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Nachtigall, ick hör dir trapsen: News – der Wahlen wegen – am Tropf?

[1]Die Bundesregierung will den Zeitungen 229 Millionen Euro  geben. Eine einseitige Subventionierung, um die Zeitungen im Wahlkampf bei Laune zu halten? Das wäre ein Skandal, gegen den sich Online-Publisher wehren sollten. Was wir eigentlich brauchen, ist eine Selbstverständigung über die demokratische Öffentlichkeit in digitalen Zeiten.

[2]Die Bundesregierung will also Zeitungen – darunter Anzeigenblätter – mit 220 Millionen Euro fördern – und die Regierung ist nicht die einzige, die auf Zeitungen setzt – „Meidenmäzen“ Google mal eben zum Beispiel: Die Google News Initiative – das haben Ingo Dachwitz und Alexander Fanta in einer Studie für die Otto-Brenner-Stiftung herausgefunden, gibt ihre Millionen ebenfalls am liebsten (aber) den großen bekannten Medienmarken Spiegel, Zeit, FAZ, die übrigens dennpch allesamt so gut wie gar nicht über diese Studie berichteten. Hinzukommen Werbeanzeigen in den Zeitungen, die heute häufig einen schal politischen Beigeschmack haben. Wer wirbt heute noch mit großen Anzeigen in den Tageszeitungen? Genau, die Bundesregierung. Google. Facebook. Amazon. Und die öffentlich-rechtlichen Sender. Also jene Kräfte, die sich von den Zeitungen einen lieben Burgfrieden wünschen.

Die Zeitungen, legt Sebastian Esser von den Krautreportern und Steady in einem höchst lesenswerten Essay [3] für die Berliner Zeitung dar bewegen sich ja schon seit Jahren auf arg schrumpfendem Terrain. Aber es ist ein seltsamer Kontrast: Ihre Lobbymacht auf die Politik scheint sich umgekehrt proportional zu ihrem schrumpfenden Einfluss aufs Publikum auszudehnen.

In den Jahren vor Wahlen macht die Politik, die vor der Bild-Zeitung, aber auch FAZ und SZ immer noch eine Heidenangst hat (ist ja auch gut so) den Zeitungen gern Geschenke. Erinnern wir uns: Im Jahr 2012 hat die Regierung ganz kurz vor Ende der Legislaturperiode die Leistungsschutzrechte für Presseverleger durchgepaukt. Als dieses Gesetz dann auf nationaler Ebene floppte, unterstützten Politiker bis hin zu den Grünen die Presseverleger tatkräftig beim Transfer dieser Idee auf die europäische Ebene: Nun also werden – ein Schuft, wer schlecht darüber denkt – die Verleger die Einnahmen aus den Leistungsschutzrechten doch noch bekommen.

Schön für die Verleger, dass jetzt also auch noch 220 Millionen Euro Subventionen zugeschossen werden. Glaubt man den Verlegern, „wären“ (was Wunder) „400 Millionen Euro eigentlich besser“. Aber bitte nur für die Zustellung der raren verbliebenen Abozeitungen. Subventionen für die Presse: Da  bahnt sich ein Bruch in der deutschen Mediengeschichte an.

Diese 220 Millionen Euro sind aber auch eine krasse Wettbewerbsverzerrung, wie Esser in der Berliner Zeitung darlegt. Wodurch ist eine Subvention an nur eine Gattung im Feld der Öffentlichkeit überhaupt zu rechtfertigen? Mathias Döpfner, Chef des Zeitungsverlegerverbandes würde wahrscheinlich antworten, dass er ja nicht nur Zeitungen, sondern auch „Digitalpublisher“ repräsentiert. Schließlich hat sich sein Verband letztes Jahr frech in „Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger“ umbenannt!

Wer ist denn in diesem Laden ein „Digitalpublisher“? Es gibt in Deutschland so gut wie kein größeres Online-Medium, das von sich behaupten kann, „online only“ zu sein und das nicht am Tropf einer wesentlich größeren Maschinerie aus Print oder TV hängt. Spiegel online, Zeit online, Bild online. Und so weiter.

Die Uebermedien, die Krautreporter und, (schulterklopf) die Neue Rundschau (Credo) [4],  – wir alle im Vergleich zu den Zeitungen und den öffentlich-rechtlichen Medien winzige Jollen im Meer der heutigen Öffentlichkeit – repräsentiert der BDZV jedenfalls nicht und könnte sie auch schon wegen seiner Lobbyinteressen niemals repräsentieren. Es gibt nun Bestrebungen bei diesen tatsächlichen Online-Publishern, selbst einen Verband zu gründen. Politiker brauchen – ja! – Ansprechpartner …

Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob diese Medien überhaupt Geld vom Staat oder auch von Google nehmen sollten. Da käme es schon sehr auf die Modalitäten an. Aber wie Sebastian Esser in der Berliner Zeitung feststellt: Wir stehen trotz allem mit unseren überaus heiklen Geschäftsmodellen auch in Konkurrenz zu Zeitungen und zu den öffentlich-rechtlichen Sendern, die ebenfalls im Netz expandieren. Es geht um Aufmerksamkeit, teilweise um Werbeeinnahmen und natürlich um die Frage, wie das Publikum in digitalen Zeiten auf anspruchsvolle Weise informiert werden kann. Eine einseitige Subventionierung, um die Zeitungen im Wahlkampf bei Laune zu halten, wäre ein Skandal. Also lieber gar keine.

Eine Frage bleibt in digitalen Zeiten nach wie vor ungeklärt: Wie soll das Geschäftsmodell für eine Information aussehen, die den Kriterien einer demokratischen Öffentlichkeit gerecht wird? Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist das Geschäftsmodell – Gebühren – geklärt. Sie müssen sich nur noch darum kümmern, vom Publikum unter sechzig Jahren wahrgenommen zu werden. Privat finanzierte Medien lavieren zwischen verschiedenen Modellen – Paywalls, Werbung, Finanzierung durch das Publikum – von denen keines ganz überzeugend und für alle Medien zu funktionieren scheint. Wir brauchen also so etwas wie Generalstände über die Frage, wie Öffentlichkeit in digitalen Zeiten zu organisieren wäre – und zwar möglichst solche, die nicht gleich wieder von den üblichen Verdächtigen dominiert werden.