Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass sich Berlin dem dem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts unterwerfen müsse. Das Berliner Neutralitätsgesetz sei hier hinfällig. In der Berliner rot-rot-grünen Koalition war es darüber zu Konflikten gekommen: „Die SPD wollte das Gesetz bisher unverändert lassen. Ihr Hauptargument: „Bei den sich häufenden Religionskonflikten an Berliner Schulen könnten kopftuchtragende Lehrerinnen nicht die gebotene überparteiliche Rolle einnehmen.“
Insbesondere Mädchen, die von der Familie und¦oder muslimischen Mitschülerinnen zum ‚Tuch‘ gedrängt würden, könnten von einer Kopftuch-Lehrerin kaum Hilfe erwarten. (…) Die Grünen, allen voran Justizsenator Dirk Behrendt, vertreten mehrheitlich die Gegenposition. Die besagt im Kern: Das Gesetz bedeutet de facto eine Verletzung der Religionsfreiheit und eine Diskriminierung von Muslima und gehört daher abgeschafft.“ Mehr hier (taz).
Das Neutralitätsgesetz hat eine „weiche Stelle“ bekommen, freut sich Jost Müller-Neuhof im Tagesspiegel: „Zu verdanken war das alles auch einer ungenügenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die das Auftauchen des Kopftuchs im Lehramt als Gefahr beschrieb. Doch vor einigen Jahren korrigierte Karlsruhe die Ansage. Seitdem können pauschale Verbote nur noch begründet werden, wenn der Schulfriede in Gefahr gerät. In eine konkrete Gefahr. Es muss also echtes Ungemach drohen. Es liegt ein Verhängnis darin, dass die Verantwortlichen seitdem viel dafür getan haben, solche Gefahren herbeizureden.“
Begeistert kommentiert auch Fabian Goldmann in dem auf Migrationsfragen spezialisierten Magazin, der die freiwillige Unterwerfung unter das Kopftuch auch als ein kraftvolles Zeichen gegen die „Privilegien“ der Mehrheitsgesellschaft deutet: „Ob ‚göttliche Ordnung‘, ‚Naturzustand‘, ‚Volksempfinden‘ oder ‚der gesunde Menschenverstand‘: Dominante Gruppen berufen sich gern auf vermeintlich objektive Zustände, wenn es darum ging, die eigenen Privilegien zu sichern. Privilegien, die heute so groß sind, dass viele sie nicht einmal mehr wahrnehmen. Denn hinter ‚weltanschaulich-religiöser Neutralität‘ verbirgt sich nichts anderes als die zur Normalität verklärte Mehrheitskultur.“ Und auch Alan Posener freut sich in der Welt über diese Zulassung religiöser Zeichen an Berliner Schulen: „Als seien mündige Bürger nicht in der Lage, zwischen den zwei Körpern des Staatsdieners zu unterscheiden, dem offiziellen und dem privaten. Als seien Richter, Lehrer und Polizisten nicht in der Lage, diesen Unterschied zu erläutern.“
Eine kritische Kommentierung des Urteils war bislang nirgendwo zu finden.