Alle Jahre wieder diskutiert die Politik über Sinn und Unsinn eines Tempolimits. Wieder einmal. Nachdem auf brandenburg`schen Autobahnen bereits ein Tempolimit 130 kmh gilt, zeigt eine Umfrage im Rest der Republik: Die Mehrheit der Deutschen ist für eine Begrenzung der Geschwindigkeit auf Autobahnen, wohingegen der Verkehrsminister sich unter die Leute gebrachter Weise seiner Sache sicher zu sein vorgab.
„Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hochemotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen – für das es gar keine Mehrheiten gibt“, sagte Andreas Scheuer angesichts der aktuellen Diskussion über ein Tempolimit auf Autobahnen. Was weiß da wieder und warum wohl ein Minister mal wieder alles anders (und natürlich besser), als es eine Mehrheit der Bürger wollen? Darüber kann spekuliert werden. Tun wir das. Und gehen wählen …

Was Wunder, dass diese Frage im Autofahrerland Deutschland hochemotional ist – da hat der CSU-Politiker zweifellos recht. Und dass es derzeit im Bundestag keine Mehrheit für ein Tempolimit gibt, zeigte sich erst im Oktober, als das Parlament mit deutlicher Mehrheit einen entsprechenden Antrag der Grünen ablehnte.

In der Bevölkerung aber sieht das anders aus:

Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey hervor. Darin zeigt sich breite Unterstützung für eine generelle Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen.

40 Prozent der Befragten für Tempolimit 130

In der Umfrage sprach sich nur etwa jeder dritte Befragte (31,1 Prozent) grundsätzlich gegen ein Tempolimit aus. Für eine verbindliche Höchstgeschwindigkeit waren dagegen gut zwei Drittel der Teilnehmer. Uneinigkeit besteht in der Antwort auf die Frage, wo die Tempo-Obergrenze liegen soll.

  • Am meisten Unterstützung (40,0 Prozent) fand eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde.
  • Für ein Tempolimit von mehr als 130 Stundenkilometern votierten 11,7 Prozent der Befragten – fast ebenso viele sprachen sich dafür aus, auf Autobahnen maximal Tempo 120 zu erlauben (11,2 Prozent).
  • Ein niedrigeres Tempolimit fand dagegen kaum Zuspruch: Für Tempo 110 oder weniger sprachen sich nur 2,5 beziehungsweise 1,7 Prozent der Befragten aus.

Für die Erhebung befragte Civey im Zeitraum vom 26. November bis 26. Dezember mehr als 3000 Personen. Die Fehlertoleranz liegt bei 2,7 Prozent.

Wie hoch sollte ein allgemeines Tempolimit
auf deutschen Autobahnen sein?
Auf den meisten Autobahnabschnitten in Deutschland gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzung – dies gilt für etwa 70 Prozent der Strecken. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen gibt es laut der Bundesanstalt für Straßenwesen auf 20,8 Prozent der Autobahnen. Am häufigsten sind Tempo 120 (7,8 Prozent) und Tempo 100 (5,6 Prozent). Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen. Unabhängig davon gilt seit mehr als 40 Jahren eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130.
Damit ist Deutschland nicht nur innerhalb Europas ein Exot. Laut ADAC gibt es überall sonst in der Europäischen Union Tempo-Beschränkungen. Die Niederlande etwa hatten Mitte November Tempolimit 100 für Autobahnen beschlossen, um den Ausstoß an Stickoxiden zu minimieren.

In Deutschland dürfte der Streit noch lange nicht ausgestanden sein. Die SPD will das Tempolimit in der Koalition thematisieren, Scheuer lehnt das ab. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken beharrte allerdings auf entsprechenden Gesprächen.

Das Meinungsforschungsinstitut Civey arbeitet mit einem mehrstufigen vollautomatisierten Verfahren. Alle repräsentativen Echtzeitumfragen werden in einem deutschlandweiten Netzwerk aus mehr als 20.000 Websites ausgespielt („Riversampling“), es werden also nicht nur Nutzer von SPIEGEL ONLINE befragt. Jeder kann online an den Befragungen teilnehmen und wird mit seinen Antworten im repräsentativen Ergebnis berücksichtigt, sofern er sich registriert hat. Aus diesen Nutzern zieht Civey eine quotierte Stichprobe, die sicherstellt, dass sie beispielsweise in den Merkmalen Alter, Geschlecht und Bevölkerungsdichte der Grundgesamtheit entspricht. In einem dritten Schritt werden die Ergebnisse schließlich nach weiteren soziodemografischen Faktoren und Wertehaltungen der Abstimmenden gewichtet, um Verzerrungen zu korrigieren und Manipulationen zu verhindern. Weitere Informationen hierzu finden Sie auch in den Civey FAQ.
Dez 2019 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude, Senioren, Theater | Kommentieren