben. Auch Schwangere und Kinder sind unter den Verhafteten. „Das wäre auch ohne Militärputsch eine schwere Menschenrechtsverletzung. Denn sowohl die Militärjunta als auch die demokratisch gewählte Regierung vor ihr betrachten die Rohingya als eingewanderte ‚Bengalen‘“, erinnert Causevic. „Nach ihrer Deportation erwartet sie also nur noch mehr Gewalt und eine erneute Vertreibung.“ Die einzige Lösung liege in einer Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft, die die myanmarische Militärregierung dieser Volkgruppe 1982 pauschal entzogen habe. „Bis dahin sind alle Staaten der Region, auch Indien, in der humanitären Pflicht, den Geflüchteten Schutz vor der Gewalt zu gewähren. Die religiöse Zugehörigkeit der Schutzbedürftigen darf dabei auch für die hindu-nationalistische Regierung Indiens keine Rolle spielen“, erklärt Causevic. Die GfbV appelliert dringend an die indische Botschaft in Berlin, die Regierung in Neu-Delhi und die Behörden in Jammu und Kaschmir, mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zusammenzuarbeiten, um die drohenden Abschiebungen zu verhindern.
Sie erreichen Jasna Causevic unter j.causevic@gfbv.de oder 0551/49906-16. Sie erreichen Dr. Ambia Perveen, Präsidentin des European Rohingya Council, unter 0177/8080834. |
Die neue Generation hingegen denkt nur daran, zu zensieren, was sie kränkt oder »beleidigt«. Hierzulande genügt es, dieses Wort „zensieren“ auch nur auszusprechen, um eine Unterhaltung zu beenden. War sie einmal Bestandteil einer notwendigen Reflexion, um das Vokabular der schikanösen Schlacken zu entledigen, die sich gegen Minderheiten richten, so sieht die politische Korrektheit nun der freiheitsbedrohenden Karikatur immer ähnlicher, die ihre Gegner seit jehergezeichnet haben, auch schon bevor sie dermaßen ausartete. Ein Glücksfall, über den die Konservativen sich die Hände reiben, denn er lässt sie die schöne Rolle eines Meisters der Freiheiten spielen. Einst kam die Zensur von der konservativen und moralistischen Rechten. Nunmehr entspringt sie der Linken; oder vielmehr einer bestimmten, nämlich ihrerseits moralistischen und identitären Linken. Während sie den libertären Geist aufgibt, bringt sie ihr Leben damit zu, Anathemata und Ukasse zu erlassen: gegen Intellektuelle, Künstler, Sänger, Theaterstücke oder Filme. Wenn sie doch nur gegen die wirklichen Gefahren anschriee: die extreme Rechte und den wiederaufkommenden Wunsch nach kultureller Herrschaft! Aber nein, sie streitet für nichts, ereifert sich über alles und wettert gegen Stars, Werke und Künstler. Das Zeitgeschehen schäumt über vor unsinnigen Kampagnen, die im Namen der kulturellen Aneignung geführt werden. Man rebelliert gegen Rihanna wegen ihrer angeblich»afrikanischen«Zöpfe; man ruft dazu auf, Jamie Oliver zu boykottieren, weil er einen »jamaikanischen Reis« kreiert hat; in Kanada fordern Studenten die Streichung eines Yogakurses, um sich bloß nicht die indische Kultur»anzueignen«; an amerikanischen Universitäten fahnden sie nach asiatischen Menüs in der Mensa. Indessen weigern sie sich, große klassische Werke zu studieren, da diese»beleidigende« Passagen enthielten.An der Universität regiert der Essens- und sogar der Gedankenterror. Man nimmt Anstoß am geringsten Widerspruch, der als»Mikroaggression«wahrgenommen wird, was so weit geht, dass man »Safe spaces«fordert: sichere Räume, in denen die Leute unter sich bleibenund lernen, dem Anderssein und der Debatte zu entfliehen. Selbst das Rederecht wird einer Genehmigungspflicht unterworfen, je nach Geschlecht und Hautfarbe. Eine Einschüchterung, die bis zur Entlassung von Professoren geht. Frankreich hält sich noch ziemlich gut. Doch gehen auch in diesem Land bereits Gruppen von Studenten gegen Ausstellungen und Theaterstücke vor, um deren Aufführung zu unterbinden oder einen Redner, der ihnen missfällt, am Reden zu hindern. Manchmal zerreißen sie auch seine Bücher: Autodafés, die an das Schlimmste erinnern.Diese Kulturpolizei geht von keinem autoritären Staat aus, sondern von der Gesellschaft und insbesondere von einer Jugend, die »aufgeweckt« sein will, weil ultraempfindlich gegen jedwede Ungerechtigkeit. Was großartig wäre, wenn sie dabei nicht auf Unterstellungen und inquisitorische Methoden verfiele. Die Millenials gehören weithin einer identitären Linken an, die den wesentlichen Teil der antirassistischenBewegungen und der LGBTI-Szene beherrscht und – sogar – den Feminismus spaltet. Ohne einen Aufschrei wird ihr kultureller Sieg vollständig sein. Der Einfluss ihrer Netzwerke auf Gewerkschaften, Fakultäten und politische Parteien wird größer, und sie gewinnen die Oberhand über die Welt der Kultur. Ihre Kabale lasten immer schwerer auf unserem geistigen und künstlerischen Leben. Selten bringt jemand den Mut auf, ihnen zu widersprechen. Obschon wir in einer ungemein paradoxen Welt leben, in der die Freiheit zu hassen nie so zügellos war wie in den sozialen Netzwerken, wurde allerdingsdas Reden und Denken im wirklichen Leben nie so sehr überwacht.
Einerseits blüht, dank Nachgiebigkeit und Deregulierung, das Geschäft mit der Aufstachelung zum Hass, zur Lüge und zur Desinformation wie noch nie, geschützt im Namen der Redefreiheit. Andererseits genügt es, dass eine kleine Gruppe von Inquisitoren sich für »beleidigt« erklärt, um Entschuldigungen eines Stars oder die Zurücknahme einer Zeichnung, eines Produkts oder eines Theaterstücks zu erwirken. Diese Streitigkeiten markieren den wirklichen Bruch sowohl inmitten des Antirassismus als auch zwi-schen den Generationen. Gestern kämpften Minderheiten gemeinsam gegen Ungleichheiten und patriarchale Herrschaft. Heute kämpfen sie, um herauszufinden, ob der Feminismus »weiß« oder» schwarz« ist.
Der Kampf der »Rassen« hat den der Klassen verdrängt. Die Frage:»Von wo sprichst du, Genosse?«, die der gesellschaftlichen Klassenlage entsprechende Schuldgefühle erzeugen sollte, hat sich in Identitätskontrolle verwandelt:»Sag mir, welcher Herkunft du bist, und ich werde dir sagen, ob du reden darfst!
«Weit entfernt davon, die ethnisierenden Kategorien der suprematistischen Rechten in Abrede zu stellen, bestätigt die identitäre Linke sie und schließt sich selbst darin ein.
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Statt Vielfalt und Mischung zu erstreben, zerteilt sie unser Leben und unsere Debatten in»rassifiziert«und»nicht-rassifiziert«, bringt die einen Identitäten gegen die anderen auf und setzt schließlich die Minderheiten in Konkurrenz zueinander. Statt sich eine neue, mannigfaltigere Welt vor-zustellen, ergeht sie sich in Zensur. Das Ergebnis ist ein geistiges und kulturelles Ruinenfeld, das den Nostalgikern der Herrschaft zuGute kommt. Dieses Buch mag hoffentlich dazu beitragen, einen Aus-weg zu finden.
Es geht nicht darum, die guten alten Zeiten zu bedauern, in denen man sich an Homosexuellen, Schwarzen oder Juden auslassen durfte; noch darum, denjenigen Rückendeckung zu geben, die das Verlangen nach Gleichheit mit einer phantasierten»Tyrannei der Minderheiten« verwechseln. Meine ersten Schlachten schlug ich gegen Sexismus, Homophobie und Rassismus. Als Vorsitzende des Centre gay et les-bien habe ich für den Stammvater der»Ehe für alle«ge-kämpft. Um ihn zu verteidigen, ließ ich mich von irgend-welchen Schergen unter dem Ruf»dreckige Lesbe«ver-prügeln. Der Kampf für die Gleichheit hat mich geprägt, doch dem für die Freiheit bleibe ich innigst verbunden.Wegen meiner Arbeit als Regisseurin und Journalistin, frühereMitarbeiterin von Charlie Hebdo, fürchte ich um die Freiheit, schöpferisch tätig zu sein, zu denken, zu zeichnen und zu spotten. Sämtliche Facetten meiner Iden-tität haben meine Analyse des Gleichgewichts genährt, das es in Sachen Redefreiheit und Gleichheit zu finden gilt.2Es folgt der schon in La Tentation obscurantiste (2006) formulierten Warnung, der Reflexion auf die Krise des Multiculturalismus in La Dernière Utopie (2009), und dem Aufruf zur Verteidigung der Rede-freiheit in Éloge du blasphème (2015).
11Eine Meute von InquisitorenWie alle Stürme kommen die üblen Winde der modernen Inquisition zunächst in den sozialen Netzwerken auf. Als ein Ort der Freiheit ist das Internet zugleich der Ort aller Unterstellungen. Dort wettert man anonym los und lyncht beim geringsten Verdacht. Eine Meute wütender Trolle, die die Philosophin Marylin Maeso»die Verschwörer des Schweigens«3nennt, schafft es, uns einen Maulkorb anzu-legen. Wir erleben den Anbruch einer»Silhouettenwelt«, einer Welt des falschen Scheins, vor der es Albert Camus grauste.4Allenthalben herrscht die Tyrannei der Beleidi-gung, die dem Gebot des Schweigens vorausgeht.Man braucht nur»kulturelle Aneignung«–ein Begriff, der sich seit erst zwölf Jahren in die öffentliche Debatte gedrängt hat –bei Google einzugeben, um 40.200.000 Treffer zu zählen. Eine Sintflut.Die ersten Hetzjagden haben um die Jahrhundertwende begonnen. Eines schönen Morgens im November 2012 fandsich Heidi, eine amerikanische Familienmutter, im Internet mit Beschimpfungen überschüttet. Ihr Vergehen? Eine Geburtstagsfeier ihrer Tochter in japanischem Stil veranstaltet zu haben. Am Vorabend hatte sie Kirschblüten auf dem Tisch verstreut, Tee in traditionellen Tassen serviert und das Besteck durch feine Stäbchen ersetzt. Die Freundinnen ihrer Tochter liebten es, Kimonos überzuziehen und sich wie Geishas zu schminken. Und natürlich hatten sie dieses Ereignis mit ihren Mobiltelefonen unsterblich gemacht, ehe sie dieFotos in den sozialen Netzwerken ausstellten. Eine schlechte Idee: Eine Meute wütender Kommentatoren ludsich selbst zur Nachfeier ein, um das Fest zu verderben und die Mutter öffentlich anzuprangern. Im Internet wurdesie des »Yellowfacing« bezichtigt, als ob das Auftragen von Geisha-Schminke zu einem Geburtstag auch nur das geringste mit der Zeit der Rassentrennung oder damit zu tun hätte, dass weiße Schauspieler sich als Schwarze verkleiden, um sich auf der Bühne über sie lustig zu machen. Man warf ihr vor, ihre Tochter schlecht zu erziehen: »Bringen Sie Ihren Kindern bei, dass das nicht okay ist!« Die sich im Internet als Beleidigte zu Wort meldeten, waren natürlich alle Amerikaner. Die seltenen Nebenkläger japanischer Herkunft erklärten sich angesichts dieser Reaktionen für unzuständig.Einer von ihnen, der auch in Japan lebte, versteht den Furor der Entrüstung nicht, die jener Mutter entgegenschlug: »Die einzigen Menschen,die denken, Kultur dürfe nicht geteilt werden, sind Rassisten wie du. «Er selbst meinte, »eine große Mehrheit der Japaner liebt es, wenn andere sich um eine Wertschätzung der japanischen Kultur bemühen. Sie ermutigen sie dazu. «So sahen dasauch andere: »Diese Feier ist eine Form, eine andere Kultur zu erfahren.«Verdutzt durch die enorme Vereinfachung des amerika-nischen Inquisitors, fragte ein anderer Japaner: »Wo ziehst du die Grenze dessen, was ›erlaubt‹ ist? Wenn das Mädchen japanische Wurzeln hätte, wäre es dann okay? Bist du nur dann befugt, eine Pizza zuzubereiten, wenn du in Italien lebst? «Die Frage trifft den Nagel auf den Kopf. Aber die Meute jagt einem Angst ein. In Furcht und Schrecken versetzt durch die Vorstellung, sie könnten wie Heidi beschimpft werden, erkundigten sich immer mehr Eltern, was an Halloween zu tun korrekt sei. Im selben Jahr fragte eine andere Mutter in den sozialen Netzwerken ihre Freunde, ob sie einen»Vaiana«-Abend veranstalten dürfe, in Anspielung auf den Zeichentrickfilm, der die berühmte polynesische Heldin würdigt. Sie stellteklar, dass in ihrer Familie alle »sehr weiß und sehr blond«seien. Sogleich sprang einer als Familienoberhaupt ein und verfügte, unter der Bedingung, dass die Kleinen sich kein»brown face«aufsetzen, sei die»kulturelle Feier«keine»Aneignung«. Eine andere Mutter bemerkte, sie sehe viele kleine Mädchen, die sich zu Halloween wie Frida Kahlo verkleiden, und fand das»nicht respektlos«. Sie hoffte bloß, dass diese kleinen Mädchen wissen, wer die Malerin war, und»dass sie sich nicht auf eine zusammengewachsene Augenbraue und schöne Blumen beschränken«. Nichts ist weniger gewiss. Im Land der Unterstellung kultureller Aneignung ist die allgemeine Kultur diejenige, die man sich am wenigsten aneignet. Wie ist ein solches Aufflackern von Anschuldigungenzu erklären? Der Funke rührt aus einer sehr konfusen Vorstellung von Antirassismus. Das Ausmaß der Lynchjustiz verdankt sich unserer neuen Art zu debattieren und dem Phänomen der Meute 2.0. Mit den sozialenNetzwerken gibt es keinen Bedarf mehr an Bewegungen, kein Bedürfnis mehr, Spruchbänder zu basteln oder auf die Straße in die Kälte hinauszugehen, um zu protestieren. Man kann meckern und dabei schön im Warmen bleiben, geschützt durch Anonymität. Die Anlässe zur Empörung sind folgerichtig viel zahlreicher und manchmal auch nichtiger. Wir nehmen uns nicht mehr die Zeit, etwas zu verdauen oder Luft zu holen, ehe wir losschreien. Bei der geringsten Meinungsverschiedenheit, beim geringsten Stich in unsere Haut, und sei er noch so mikroskopisch klein, heulen wir mit einem Griff in die Tastatur auf, zumal wenn ein virtueller»Freund«oder ein Angehöriger unserer Sippe die Klage führt. Wir schließen uns an, indem wir mit unseren empörten Schreien in den Kreis der Beleidigten einstimmen. Selten hat unsere virtuelle Identität unsere wirkliche so sehr bestimmt. Dem Philosophen Clément Rosset zufolge erlaubt die»geliehene Identität«, diese»Nachahmung des anderen«, die Bildung der eigenen Persönlichkeit.
Die jetzige Generation bildet sich hauptsächlich durch Nachahmung derer, die andere im Internet lynchen. Man beteiligt sich mit umso mehr Elan, als die Meute einen schützt, und das mit so viel Begeisterung, dass es genügt,»beleidigt«oder»Opfer«zu sagen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Als Funke reicht ein einziges Posting über kulturelle Aneignung, um sich Freunde zu machen und sich selbst mitten ins Geschehen zu werfen. Die Anzahl der Wölfe spielt kaum eine Rolle, denn die Legitimität verdankt sich dem Status des Opfers. Nichts ruhmreicher, als der David zu sein, der gegen Goliath kämpft.Dieses neue Kräfteverhältnis erweist sich als recht angenehm, wenn es darum geht, Ungerechtigkeit oder multinationale Konzerne zu bekämpfen, Diktatoren zu trotzen und Tyrannen zu stürzen. Die Kehrseite der Medaille ist die Inflation absurder und unverhältnismäßiger Kampagnen gegen Familienväter, Prominente oder Künstler.
5 Clément Rosset, Loin de moi, Paris 1999, S. 41.
Die digitale Interaktivität zwingt die Online-Presse, auf alles stets ganz schnell zu reagieren, mit immer wenigerZeit zum Nachdenken. Sobald auch nur die kleinste»Geschichte«eine Minderheit gegen eine Mehrheit in Szene setzt, findet sich eine Website, ein Blog oder selbst ein reguläres Medium, um das Fieber rasch steigen zu lassen. Die Journalisten der Online-Redaktionen sind darauf besonders scharf. Aus einem einfachen Grund: Über ein solches Thema kann man in kurzer Zeit spielerisch leicht schreiben, und es ruft Reaktionen hervor. Ideal in Zeiten des»Clickbaiting«, um den Zähler der Seitenbesuche nach oben klettern zu lassen und so die Ressourcen einer wirtschaftlich schwachen Presse aufzubessern. Zieht man zudem in Betracht, dass ein freier Journalist, häufig ein Volontär, nicht mehr die Zeit hat und selbst auf Anhieb nicht mehr in der Lage ist, das Bedeutende vom Unbedeutenden zu unterscheiden, begreift man, warum so viele Artikel der geringsten Erregung gewidmet sind, erst recht wenn es sich um Berühmtheiten handelt. Was nicht weiter schlimm wäre, wenn die Wut nicht völlig gekünstelt wäre und wenn die Meute, inWirklichkeit manchmal nur winzige Grüppchen, sich nicht fast jedes Mal durchsetzte. Und das bedeutet Entschuldigung oder Zensur.
Warum sich die Grünen bewusst dem politischen Gegner ausliefern
Mit ihren Forderungen muten die Grünen auch sich selbst etwas zu. Ob sie ihre Versprechen umsetzen können, haben sie nicht allein in der Hand. Denn dafür brauchen sie eine Grundgesetzänderung.
Um zur vielleicht bemerkenswertesten Passage des Grünen-Wahlprogramms vorzudringen, muss man sich durch 47 Seiten Textentwurf gearbeitet haben. Bis dahin erklären die Grünen die Relevanz des Klimawandels und die Notwendigkeit einer Veränderung, dann geht es um die Wirtschaft und schließlich: um die Schuldenbremse.
»Die Erde erhitzt sich, die Schulen verfallen und Deutschland gehört beim schnellen Internet zu den Schlusslichtern der EU. Wir investieren zu wenig in unser Land«, steht da. »Wir wollen die Schuldenbremse im Grundgesetz zeitgemäß gestalten – um die so dringenden Investitionen zu ermöglichen.« (mehr …)
Als der junge Kaiser Wilhelm II. am 18. März 1890 das erzwungene Rücktrittsgesuch seines greisen Reichskanzlers Bismarck annahm, trauerten nur wenige Deutsche. Internationale Beobachter waren da ganz anderer Meinung. Hörte man sich nämlich an diesem Tag unter Arbeitern um, wäre wohl das Ergebnis gewesen, dass endlich ein verknöcherter Peitschenschwinger Vergangenheit war. Die Katholiken waren auf den Mann aus besten Gründen ebenfalls gar nicht gut zu sprechen. Und was die Nationalisten betraf, so hatte der Reichskanzler dafür, dass sie jetzt in Tränen ausgebrochen wären, allemal zu wenig Interesse an Kolonien gehabt.
Klug, witzig, reflektiert und unterhaltsam erzählt Jean Peters, wie sie Shell und Vattenfall in den Panikmodus versetzen, Webseiten von Waffenhändlern hacken oder Menschen zur Flucht innerhalb Europas verhelfen. Und während sein pessimistisches Ich ihn immer wieder daran erinnert, dass Hoffnung der erste Schritt auf der Straße der Enttäuschung ist, sucht sein optimistisches Ich stets nach neuen Trampelpfaden. Denn wenn die Hoffnung stirbt, geht es trotzdem weiter. Wikipedia bezeichnet ›Hacken‹ als eine einfallsreiche Experimentierfreudigkeit.
„Pokémon Go“-Macher: „Pikmin“-AR-Game kommt – Spiel soll nur ein erstes Produkt einer neuen Zusammenarbeit von Niantic und Nintendo sein
Nintendo und der für „Pokémon Go“ bekannte Entwickler Niantic http://nianticlabs.com haben eine neue Zusammenarbeit an mobilen AR-Games bekanntgegeben. Noch dieses Jahr wird demnach ein entsprechendes Spiel zur „Pikmin“-Franchise erscheinen, dessen Spielmechaniken dafür sorgen sollen, dass das Gehen Spaß macht. Wie genau das funktionieren wird, bleibt noch offen. Es wird aber wohl damit zusammenhängen, dass die Pikmin wie zuvor die Pokémon dank AR mitten unter uns leben.
Pflanzenwesen unter uns
Die Pikmin sind pflanzenartige Wesen, die seit 2001 auf diversen Nintendo-Konsolen vor allem in Puzzlespielen für Unterhaltung sorgen. Jetzt steht ihnen der virtuelle Schritt in die reale Welt bevor. „Niantics AR-Technologie hat es möglich gemacht, dass wir die Welt so erleben, als würden Pikmin heimlich überall um uns leben“, sagt nun der legendäre Nintendo-Entwickler Shigeru Miyamoto in einer Aussendung. Noch dieses Jahr soll die entsprechende Game-App erscheinen, die in Niantics Tokioter Studio entwickelt wird.
„Die App wird Gameplay-Aktivitäten umfassen, die zum Gehen ermuntern und das Gehen erfreulicher machen“, heißt es bei Niantic, das als Publisher fungieren wird. Genauere Details zu diesen Spielmechaniken verraten die Partner aber noch nicht. Interessenten können sich jedoch bereits auf der Webseite für die neue App http://nianticlabs.com/newappsignup vormerken lassen, um frühzeitig mehr zu erfahren. Ob damit womöglich auch Perks wie Beta-Einladungen verbunden sein werden, ist allerdings noch unklar.
Umfassende Pläne zu AR
Fest steht dagegen, dass die „Pikmin“-App nur das erste Produkt der neuen Zusammenarbeit sein soll. Denn die Unternehmen werden laut Nintendo „gemeinsam Apps entwickeln, die Niantics AR-Technologie für die echte Welt und Nintendos beliebte Charaktere verbinden“. Dazu, für welche anderen Games-Franchises dabei AR-Umsetzungen fürs Smartfone