
Das Denkmal in Heidelberg erinnert an den Heidelberger Ehrenbürger Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck (1815–1898).
Deutschland ist ein Land voller Denkmäler. Wie viele davon es genau gibt, hat niemand gezählt. In fast jedem Ort steht mindestens eines, oft sogar mehrere. Allerdings zeigt ein Blick auf die dort geehrten Persönlichkeiten, dass wir – zumindest im Denkmalbereich – ein ganz erhebliches Demokratieproblem haben. Eine übergroße Zahl nämlich der deutschen Denkmäler ehrt Kaiser, Könige, Heerführer. Nicht wenigen nicht alle natürlich, davon waren Massenmörder, Verbrecher, Machtpolitiker, Kolonialisten.
Meist waren die das jedenfalls nicht: Demokraten
„Die Zahl der deutschen Kriegerdenkmäler zur Zahl der deutschen Heine-Denkmäler verhält sich hierzulande wie Macht zum Geist.“
Kurt Tucholsky, Deutscher Schriftsteller
Das Ausmaß dieses für eine Demokratie höchst problematischen Ungleichgewichts ist enorm. Alleine Krieger- und Ehrenmäler gibt es in Deutschland nach Schätzungen an über 100.000 Orten.
Nur selten ist dort von „Opfern“ die Rede, faktisch nie von „Tätern“, sondern zumeist von „Helden“. Gerne wird auch an historische Siege erinnert, selten an die Gräuel der Schlachtfelder.
Krieger- und Ehrenmäler, die an gefallene Soldaten erinnern, gibt es weltweit beinahe in jedem Ort und in den unterschiedlichsten Ausführungen. Man schätzt, dass alleine in Deutschland über 100.000 stehen.
Auch Kaiser, Könige und ihre treuen Vasallen werden nach wie vor an zigtausenden Stellen in Deutschland geehrt. So listet Wikipedia alleine für Kaiser Wilhelm den I. eine unglaubliche Anzahl von Denkmälern auf, die meisten davon stehen bis heute – für einen Mann, der sich bei der Niederschlagung der ersten deutschen demokratischen Revolution von 1848 den Beinamen „Kartäschenprinz“ erwarb.
Allein diese Figur wird nach Schätzungen von Historikern Deutschland bis heute mit mehr Denkmälern geehrt, als alle Helden der demokratischen Revolution zusammen.
Natürlich ist es keine Überraschung, dass sich die Sieger von historischen Auseinandersetzungen mehr Denkmäler setzen lassen, als sie den Unterlegenen zubilligen. In den Bundesländern auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gab es bis 1989 eine entsprechende Welle von Denkmälern für Marx, Engels, Lenin und andere kommunistische Helden.

Das Faszinierende an dem Umgang des demokratischen Deutschlands mit der älteren und jüngeren Denkmalvergangenheit sind drei wesentliche Phänomene:
- Denkmäler für monarchistische und militärische Protagonisten gab und gibt es in unglaublichem Ausmaß. Nur wenige davon wurden wieder abgebaut.
- Denkmäler für faschistische oder kommunistische Persönlichkeiten wurden nach den jeweiligen Epochen weitgehend getilgt.
- Denkmäler für demokratische Helden wurden und werden überaus selten errichtet.
Das mag daran liegen, dass Demokratie und blinde Heldenverehrung nicht wirklich gut zusammenpassen. Doch das wäre als Erklärung etwas zu billig. Schließlich gibt es genug historische demokratische Momente, deren man gedenken könnte (und auch an einzelnen Orten wie zum Beispiel in der Frankfurter Paulskirche gedenkt).
Es bleibt die irritierende Tatsache, dass in einem Land, das seit über 70 Jahren als Demokratie organisiert ist noch immer eine unübersehbare Anzahl an Denkmälern für Werte und Protagonisten mit zutiefst antidemokratischem Hintergrund stehen.
Das ist kein Aufruf zum Denkmalsturm, aber eine Anregung zum Nachdenken darüber, ob wir nicht mehr demokratische Gedenkstätten und weniger wiederaufgebaute Kaiserpaläste wie aktuell in Berlin vertragen könnten.
Aber, auch die Demokratie braucht ihre Helden
Dieter Thomä
Warum Demokratien Helden brauchen:
Plädoyer für einen zeitgemäßen Heroismus
Ullstein, 2019, 237 Seiten
ISBN: 978-3550200335
20,- EUR
Dem Thema widmet sich auch der unermüdliche Herausgeber von „Der Grüne Zweig“ Werner Pieper mit dem 275ten (!) Zweig: „Mensch, Denkmal – Zur Geschichte der Kriegerdenkmale und deren Alternativen – auch am Beispiel der Kleinstadt Weinheim“ von dem wir meinen, es Ihnen nicht vorenthalten zu dürfen:
Seit ca. 200 Jahren gelten Denkmäler nicht mehr ausschließlich Herrschern, sondern zunehmend auch gefallenen Soldaten. Hier findet sich die Geschichte der Krieger- und Kriegs-Denkmäler, unter besonderer Berücksichtigung des letzten von Deutschland gewonnenen Kriegs von 1870/71 bis zu den offensiven Denkmälern aus dem 3. Reich und was aus ihnen wurde.
Brauchen wir diese Monumente, die Agressoren, die millionenfachen Tod über Europa brachten, als Helden ehren, noch? Die kosten nicht nur, sondern verletzen die Ehre der (Nachkommen jener) Menschen, die von den Nazis überfallen, verfolgt, gefoltert und getötet wurden; auch wenn den dt. Kriegs-Verlierern unser Dank gehören könnte: Stell Dir vor, sie hätten gewonnen. Und: Ist es nicht an der Zeit, Denkmäler dieser totbringenden Fremdenfeindlichkeiten aus der Vergangenheit zu lösen, und sie – wie z. B. am Trafalgar Square in London – zukunftsschwangeren Themen zu widmen?
Vor allem in Dörfern und Kleinstädten besetzen diese Gedenkstätten oft zentrale Plätze, die heute sicherlich konstruktiver genutzt werden könnten. Wer würde Krieger- und Kriegs-Denkmäler vermissen? Viele Menschen wären erleichtert, die Freude über Alternativen wie lauschige Sitzecken oder Schulgarten-Anlagen statt der permanenten Erinnerung an Kriegzeiten groß. Bislang entstanden zu wenige Alternativen, wie Gegendenkmäler für die Opfer nationaler Gewalten. So viel Witz und Lust und Laune wie Werner Pieper bringen Herausgeber für ein Buch selten auf. Löblich. rnz
Die großen Verlagsauslieferungen zieren sich offenbar – oder „es dauert“ – Drum geben wir Ihnen hier, die Möglichkeit der Direktbestellung – dann hat der Herausgeber auch einen kleinen pekuniären Vorteil. Er kanns brauchen und hat es verdient. tno
Von: Pieper, Werner
Grüne Kraft, 2. Auflage 2015
116 S., kartoniert
ISBN: 978-3-930442-75-1
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