Widerwärtige Dreckspatz*In – raus hier!

Schwarze Schwäne seien – sagt und hört man – selten. Doch schon der römische Meister der Satire, Juvenal, kannte sie. Wenn auch mitunter in einem allegorischen Zusammenhang: Rara avis in terris nigroque simillima cygno („… [er ist wie] ein seltener Vogel in den [in den fremden] Ländern, [ähnlich] wie ein schwarzer Schwan „…).
Die Leute im Mittelalter mögen zwar unwissender in Bezug auf das Faktenwissen gewesen und auch Zusammenhänge mögen dem mediavälen Menschen nicht wie heutzutage klar gewesen sein. Und der Alltag, der war ja eh vom Aberglauben bestimmt. Eines aber konnten die Mittelaltler ganz gewiss: sie konnten sehr gut beobachten – und daraus Schlüsse ziehen!

Und wenn etwas auftauchte, das nicht in Ihre (Gedanken)Welt passte, so blieb nur ein Schluss: Das (weg damit) bedeutet nichts Gutes – (es sei denn, ich tu es) und wir wollen aber auch (dann; hernach) nichts davon wissen, respektive davon gewußt haben.
Jahrhundertelang wurde die Existenz von schwarzen Schwänen massiv bestritten und die Sichter und Erzähler darüber im besten Fall ignoriert. Schlimmsten Falls aber  wurden sie (zuerst gefoltert) und getötet – ähnlich dem Überbringer von Kriegsniederlagen in antiker Zeit -, da nie sein kann, was nicht sein darf. Besonders im Mittelalter wurde schwarzen Schwänen gar nichts Gutes nachgesagt und als unmittelbares schlechtes Omen für Unglück, Krankheiten, Krieg und anderes Ungemach gedeutet.

In unserer heutigen – mehr oder minder aufgeklärten – Welt ist ein „Black-Swan-Event“ ein Ereignis, welches nicht vorhersehbar ist, das alle Beteiligten (auch die Beobachter und somit nicht unmittelbar Beteiligten) absolut unvorbereitet trifft, aber auch, dass das Ereignis im Nachhinein rational erklärt und bewiesen werden kann. Nassim Nicholas Taleb (ein ehemaliger Finanzmathematiker und Spezialist für Derivat- und Anlage-Strategien sowie Autor des Buches „The Black Swan“) meint unter anderem, … dass wir viel weniger wissen, als wir glauben und dass die Vergangenheit nicht in naiver Weise dazu benutzt werden sollte, die Zukunft zu prognostizieren … Auch setzt er sich sehr kritisch mit der retrospektiven „Um-Schreibung“ der Vergangenheit auseinander, der generellen Überbewertung der intellektuellen Elite sowie der Illusion, gegenwärtig stattfindende Ereignisse zu verstehen bzw richtig in den Fluss der Zeit einzuordnen. Aber wie heisst es doch so treffend: Geschichte wird nicht gemacht, Geschichte wird geschrieben – und, manchmal wird sie auch um-geschrieben.

Interessanter- und kurioserweise wird die ursprünglich aus der Finanz(Derivat)Mathematik kommende „Black-Swan-Theory“ – die  alsbald auf  die Politik und Ökonomie überschwappte – nicht nur in der Wirtschaft, sondern nun auch –

Ach, wie gut, dass Niemand weiß, dass ich …

innerhalb der Geologie als Begriff verwandt (vorgebracht im April 2012 am „European Geosciences Union“-Kongress in Wien), das nächste Erdbeben dann wird irgendwann auch ein als „Schwarzer Schwan“ galoppierendes Beben  grassierend gewesen sein  durch die Welt und zu guter Letzt wird die derzeit angst und bange machende „Corona“ Geschichte gewesen sein!! Wohin man blickt  – allüberall auf den Tannenspitzen nix als Weltuntergänge und überhaupt zeigt der „inflationäre“ Gebrauch aber zumindest auch eines ganz deutlich: Die explorative (erkundende) Wissenschaften – auch die naturwissenschaftlichen – sind nicht erst seit gestern kaum mehr in der Lage, die Entwicklungen (auch nur annähernd) vorher zu sagen oder (auch nur annähernd) Alternativen anzubieten und somit zeigt der Terminus des „Black Swan“ nur die Unsicherheiten und Unschärfen in den Wissenschaften schonungslos auf.

Der bereits erwähnte N. N. Taleb nennt die Wirtschaftswissenschaften in einem Beitrag (Hallo, Herr Professor Pu.) eine „Pseudowissenschaft“ und legt auch – ganz gut und nachvollziehbar – dar, wie (klassische) Wirtschaftswissenschaften ganze Ökonomien zerstören können.

Was denn nun also vom Tage überbleibt, ist wohl nur mehr die – oft, zu oft und dann im Nachhinein – deskriptive (beschreibende) Wissenschaft, mit deren Arten und Unarten wir uns allerorts herum zu schlagen haben.
Andererseits hinwiederum erwiesen sich die von Taleb entwickelten Derivatpapiere ab dem Jahr 2008 ausgesprochen gut … Wusste er mehr als die anderen?  War´s vielleicht wirklich doch nur ein – gewinnträchtiger, neuer – Algorithmus? Oder war´s nur Zufall?

März 2020 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Senioren, Wirtschaft | Kommentieren