Wer online bestellte Ware ausgiebig ausprobiert und dann wieder zurückschickt, muss unter Umständen mit Konsequenzen wie einer Kontosperrung oder anderen Sanktionen rechnen.
Jeder, der etwas online bestellt, hat (zwar) das Recht es zurückzuschicken. Für Händler mag das ärgerlich sein, vor allem dann, wenn einzelne Kunden besonders viel retournieren.
Aber: Studien zufolge liegt die Retouren-Quote bei online bestellten Artikeln zwischen 6,5 (Deutscher Industrie- und Handelskammertag und ibi Research an der Universität Regensburg) und 12,5 Prozent (Universität Bamberg). Das sind pro Jahr mehrere Hundert Millionen Artikel, die Kosten für die Händler gehen in die Milliarden – und werden mehr als wahrscheinlich an die Käufer weitergegeben.
Inhalt:
- Retouren im Online-Handel: Irgendwann ist Schluss
- Kunden dürfen das Widerrufsrecht nicht missbrauchen
- Beim selben Anbieter ein Schnäppchen entdeckt?
- Ausschluss von Kunden nur in extremen Fällen
Um die Anzahl der Retouren zu senken, schlugen die Wissenschaftler der Universität Bamberg in einer Nachfolge-Studie unter anderem vor, die Kunden zu einer Rücksendegebühr von 2,95 Euro je Sendung zu verpflichten. Dadurch würden etwa 16 Prozent aller Retouren vermieden.
Einen solchen gesetzlich verordneten Zuschlag gibt es im Moment nicht, doch wie ist die rechtliche Lage sonst? Müssen sich Online-Händler häufige Retouren gefallenlassen – vor allem, wenn es Kunden gibt, die nahezu jede Online-Bestellung zurückschicken, obwohl die Ware in einwandfreiem Zustand war? Ganz zu schweigen von jenen, die Onlineshops quasi als Leihhaus ansehen und sich zum Beispiel ein Karnevalskostüm bestellen, um es direkt nach den tollen Tagen wieder zurückzuschicken – solcher oder ähnlicher Mißbrau sollte strafbeweht sein. Und auch so behandelt werden!
Online muss für Retoure kein Grund angegeben werden
Das Problem für die Händler besteht darin, dass Verbraucher bei einem Online-Kauf ihre Retoure nicht damit begründen müssen, dass die Ware einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB hat. Normalerweise können sie also innerhalb von zwei Wochen von ihrem Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge Gebrauch machen – ohne Angabe von Gründen. Das räumt ihnen der deutsche Gesetzgeber in § 312g Abs. 1 BGB sowie § 355 BGB zwingend ein, ohne dass der Händler dies ausschließen darf (siehe § 312k Abs. 1 Satz 2 BGB).
Der Gesetzgeber ist hier so großzügig, weil die Konsumenten sich beim Online-Kauf, anders als in einem Geschäft, die Ware nicht vorher ansehen können. Deshalb sollen sie den Kaufvertrag auch dann widerrufen können, wenn ihnen der Artikel nicht gefällt. Für die Online-Händler ist das insofern schwierig, als sie nach dem Wortlaut dieser Vorschriften auch den Widerruf von dreisten Kunden akzeptieren müssen, die sich immer wieder auf das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Widerrufsrecht berufen.
Vertragsfreiheit gilt für Händler und Kunden
Jedoch stellt sich die Frage, inwieweit Online-Händler derartige Kunden von künftigen Bestellungen ausschließen können. Der Online-Versandhändler Amazon macht das und sperrte die Konten von Kunden, die nach Auffassung des Unternehmens zu viel retournierten.
Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ergibt sich, dass Händler mit einem Kunden keinen Vertrag abschließen müssen. Das gilt aber zum Beispiel nicht, wenn ausnahmsweise ein sogenannter Kontrahierungszwang (auch Abschlusszwang) besteht, insbesondere bei Leistungen der Daseinsvorsorge, etwa bei der Wasserversorgung.
Jedoch dürfen Kunden ebenfalls nicht in ihrer Vertragsfreiheit eingeschränkt werden, indem sie ausgeschlossen werden, nur weil sie sich auf ihr Widerrufsrecht berufen. Zu bedenken ist auch, dass sie schnell unter hohen psychologischen Druck gesetzt werden, wenn ein Widerruf die Sperre ihres Kundenkontos zur Folge haben kann (siehe Wendehorst in „Münchner Kommentar zum BGB“, 8. Auflage 2019 zu § 312g BGB Rd. 61).
II:
Kunden dürfen Widerrufsrecht nicht missbrauchen
Dies gilt jedoch ausnahmsweise nicht, wenn Kunden ihr gesetzliches Widerrufsrecht rechtsmissbräuchlich ausüben. Dass hier unter Umständen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ein Ausschluss möglich ist, ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung sowie der juristischen Fachliteratur.
·
In einem Vordruck, der an die betreffenden Kunden verschickt wurde, verwies die Firma darauf, dass die Kunden „in den letzten beiden Jahren mehr als die Hälfte aller Artikel zurückgeschickt hatten“. Ihre Rücksendequote habe dauerhaft ganz erheblich über dem Durchschnitt gelegen.
Kunden, die an ihrem Gebaren daraufhin nicht änderten, erhielten ein weiteres Schreiben. In diesem wurde auf das Verhalten während der „letzten Monate“ verwiesen und mitgeteilt, dass er oder sie nicht mehr beliefert werden würden.
Nachdem eine Verbraucherzentrale davon erfahren hatte, ging sie gegen das Unternehmen wettbewerbsrechtlich vor und verklagte es auf Unterlassung.
Hierzu entschied das Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil vom 25. November 2004 (Az. 5 U 22/04), dass das Versandunternehmen nicht wettbewerbswidrig gehandelt habe. Dies begründeten die Richter damit, dass für dieses Unternehmen kein Kontrahierungszwang bestehe. Darüber hinaus müsse es zumindest dann keinen Fernabsatzvertrag über Waren mehr abschließen, wenn sich ein Kunde oder eine Kundin in der Vergangenheit wegen eines überproportional hohen Anteils an Rücksendungen über einen längeren Zeitraum als unwirtschaftlich erwiesen habe. Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.
Wann liegt ein solcher Missbrauch vor?
Ein Ausschluss des Widerrufsrechtes wegen Rechtsmissbrauches kommt nur in Ausnahmesituationen in Betracht. Hiervon ist etwa dann auszugehen, wenn Verbraucher sich arglistig beziehungsweise schikanös verhalten haben.
Nach Ansicht eines Rechtsexperten im Bereich E-Commerce kommt ein solcher Rechtsmissbrauch vor allem in den folgenden Fällen infrage (vgl. Föhlisch in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Stand: 52. EL April 2020, Teil 13.4 Verbraucherschutz im Internet, Rn. 331).
- Bei einem Anbieter wird lediglich deshalb Ware bestellt, damit der Bestellwert die jeweilige Versandkostenfreigrenze überschreitet.
- Der gleiche Artikel wird zum gleichen Zeitpunkt bei mehreren Anbietern bestellt. Geplant ist, nur die billigste beziehungsweise die am schnellsten gelieferte Ware zu bezahlen.
- Die Ware wird quasi nur ausgeliehen, um sie zum Beispiel mit auf den Rosenmontagszug zu nehmen oder damit in den Urlaub zu fahren. Im Anschluss wird der Kauf widerrufen und der Artikel zurückgegeben. Hier kommt es Konsumenten nur darauf an, den Artikel kostenlos zu nutzen.
III.
Beim selben Anbieter ein Schnäppchen entdeckt?
Ein Rechtsmissbrauch ist hingegen nicht gegeben, wenn ein Kunde den Widerruf davon abhängig macht, ob der Händler eine ihm in seinen Augen zustehende Garantie gewährt. Dies ergibt sich aus dem folgenden Fall:
Hierzu entschied der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16. März 2016 (Az. VIII ZR 146/15), dass der Händler den Kaufpreis erstatten müsse. Die Richter begründeten dies damit, dass in dem Widerruf kein Rechtsmissbrauch liege.
Der Kunde dürfe sein gesetzliches Widerrufsrecht nicht nur dann ausüben, wenn er mit der Ware unzufrieden ist. Vielmehr sei er hierzu auch berechtigt, wenn er innerhalb der Widerrufsfrist etwa ein preisgünstiges Schnäppchen entdeckt. Dass er sein Widerrufsrecht ausübte, um Geld zu sparen, ist demnach weder als arglistig noch als Schikane anzusehen.
Voraussetzungen für Ausschluss müssen genau geregelt werden
Eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des gesetzlichen Widerrufsrechtes müssen sich Online-Händler indes nicht gefallen lassen. Wichtig ist aber, dass sie im „Kleingedruckten“ genau angeben, unter welchen Voraussetzungen sie ein Mitgliedskonto schließen.
Dies ergibt sich aus einem Fall, bei dem Amazon sich die Schließung vorbehielt, wenn Verbraucher „gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder gegen andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien“ verstoßen. Hierzu entschied das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 26. Februar 2016 (Az. 6 U 90/15), dass diese Klausel unwirksam ist. Sie verstößt nach Auffassung der Richter unter anderem gegen § 307 Abs. 1 BGB, denn Kunden erführen hier nicht, unter welchen konkreten Bedingungen ihr Konto gesperrt wird.
In einem anderen Fall hatte Amazon das Konto eines Verkäufers gesperrt und in dem Schreiben dazu ebenfalls nichtssagende Floskeln verwendet. Hierzu stellte das Landgericht Mühlhausen mit Beschluss vom 2. Juli 2020 (Az. HK O 26/20) klar, dass der Anbieter eine Kontosperre ordentlich begründen müsse. Floskeln reichten nicht aus.
Kontosperre bei längerem Rückgaberecht
Manche Online-Händler lösen das Problem mit der Kontensperrung daher auf andere Art: Sie bieten Kunden auch nach einem längeren Zeitraum als der 14-tägigen gesetzlichen Widerrufsfrist ein freiwilliges Rückgaberecht an. Ein Beispiel dafür ist die 30-tägige Rückgabegarantie von Amazon.
Hier können die Händler selbst bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die vereinbarte Rückgabegarantie greift. Hinzu kommt, dass die Händler Kunden mit einem auffälligem Retouren-Verhalten möglicherweise schneller sperren können.
Sie müssen sich hier nicht den Vorwurf gefallen lassen, dass sie Kunden wegen Wahrnehmung ihres gesetzlichen Widerrufsrechtes benachteiligen. Das gilt zumindest dann, wenn die vom Gesetzgeber vorgegebene 14-tägige Widerrufsfrist bei der Rückgabe bereits abgelaufen war. Wie hier die rechtliche Situation genau aussieht, wurde jedoch durch die Gerichte noch nicht geklärt.
IV.
Ausschluss von Kunden nur in extremen Fällen
Für Kunden ist es also schwer einzuschätzen, ob sie von Online-Händlern wegen häufiger Retouren von weiteren Bestellungen ausgeschlossen werden dürfen. Dies richtet sich vor allem danach, auf welcher Grundlage Kunden die Ware zurückgeben.
Berufen sie sich auf einen Mangel und machen von ihrem gesetzlichen Gewährleistungsrecht Gebrauch, dürfen ihnen hieraus keine Nachteile erwachsen.
Das Gleiche gilt normalerweise auch, wenn sie sich auf das gesetzliche 14-tägige Widerrufsrecht berufen. Anders sieht die Situation aus, wenn ein Missbrauch vorliegt, was dann aber normalerweise der Händler darlegen und beweisen muss.
Wann Händler Kunden wegen vieler Retouren ausschließen dürfen, kann nicht pauschal gesagt werden. Dafür sind die Kriterien zu ungenau, die etwa das Oberlandesgericht Hamburg dargelegte, das als eines der wenigen Gerichte einen solchen Fall verhandelt hat. Die Richter haben beispielsweise nicht erläutert, bei welchen Umsätzen ein Kunde als „unwirtschaftlich“ gilt.
Die Begründung macht jedoch deutlich, dass ein Ausschluss nur in extremen Einzelfällen erfolgen darf. Er ist am leichtesten möglich, wenn ein Kunde oder eine Kundin nach Ansicht des Händlers zu häufig von einem freiwillig eingeräumten Rückgaberecht Gebrauch macht.
Hier haben Firmen also einen Ermessensspielraum. Allerdings dürfen Händler nicht willkürlich handeln und müssen den Ausschluss begründen. Ebenso spricht aus den bisherigen Urteilen vieles dafür, dass die Kunden vorher gewarnt werden müssen.