Is´ doch so: Leben macht alt! Aber: Hassen macht krank!

Die Hassrede, oder – wie das neudeutsch heißt – Hate Speech hat nicht ohne Grund einen schlechten Ruf. Und diese ist – zwar – insofern auch berechtigt, als sie die Welt nicht besser macht. Hass aber ist keine Meinung; auch nicht, da wir sie allgegenwärtig oft zu hören bekommen, gerne ergänzt um die Behauptung: „sondern ein Verbrechen“. Hoppla, wäre also Jeder, der (oder die) entweder jemanden oder etwas hasst (ausnamsweise mal „plolitisch korrekt“): ein(e) Verbrecher (in)? Ups. Hass ist keine Meinung, denn Hass ist ein Gefühl. Und damit ist und sei und bleibe Hass erstmal eine ganz private Angelegenheit.

So nämlich, wie Träume, Fantasien, Liebe. Relevant für andere – auch für Politiker, die Gesetze machen – kann Hass erst werden, wenn er sich  artikuliert. Wenn dem Gefühl Taten folgen. Und, bei aller Freiheit der Meinung und so weiter: Im Netz hat Hass nichts zu suchen. Dies aber sei hier und jetzt nicht unser Thema – damit beschäftigen wir uns im folgenden Beitrag.

Hass ist Böse. Aber: Muß alles Böse Sünde sein?

In der Diskussion gehe es deshalb auch vor allem um eine ganz bestimmte Ausdrucksform von Hass: Um Sprache – „Hate Speech“. Nach dem neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetz gilt: Wird auf Facebook oder Twitter Gesetzeswidriges verbreitet, droht den Betreibern ein saftiges Bußgeld, wenn sie das Böse nicht rechtzeitig eliminieren. Und, was Wunder, gibt es derzeit allerhand Streit um gelöschte und nicht gelöschte Sätze, Bilder, Worte.

Es gibt Mahner (zu denen wir uns bekennen), die das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gefährdet sehen, und es gibt jene, denen (zu denen wir uns auch bekennen) nicht genug getan wird gegen Volksverhetzung und Menschenverachtung im Internet. Um Strafbares geht es dabei freilich nur selten.

Aber wenn wir ein anderes Wort nehmen, muss wohl jeder einräumen, diesen emotionalen Zustand zu kennen: Wut. Doch auch die wurde schon mit dem Begriff „Wutbürger“ diffamiert. Dass Hass weder eine Frage des politischen Spektrums noch der formalen Bildung oder beruflichen Erfüllung ist, wird in den sozialen wie klassischen Medien bei vielen Kommentaren deutlich.

Ein arbeitsloser Ronny aus Cottbus beklagt auf Facebook, der Staat tue seit zwölf Jahren nichts für ihn, aber „die Flüchtlinge“ bekämen alles irgendwohin geblasen. Auf den Hinweis, dass es sich bei Ronny um ein Fake handelt, entgegnet ein grüner Politiker: „Dieser Ronny ist ziemlich repräsentativ für dieses nervige Pack.“ Eine üblicher Konter unter fast jedem „Hass-Kommentar“ lautet: „Lösch dich!“ Klingt auch nicht nach Fürsorge.

Die taz berichtete vor wenigen Tagen von Kundgebungen in Dresden, bei denen Demonstranten einen „Nazimarsch“ stören wollten. Das Foto zum Artikel zeigt eine alte Dame mit Trillerpfeife und gestrecktem Mittelfinger. Headline: „Friedlicher Protest gegen Neonazis“. Ja, es war friedlich, aber auch hasserfüllt.

Und der Schriftsteller Maxim Biller polemisierte gerade in der „Zeit“ unter dem netten Titel „Wer ist hier das Arschloch?“ gegen die gesamte Leserschaft, Zitat: „Heftige, obszöne, hasserfüllte intellektuelle Debatten passen nicht in das gegenwärtige linksrechte Weltbild der inzwischen so prüden, erzreaktionären Feuilleton-Volksgemeinschaft, der Sie angehören.“ Uff.

Hass ist nachvollziehbar. Aber:

Ja, aber bitte, jede Menge Hass ist berechtigt, wenigstens nachvollziehbar. Was soll ein veganer Tierrechtler angesichts der Massentierhaltung anderes empfinden als Hass auf diejenigen, die für das Leid verantwortlich sind? Will jemand behaupten, er empfände keinen Hass auf Autoraser, wenn das eigene Kind genau von diesem Motorwahn getötet wurde? Und wer eine geflüchtete Familie im Kirchenasyl betreut hat und dann erleben muss, wie diese abgeschoben wird, nicht von der AfD, sondern von der Staatsmacht: Darf derjenige keinen Hass auf Behörden fühlen?

Wut ändert natürlich noch nichts, sie ist ja meist Ausdruck totaler Machtlosigkeit. Wenn jemand vor sich hin schnaubt „na warte, dir werde ich es zeigen“ bedeutet das doch: Ich würde so gerne, aber ich kann ja nicht, also schimpfe ich.

Machen wir (k)ein Drama daraus?

„Hate Speech“ macht die Welt nicht besser. Aber Wut zu verbieten, macht sie schlechter – die Wut gibt es nun mal. Vieles davon ist Schall und Rauch, kein weiteres Wort wert, verpufft in dem Moment, da für den riesengroßen Ärger Sätze, Worte oder Bilder gefunden wurden. Danach kann es oft wieder konstruktiv weitergehen. Und wenn einem vor lauter Zorn die Worte fehlen, knallt man eben eine Tür laut hinter sich zu. Empathische Kollegen oder Familienmitglieder machen daraus kein Drama.
Im Netz aber, da hat Hass nichts zu suchen! Basta. Und aber:

Dez 2019 | Allgemein | Kommentieren