Der amerikanische Schriftsteller ist heute vor allem als Autor der Bücher über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn bekannt. Berühmt war er aber auch als Reiseschriftsteller. 1878 besuchte er auf seiner ausgedehnten Europareise auch die Burgfeste Dilsberg – und war fasziniert von der Sage über einen unterirdischen Geheimgang. Seine Erlebnisse lassen sich in einem Klassiker der Reiseliteratur nachlesen: „A tramp abroad“ oder in der deutschen Übersetzung: „Bummel durch Europa“. Mark Twain (1835-1910) bestieg im April 1878 den Dampfer Holsatia, um zu seiner zweiten Europareise aufzubrechen. In Deutschland besuchte er Hamburg, Frankfurt, Heidelberg, Baden-Baden, den Rhein, Main, Neckar und den Schwarzwald.

Seine Erlebnisse veröffentlichte er zwei Jahre später im halb-fiktiven Reisebericht „Bummel durch Europa“. Das Buch beschreibt eine Reise von zwei Freunden durch Deutschland, die Alpen und Italien im Jahr 1878. Der Ich-Erzähler ist Mark Twain selbst, der Reisebegleiter seinem Freund Joseph Twichell nachgebildet. Der Reiseplan folgt – typisch für die Zeit – dem maßgeblichen Reiseführer Baedeker. Der Band, in dem die touristischen Reiseziele entlang des Rheins vorgestellt werden, erschien 1861 in der ersten englischen Ausgabe. Er war über Generationen ein internationaler Bestseller und bestimmte das Deutschlanderlebnis für viele Touristen aus den USA – auch für Mark Twain.

Mark Twains wanderung hoch über dem tal
Bei einer Floßfahrt auf dem Neckar von Heilbronn nach Heidelberg lernte Mark Twain die Burgfeste Dilsberg kennen. Den sechseckigen Bergfried muss er schon vom Neckar ausgesehen haben, er überragt noch heute die Burg und das kleine Städtchen Dilsberg auf der Kuppe hoch über einer Neckarbiegung. Besonders interessierte sich Twain für die Legende zu einem unterirdischen Gang, der zu einer weit entfernten geheimen Stelle im Tal führen sollte. „Der Dilsberg ist“, notierte Mark Twain, nachdem er in zwei Stunden ächzend hinaufgestiegen war, „ein wunderlicher Ort“ und berichtet weiter: „Die Kinder sagten, es gäbe da unten tatsächlich einen unterirdischen Ausgang, und sie wollten es beweisen. Sie setzten also ein großes Strohbündel in Brand und warfen es in den Brunnen hinein, während wir uns über die Einfassung beugten und beobachteten, wie eine glühende Masse hinab sank… Die Kinder klatschten in die Hände und sagten: ‚Sehen Sie wohl! Nichts raucht so sehr wie brennendes Stroh – also wohin ist der Rauch gezogen, wenn kein unterirdischer Ausgang da wäre?‘ “

Die Sage von einem unterirdischen Geheimgang

Als die kurpfälzische Garnison im 17. Jahrhundert mit ihren Soldaten in die Burg Dilsberg einzog, stieg der Wasserbedarf und der Brunnen im Burghof musste vertieft werden. Während der Bauarbeiten wurde der Brunnen mit Hilfe eines Schachts belüftet. Dieser Stollen im Berg war es, der sich im Lauf der Jahrhunderte zum Geheimgang wandelte. Obwohl er zugeschüttet war, hielt sich die Erinnerung an den unterirdischen Weg durch den Berg und bald kursierten Gerüchte über einen unterirdischen Gang, der von der Burg Dilsberg zu einer Neckarsteinacher Burg führen sollte.

Die Wiederentdeckung

Ohne Mark Twain wäre der Brunnenstollen vielleicht nicht entdeckt worden. Twains Erzählung regte nämlich den Deutsch-Amerikaner Fritz von Briesen an, der Sage auf den Grund zu gehen. Er reiste aus New York an und ließ sich in den Brunnen hinabseilen, wo er tatsächlich den Eingang zu einem Stollen fand! Mit einer Spende des Entdeckers konnte der Gang 1926 wieder freigelegt werden. Heute ist er eine besondere Attraktion, die im Sommer besichtigt werden kann.

Mark Twains weitere Besuche

Etwas weiter den Neckar hinab, kam Twain schließlich in Heidelberg an und berichtete begeistert über die Umgebung und die Ruine: „aus einem wogenden Gemenge von lebhaftem grünem Blattwerk, erhebt sich, einen Büchsenschuss entfernt, die riesige Ruine des Heidelberger Schlosses mit leeren Fensterbögen, efeuberankten Zinnen, verfallenen Türmen – der König Lear der unbelebten Natur: verlassen, seiner Krone beraubt, von Stürmen gepeitscht, aber immer noch königlich und schön“.

Apr. 2020 | Heidelberg, Allgemein, Zeitgeschehen | Kommentieren