Sollte sein – doch die Übergangsperiode zwischen dem Tag nach der Wahl und der Amtseinführung des neuen Präsidenten könnte in den USA dieses Mal nicht den Ende des Kampfs um das Weiße Haus markieren, sondern dessen Fortsetzung mit anderen Mitteln.

Die Befürchtung, dass Präsident Donald Trump eine etwaige Niederlage nicht kampflos hinnehmen wird, und weiterhin  – lügend wie gewohnt – sich unlauterer Mittel zu bedienen versucht, ist laut Politikexperten jedenfalls nicht unbegründet.

Auf Twitter hat Donald Trump vor angeblichem Betrug bei den US-Präsidentschaftswahlen gewarnt. Er behauptet, im Bundesstaat Kalifornien würden Millionen Stimmzettel an Menschen verschickt, die gar nicht wählen dürften. Dies eröffne viele Möglichkeiten, die Wahl zu manipulieren. Mehrfach hatte er schon Kalifornien beschuldigt, Wahlbetrug zu ermöglichen.
Für diese Behauptung gibt es allerdings keine seriösen Quellen. Der kalifornische Staatssekretär Alex Padilla, dessen Behörde für den Ablauf von Wahlen zuständig ist, sagte Factcheck.org, egal wie oft Trump es wiederholt, seine „Lügen über Wählerbetrug sind schlicht unwahr“. Auch verschiedene Medien prüften die Vorwürfe und stellten fest, dass diese falsch sind. Dennoch twitterte Trump die Behauptung erneut – und Twitter ergänzte diese nun erstmals mit einem Hinweis auf die tatsächlichen Fakten.

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Kommission einberufen

Trump behauptete sogar bereits, Kalifornien habe eingeräumt, es habe eine Million illegale Stimmen gegeben, die nicht hätten zählen dürfen. Auch dafür gab es keine Belege. Der US-Präsident berief daher eine Kommission ein, die den angeblichen Betrug untersuchen sollte. Diese wurde aber wieder aufgelöst, ohne irgendwelche Beweise zu liefern.

Seien wir mal guter Hoffnung und hoffen, Trump verliere und denken uns fünf mehr oder weniger Szenarien aus:

Szenario 1: Trump gesteht seine Niederlage ein

In diesem Szenario bleiben dem Präsidenten noch einige Monate, um seine Politik umzusetzen. In dieser Zeit könnte er sich nicht nur selbst begnadigen und so versuchen, sich vor einer möglichen juristischen Verfolgung nach dem Ausscheiden aus dem Amt zu schützen. Er könnte auch weitere hochrangige Amtsträger feuern, wie zum Beispiel den Immunologen und Chefberater Anthony Fauci oder aber FBI-Chef Christopher Wray, über den er sich während des Wahlkampfs äußerst unzufrieden gezeigt hatte. Zudem könnte die Trump-Regierung versuchen, der nachfolgenden Regierung möglichst viele Steine in den Weg zu legen und zahlreiche Dokumente vernichten.

Szenario 2: Das Weiße Haus greift in die Stimmenauszählung ein

Trump hat im Wahlkampf immer wieder Zweifel an der korrekten Durchführung der Briefwahl gesät. Ein enges Ergebnis in einem Swing State könnte ihn dazu veranlassen, Stimmen entweder neu zählen zu lassen oder die republikanisch dominierten Gerichte damit zu befassen.

Einen Präzedenzfall dazu gibt es in der jüngeren Geschichte der USA: Nach der Präsidentschaftswahl 2000 (George W. Bush gegen Al Gore) wurden in Florida wegen eines sehr knappen Ergebnisses mit nur 537 Stimmen Unterschied die Wahlzettel nochmals ausgezählt. Doch bevor überhaupt ein neues Resultat bekannt gegeben werden konnte, entschied der Oberste Gerichtshof, dass Bush die Wahl im Bundesstaat gewonnen hatte.

Die nach einer Marke für hochwertige Kleidung benannten „Brooks Brother“-Aufstände – ein organisierter Protest von Republikanern, der das Nachzählen der Stimmen im County Miami-Dade verhindern sollte – geben eine Vorstellung davon, was auch 2020 bevorstehen könnte.

Szenario 3: Streit um die Wahlleute

Bei der Wahl wird das „Electoral College“ bestimmt – das Gremium der Wahlleute, die den US-Präsidenten wählen. Dieses System könnte ins Zentrum der Auseinandersetzung rücken. Wenn sich in einem der umkämpften Bundesstaaten in den Tagen oder Wochen nach der Wahl die Mehrheiten ändern, könnten beide Parteien die Wahlleute für sich beanspruchen. Diese Pattstellung durch sogenannte duellierende Wahlleute müsste dann in Washington aufgelöst werden. Die offizielle Zählung der Wahlleute am 6. Januar 2021 obliegt dem Präsidenten des US-Senats – das ist Vize-Präsident Mike Pence. Doch welche Entscheidungsbefugnisse er außer dem Zählen der Stimmen noch hat, steht nicht in der Verfassung.

Deshalb gehen Beobachter davon aus, dass Pence Trump so zumindest zusätzliche Wahlmännerstimmen garantieren könnte – und unter Umständen sogar eine zweite Amtsperiode. Eine länger anhaltende Verfassungskrise könnte die Folge sein.

Szenario 4: Trump gesteht Niederlage nicht ein

Trump ist nicht dafür bekannt, jemals kampflos nachgegeben, einen Fehler, oder eine Niederlage eingestanden zu haben. Deshalb ist es denkbar, dass er nicht bereit sein wird, den Sieg seines Gegenkandidaten offiziell anzuerkennen – und trotzdem das Weiße Haus im Januar 2021 wie geplant verlässt. Der Journalist Graeme Wood hält dieses Szenario im Magazin „The Atlantic“ für den wahrscheinlichsten Ausgang – auch weil Trump so das Gesicht vor seinen Anhängern wahren und eine mögliche Strafverfolgung abwenden könnte. In der Zeit zwischen der Wahl und dem Amtseid des neuen Präsidenten könnte Trump sich entweder vorsorglich selbst begnadigen oder seinem Vize Pence die Geschäfte übergeben, damit er die Begnadigung vollziehen kann.

Szenario 5: Trump weigert sich, das Weiße Haus zu verlassen

Das extremste Szenario geht dahin, dass Trump sich nach einer Wahlniederlage weigert, seine Sachen zu packen und das Weiße Haus bis zum 20. Januar 2021 zu verlassen. Dann könnte der neue Präsident den Secret Service damit beauftragen, ihn physisch aus dem Weißen Haus zu entfernen.

Das Militär dürfte nicht zum Einsatz kommen. Mark Milley, einer der obersten Generäle, bestätigte dem Abgeordnetenhaus auf Anfrage, dass sich seine Leute nicht in einen Konflikt rund um die Wahl einmischen würden. – Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Nov. 2020 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas, InfoTicker aktuell | Kommentieren