Präsident Trump wirft sozialen Netzwerken vor, die Redefreiheit zu unterdrücken, und hat eine Verfügung zu ihrer Reglementierung unterzeichnet. Twitter gibt sich unbeeindruckt und hat erstmals Nachrichten des Präsidenten mit Warnhinweisen zu Gewaltverherrlichung versehen. Donald Trump konterte nun mit einer am Donnerstag (28. Mai 20) unterzeichneten „Exekutiv-Verordnung“, welche die sozialen Netzwerke an die kurze Leine nehmen und zur Verantwortung ziehen soll, wenn sie die Redefreiheit ihrer Nutzer einschränken. Bei einer Pressekonferenz im Oval Office, mit Justizminister William Barr an seiner Seite, kritisierte der Präsident Konzerne wie Twitter und Facebook mit heftigen Worten. „Wir sind heute hier, um die Redefreiheit vor einer der grössten Bedrohungen zu schützen.“
Jetzt steht ein Rechtsstreit bevor
Konkret will Trump mit dem Dekret zum «Schutz vor Online-Zensur» die juristische Sonderbehandlung beenden, die soziale Netzwerke geniessen. 1996, also in den Kindertagen des Internets, legte der Kongress im Abschnitt 230 der Communications Decency Act fest, dass Internetplattformen nicht für das zur Verantwortung gezogen werden könnten, was ihre Nutzer schrieben und veröffentlichten; statt einem Verlag glichen sie mehr einem Dorfplatz, auf dem sich jeder austauschen könne. Das Gesetz schützt Facebook, Twitter, Youtube und andere Plattformen vor Rechtsklagen und gewährt ihnen gleichzeitig Spielraum, um Inhalte nach eigenem Ermessen zu löschen und zu zensieren.
Die Exekutiv-Verordnung sieht nun vor, dass Technologiefirmen zur Verantwortung gezogen werden können, sollten sie die Redefreiheit ihrer Nutzer in irgendeiner Weise einschränken. Dafür hetzt der Präsident den Firmen eine Reihe von Behörden und Untersuchungen auf den Hals, unter anderem sollen die Handelskommission und das Justizministerium Beschwerden von Nutzern sammeln. Justizminister Barr soll zudem ein neues Bundesgesetz zur Regulierung der Netzwerke erarbeiten. Es dürfte Monate dauern, bis daraus konkrete Konsequenzen folgen. Zudem sind sich Experten einig, dass die Verordnung vor Gericht landen wird. Eine Konsequenz scheint Washington zudem nicht bedacht zu haben: Sollten die Technologie-Konzerne am Ende tatsächlich ihren Sonderstatus verlieren und, ähnlich wie Verlage, für die Inhalte auf ihren Plattformen verantwortlich zeichnen, dürften sie viel stärker intervenieren als bisher. Das Ergebnis wäre weniger, nicht mehr Redefreiheit.
Donald J. Trump
✔ @realDonaldTrump
There is NO WAY (ZERO!) that Mail-In Ballots will be anything less than substantially fraudulent. Mail boxes will be robbed, ballots will be forged & even illegally printed out & fraudulently signed. The Governor of California is sending Ballots to millions of people, anyone…..
….living in the state, no matter who they are or how they got there, will get one. That will be followed up with professionals telling all of these people, many of whom have never even thought of voting before, how, and for whom, to vote. This will be a Rigged Election. No way!
Für Trump beging Twitter damit Hochverrat, weil seine Rede „zensiert“ worden sei. Der Präsident nutzt die Plattform täglich als Sprachrohr, mehr als 80 Millionen Nutzer folgen ihm dort. Seit Jahren testet er dabei wie ein kleines Kind die Schmerzgrenzen von Twitter und veröffentlicht fast täglich wüste Behauptungen, Verschwörungstheorien und Beschimpfungen auf der Plattform – bislang ohne Konsequenzen.
Und zwar tut Trump dies in altbekannter Manier mit Einschüchterungsversuchen, so liess er Hasstiraden gegen Twitter und einzelne Mitarbeiter im Fernsehen los, unterzeichnete vor laufenden Kameras das Dekret – und testete um 1 Uhr nachts noch einmal Twitters Schmerzgrenzen mit einem Tweet, in dem er insinuierte, dass die Polizei doch auf die plündernden Demonstranten in Minneapolis schiessen sollte.
Twitter wiederum zeigte sich unbeeindruckt von den Machtgebärden des Präsidenten und intervenierte erneut: Den Tweet zu Minneapolis versah die Plattform mit dem Hinweis, dass er gegen die Regeln zur Gewaltverherrlichung verstosse. Nutzer mussten erst den entsprechenden Hinweis wegklicken, bevor sie Trumps Tweet lesen konnten.
und nutzt so seinen Streit mit Twitter, um die liberalen Unternehmen der amerikanischen Westküste einzuschüchtern. Ein gefährliches Spiel.
Donald Trump reagierte, natürlich, mit einem Tweet. „Big Tech“ tue alles, um die Öffentlichkeit vor der Wahl 2020 zu zensieren. „Ich werde das nie geschehen lassen!“, ließ der Präsident der Vereinigten Staaten seine 80 Millionen Follower und alle anderen Mitleser wissen. Schon bald soll ein Dekret Plattformen wie Facebook, Youtube und Twitter erschweren, Inhalte zu löschen und Nutzer zu sperren.
Das wirkt wie die Reaktion eines beleidigten Narzissten, der Trump fraglos ist. Und Twitter hat schließlich diese Woche – erstmals – eine seiner vielen falschen Behauptungen mit dem vorsichtigen Hinweis versehen, dass diese möglicherweise irreführend sei. Bei der Initiative geht es jedoch um viel mehr: Der Instinktpolitiker will jene mächtigen Unternehmen einschüchtern, in denen Konservative den liberalen Geist des Silicon Valleys wittern. Gelegenheit macht – Tagesschau am 28. Mai – Hiebe.
Die Moderation von Inhalten in den sozialen Medien ist tatsächlich schwierig. Wann dürfen Unternehmen eingreifen, wann müssen sie es? Und wie? Durch Fakten, die Fake News konterkarieren, durch Löschen oder zumindest durch eine Abwertung per Algorithmus?
Die Folgen für die Demokratie können weitreichend sein, wie die Manipulation der Präsidentschaftswahl 2016 zeigt. Das Handeln und Nichthandeln der großen Technologieunternehmen muss daher diskutiert werden, nicht nur in kleinen Zirkeln in den Konzernzentralen, sondern auch auf der politischen Bühne.
Es bleibt ein Schaden
Gerade im konkreten und aktuellen Fall hat Twitter Argumente. Mit seiner Behauptung, die Briefwahl ermögliche Manipulationen, untergräbt der Präsident höchstpersönlich das Vertrauen in den politischen Prozess. Ein Hinweis auf andere Quellen ist aus demokratietheoretischer Sicht nachvollziehbar, wenn auch aus strategischen Erwägungen fragwürdig: Einen Dauerkonflikt mit dem notorischen Lügner Trump kann Twitter kaum wollen.
Ob Trumps Dekret, so es in Kraft tritt, einer Überprüfung vor Gericht standhalten würde, ist fraglich. Eine jahrelange Rechtsprechung lässt sich auch in den USA nicht mit präsidialer Anordnung über den Haufen werfen. Dennoch ist es geeignet, den Unternehmen zu schaden, etwa durch juristische Auseinandersetzungen. Schon dafür lohnt sich der Angriff dieses Möchtegerndespoten.
Präsident Trump wirft sozialen Netzwerken vor, die Redefreiheit zu unterdrücken, und hat eine Verfügung zu ihrer Reglementierung unterzeichnet. Twitter gibt sich unbeeindruckt und hat erstmals Nachrichten des Präsidenten mit Warnhinweisen zu Gewaltverherrlichung versehen.
Rechtsstreit steht bevor
Konkret will Trump mit dem Dekret zum «Schutz vor Online-Zensur» die juristische Sonderbehandlung beenden, die soziale Netzwerke geniessen. 1996, also in den Kindertagen des Internets, legte der Kongress im Abschnitt 230 der Communications Decency Act fest, dass Internetplattformen nicht für das zur Verantwortung gezogen werden könnten, was ihre Nutzer schrieben und veröffentlichten; statt einem Verlag glichen sie mehr einem Dorfplatz, auf dem sich jeder austauschen könne. Das Gesetz schützt Facebook, Twitter, Youtube und andere Plattformen vor Rechtsklagen und gewährt ihnen gleichzeitig Spielraum, um Inhalte nach eigenem Ermessen zu löschen und zu zensieren.
Die Exekutiv-Verordnung sieht nun vor, dass Technologiefirmen zur Verantwortung gezogen werden können, sollten sie die Redefreiheit ihrer Nutzer in irgendeiner Weise einschränken. Dafür hetzt der Präsident den Firmen eine Reihe von Behörden und Untersuchungen auf den Hals, unter anderem sollen die Handelskommission und das Justizministerium Beschwerden von Nutzern sammeln. Justizminister Barr soll zudem ein neues Bundesgesetz zur Regulierung der Netzwerke erarbeiten. Es dürfte Monate dauern, bis daraus konkrete Konsequenzen folgen. Zudem sind sich Experten einig, dass die Verordnung vor Gericht landen wird. Eine Konsequenz scheint Washington zudem nicht bedacht zu haben: Sollten die Technologie-Konzerne am Ende tatsächlich ihren Sonderstatus verlieren und, ähnlich wie Verlage, für die Inhalte auf ihren Plattformen verantwortlich zeichnen, dürften sie viel stärker intervenieren als bisher. Das Ergebnis wäre weniger, nicht mehr Redefreiheit.
Fürs Erste aber ist die Verordnung somit vor allem eine Gelegenheit für Trump, sich gegenüber seiner Basis als Verteidiger der Redefreiheit gegen eine linksliberale Technologie-Industrie in Szene zu setzen. Kritiker weisen darauf hin, dass Trump unter dem Deckmäntelchen der Redefreiheit seinerseits kritische Stimmen unterdrücken wolle. Zudem kann er mit dem aufgebauschten Konflikt mit Twitter davon ablenken, dass die Corona-Pandemie gerade ihr 100 000. Todesopfer in Amerika gefordert hat und dass die Gewalt von Polizisten gegen Schwarze eskaliert.
Er liess Hasstiraden gegen Twitter und einzelne Mitarbeiter im Fernsehen los, unterzeichnete vor laufenden Kameras das Dekret – und testete um 1 Uhr nachts noch einmal Twitters Schmerzgrenzen mit einem Tweet, in dem er insinuierte, dass die Polizei doch auf die plündernden Demonstranten in Minneapolis schiessen sollte.
Twitter wiederum zeigte sich unbeeindruckt von den Machtgebärden des Präsidenten und intervenierte erneut: Den Tweet zu Minneapolis versah die Plattform mit dem Hinweis, dass er gegen die Regeln zur Gewaltverherrlichung verstosse. Nutzer mussten erst den entsprechenden Hinweis wegklicken, bevor sie Trumps Tweet lesen konnten:
In einer Stellungnahme (oben im Original) rechtfertigte Twitter den Entscheid, auch den Tweet des Präsidenten mit mahnendem Hinweis zu versehen. Man dürfe Twitters Dienste nicht mit dem Ziel nutzen, eine Wahl oder einen anderen zivilen Prozess zu manipulieren. Darunter fielen auch alle Inhalte, die die Wahlbeteiligung unterdrückten oder die Menschen darüber täuschten, wann, wo und wie sie wählen könnten.
Schwierige Abwägung