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Emmanuel Macron: Einsamer Streiter für – auch unsere – Freiheiten

[1]In Sachen Freiheitsbegehren waren wir hierzulande schon mal weiter. Vor 50 Jahren haben die 68er das muffige Deutschland durchgelüftet. Oswalt Kolle klärte die Republik auf, die Pille wurde erfunden, der kecke Minirock passte trefflich zur Popmusik der Beatles und Stones, Alice Schwarzer stritt mit „Emma“ für die Frauenemanzipation.
Es herrschte – endlich – ein Klima geistiger Freiheit, der offenen Debatte, bis hin zur Provokation. Dabei wurden selbstverständlich auch Religionen nicht verschont. So wurde der Papst als „Pillen Paul“ von Schülerzeitungen verhöhnt und die Satire-Zeitschriften „Titanic“ und „Pardon“ überschütteten in Wort und Karikatur Papst und Bischöfe mit ergötzlich-atemberaubender Häme.

 

50 Jahre später wird ein Lehrer in Frankreich geköpft, nur weil er im Unterricht über Mohammed-Karikatur diskutiert. Der Karikaturenstreit und die Empörung unter den Muslimen begann vor 15 Jahren, als in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten Mohammed mit einer Bombe unterm Turban abdruckte – ein satirisch trefflich überzeichnetes Bild für eine Religion, in deren Namen ein Kreuzzug gegen die aufgeklärte westliche Welt geführt wird.

Über derartige Karikaturen sollte eigentlich im 21. Jahrhundert – nach der Französischen Revolution vor 230 Jahren und den bewegten 68ern – allenthalben geschmunzelt werden können. Weit gefehlt. Unser finsteres christliches Mittelalter mit Hexenverbrennung und Verfolgung freiheitlicher und aufklärerischer Ideen erlebt in Teilen des Islams eine Renaissance: Frauen werden dort im Namen der Religion unter die Burka gezwungen, Homosexuelle und Ehebrecher gesteinigt. Redakteure der Satirezeitung „Charlie Hebdo“ werden von islamistischen Eiferern niedergemetzelt. Und in Manhattan, Madrid, London, Djerba, Berlin, Nizza, Dresden und anderswo müssen Menschen durch den Terror fanatischer Islamisten sterben.

Es ist geistig und intellektuell eine regelrechte Zumutung für jede freie Bürgergesellschaft, sich überhaupt mit irregeleiteten religiösen Eiferern auseinandersetzen zu müssen. In Europa sind mit Blut und Tränen der nach Freiheit dürstenden Bürger die finsteren klerikalen Mächte des Mittelalters vertrieben worden. Seitdem sind Religion oder auch Nichtglauben reine Privatsache, mehr nicht. Unsere demokratischen Wurzeln, wahrlich, das sind nicht das Christentum, sondern die Prinzipien der Aufklärung seit der Französischen Revolution.

[2]Und, es ist wieder Frankreich, das sich heute beherzt wider den religiösen Terror der Islamisten entgegensetzt. Ja, es ist für jeden Demokraten selbstverständlich, dass Emmanuel Macron den Religionskritikern ein Recht auf Blasphemie einräumt. Dafür aber bekommt er den ganzen Hass der islamischen Welt zu spüren. Erdogan bezeichnet ihn gar als psychisch krank.

Wo bleibt angesichts dieses Terrors gegen Macrons Frankreich der Aufschrei in Europa? Von der Leyen, Merkel? Funkstille. Wo sind in Deutschland die Massendemos von Linken und Grünen, die doch ach so stolz auf ihre 68er Veteranen sind? Wo sind die Liberalen, die sich in Festtagsreden für die Trennung von Religion und Staat einsetzen? Und eigentlich könnten sich angesichts des religiös motivierten Terrors ja auch Vertreter religiöser Gemeinschaften – allen voran der Islam im Schulterschluss mit dem Christentum – lautstark und ohne Wenn und Aber für unsere bürgerlichen Freiheiten einsetzen.

Es ist beschämend, wie feige und verdruckst Macron vom angeblich so aufgeklärtem Europa im Stich gelassen wird. Man mag sich kaum vorstellen, was von unserer freiheitlichen Demokratie in 50 Jahren noch übrigsein wird, wenn wir uns weiterhin hasenfüßig den Befindlichkeiten religiöser Eiferer unterwerfen.