Der Oscar-Preisträger Spike Lee hat auf Instagram einen dreieinhalbminütigen Kurzfilm über seine besonders von Corona gebeutelte Heimatstadt New York veröffentlicht. Spike Lee, eigentlich Shelton Jackson Lee, ist ein US-amerikanischer Filmregisseur, Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler. In seinen Filmen behandelt er gesellschaftspolitische und soziale Themen, insbesondere Rassismus gegenüber der afroamerikanischen Bevölkerung. Eine wehmütige Hommage: : „Weil Spike Lee sich von Kodak extra historisches Filmmaterial hat geben lassen, mit Fünfzigerjahre-Farben und einem Schwarz-Weiß wie aus der Stummfilmzeit, wirkt nun das New York dieser Tage historisch fremd, ein bisschen wie das menschenleere Paris auf den Bildern von Eugène Atget vom Ende des 19. Jahrhunderts. … New Yorks Herz schlägt noch, die Spitze des Empire State Building pulst in Rot.

„Ach, könnte das schön sein …“, man könnte den Dreieinhalb-Minuten-Film, den Spike Lee auf Instagram gepostet hat, als rührige kleine New-York-Hommage verstehen. Andere haben sich die Lockdown-Wochen mit Online-Yoga oder asiatischem Kochen vertrieben, Lee hat eben einen Super-8-Film gedreht, eine kleine Bastelarbeit, mit der er seine Stadt in den ersten Bildern feiert und nebenbei ein bisschen Mut machen will. Wie ein Tourist auf Sightseeing-Tour stoppt er am Times Square, beim Yankee Stadium und bei der Statue of Liberty. Es ist, als wolle er seinen Mit-New-Yorkern Postkarten aus der eigenen Stadt schicken, um ihnen zu versichern: Seid beruhigt, ihr zu Hause auf den Sofas, es ist alles noch da. Und seht mal, im Prospect Park blühen die Krokusse! Wie jedes Jahr!

Doch die Freude hält nicht, die Stimmung kippt schnell. Verhalten klatschen die Wellen an den leeren Strand von Coney Island. Verwegen wirbelt die Kamera um die berühmte Uhr in der Grand Central Station, doch außer einer Person am Horizont der Halle rührt sich nichts. Oder sind es doch zwei? Und seit wann gehören zugekettete Basketballplätze und Kinderschaukeln, die nur der Wind bewegt, zu den New Yorker Landmarks?

Und weil Spike Lee sich von Kodak extra historisches Filmmaterial hat geben lassen, mit Fünfzigerjahre-Farben und einem Schwarz-Weiß wie aus der Stummfilmzeit, wirkt nun das New York dieser Tage historisch fremd, ein bisschen wie das menschenleere Paris auf den Bildern von Eugène Atget vom Ende des 19. Jahrhunderts.

Als wäre das nicht genug, hat Spike Lee über all die düsteren Bilder auch noch Frank Sinatras triumphale Hymne „New York, New York“ gelegt – als höhnischen Gruß aus der Zeit, als die Stadt und ihre Bewohner sich in einem magischen Energieverbund wechselweise zu Höchstleistungen anzustacheln schienen. Und als hier alles erlaubt war, nur das Scheitern nicht. Vorbei. Die ersten Menschen, die hier auftauchen, bewegen sich schwerfällig in unförmiger Schutzkleidung. „These little town blues …“ – die Kamera schwenkt über das Feldlazarett im Central Park. „I’ll make a brand new start of it“ – vermummte Schwestern bitten Erkrankte ins „Trauma Center“. New Yorks Herz schlägt noch, die Spitze des Empire State Building pulst in Rot. Doch das Blinken könnte auch ein Notsignal an die Welt sein. Und Sinatras schmetterndes „New Yoooork“ ein verzweifelter Hilferuf.

 

Mai 2020 | Allgemein, Feuilleton, Gesundheit, Junge Rundschau, Politik, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren