… dann damit auf diese Bank.

Ein Buch würde mir reichen …

Absagen mit Ansage – kürzlich war in einem Kommentar zur Absage der Leipziger Buchmesse und ihren Folgen ein Beitrag zu lesen, in welchem die Rede war von der „Sehnsucht nach persönlichen Begegnungen und vom schweren Stand der Frühjahrsprogramme“. Und, ich ertappe mich dabei zu prüfen, ob ich auch wirklich einen aktuellen Beitrag lese?  Ja, der Artikel war „aktuell“ – Inhaltlich aber wirkte er aber wie aus der Zeit gefallen – Wir Rundschauler trauern auch, aber:  was vor einem Jahr noch nachvollziehbar geklungen haben mag, wirkte jetzt wie ein leeres Ritual. Dem Beitrag fehlte, was ihn hätte gegenwärtig machen können: der Wille, aus gemachten Erfahrungen Konsequenzen zu ziehen.

Der Impuls, mit der neuerlichen Absage anders und „digitaler“ umzugehen, als dies vor einem Jahr vielleicht möglich war. 2020 ohne Leipzig war ein Schock für alle in der Branche. Die Absage 2021, der dritte Ausfall einer analogen Buchmesse binnen eines Jahres, war, so sehr er schmerzt, absehbar, nachgerade planbar. Dennoch wird auch dieser Ausfall oft quasi baugleich zu den vorherigen kommentiert.

Der Kampfgeist der Branche

Dabei ist die Buchbranche kreativ, kämpferisch, und deutlich innovativer, als es besagte Kommentare nahelegen. Es gibt großartige digitale Formate – aktuell etwa das Frühlingserwachen der Verbundgruppen oder das Festival zur Leipziger Buchmesse bei HeldenstückeLIVE. Für viele Verlage, Buchhandlungen und Autoren ist es inzwischen selbstverständlich, ja fast schon eine Tradition, dem Publikum digital Besonderes zu bieten. Was schmerzlich fehlt, ist die Klammer – die für Medien wie Leser schlüssige Bündelung der Kommunikation. Und dass diese Funktion nicht nur in diesem, sondern vermutlich in jedem kommenden Jahr auch und gerade auf digitalen Wegen zu erfüllen ist, muss als gesichert gelten dürfen.

Beide Buchmessen haben (auch) in diesem Jahr entschieden, „Präsenz im digitalen Raum“ für sich als sekundäres Thema einzustufen. Dies kann man aus der jeweiligen Binnensicht verstehen. Tatsache aber ist auch: Diese Entscheidungen haben Folgen. Sie bedingen einen Verlust an Sichtbarkeit, den sich die Branche kaum leisten kann und in jedem Fall nicht einfach in melancholischer Betroffenheit hinnehmen sollte.

Kooperationen, Standards und Kreativität

Natürlich könnte man frei nach Fallada als neues Gesetz ausrufen: „Jeder kämpft für sich allein.“ Dann hätten aber vermutlich nicht viele Unternehmen, und unter ihnen nur sehr wenige kleine, wirklich etwas zu feiern. Und selbst die vermeintlichen „Gewinner“ dürften unter diesen Bedingungen deutlich weniger erreichen als mit einer gut vernetzten Branchenkommunikation. Also: Was tun?

Hier Pauschalrezepte verkünden zu wollen, wäre anmaßend. Sinnvoll dürfte es aber sein, Sichtbarkeit gleichzeitig über mehrere, miteinander vernetzte Ebenen herzustellen – nennen wir sie „groß“, „mittel“ und „klein“.

Groß, also für die ganze Branche denken lässt sich z. B. im Hinblick auf Medienpartnerschaften (auch jenseits öffentlich-rechtlicher Medien), die Nutzung bestimmter Plattformen für digitale Events, die Vernetzung und zumindest teilweise Standardisierung der Kommunikation etwa durch ein Set von Hashtags usw. Im Bereich „groß denken“ sind Verlagsgruppen, Filialisten und natürlich auch die Messen selbst gefragt. Gipfeldiplomatie ist hier vermutlich nicht der Weg zum Ziel, eher ein pragmatisches Networking der Operativen, wie es zum Beispiel in den IGen des Börsenvereins ohnehin schon stattfindet. Schon ein paar einfache Standards könnten hier eine Menge bewirken.

Auf der mittleren Ebene schlägt die Stunde der Kooperationen. Individual-Reiseführerverlage wenden sich gemeinsam an den Buchhandel – wieso sollen sie nicht auch ihre digitalen Messeaktivitäten koordinieren? Verbundgruppen bilden eine Allianz bei der Fortbildung – wieso können sie nicht gemeinsam für „ihre“ Buchhandlungen ein Konzept für digitale Messevents entwickeln? Anknüpfend an die Standards der „großen“ Ebene, kann hier Tolles entstehen.

Mit „klein“ ist schließlich etwas besonders Wertvolles gemeint: die Ebene der einzelnen Verlage, der einzelnen Autoren, der einzelnen Buchhandlungen. Wenn hier Konzepte für digitale Formate entstehen, die das je Eigene, Besondere herausarbeiten und dann Strukturen der mittleren und großen Ebene als Verstärker nutzen – dann fängt das ganze Orchester über drei Ebenen richtig zu klingen an!

Persönliche Begegnungen sind die Kür
Digitale Präsenz ist Pflicht

Das klingt naiv? Mag sein. Aber vielleicht ist die Hoffnung auf Kooperationen weniger naiv als der Glaube, ein Jahr ohne digitale (Messe-)Hypes sei für die Branche schon irgendwie zu verkraften. Es spricht natürlich nichts dagegen, sich Tag und Nacht auf persönliche Begegnungen zu freuen. Gleichzeitig spricht wirklich alles dafür, währenddessen voller Elan an der digitalen Präsenz des Buches als Medium und jedes einzelnen Titels zu arbeiten. Gemeinsam. Mutig. Sofort.

Mrz 2021 | Allgemein, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren, Wirtschaft | Kommentieren