Manche Lügen gelten als harmlos, etwa solche rund um das Christkind oder den Weihnachtsmann. Langfristig können sie dennoch schaden, wie eine Studie nahelegt: Wer als Kind oft in guter Absicht angelogen wurde, lügt später selbst recht häufig. „Der Nikolaus sieht alles, und wenn du jetzt nicht gleich ins Bett gehst, wird es vielleicht nichts bringen.“ Nicht nur in der Vorweihnachtszeit lügen Eltern ab und zu, um Regeln durchzusetzen oder ein gewünschtes Verhalten zu erzwingen, z. B.: „Wenn du jetzt nicht aufisst, wirst du wohl nicht mehr wachsen.“

Das bestätigen auch Untersuchungen aus so unterschiedlichen Ländern wie den USA und China.

In der Regel sind solche Lügen harmlos und außerdem gut gemeint. Dennoch entsteht ein gewisser Widerspruch, denn die meisten halten Ehrlichkeit in der Erziehung für sehr wichtig, auch gegenüber dem Nachwuchs wird das gern betont. Ob sich diese Ambivalenz bzw. die elterlichen Lügen auf die soziale und moralische Entwicklung der Kinder auswirkt, ist allerdings noch kaum untersucht, schreibt das Team um Peipei Setoh von der Nanyang Universität in Singapur in seiner aktuellen Studie, die im „Journal of Experimental Child Psychology“ erschienen ist. Einige Arbeiten legen aber nahe, dass es kurz- wie langfristig nicht ohne (negative) Folgen bleibt, wenn Erwachsene lügen. Bei einem Experiment mit Fünf- bis Siebenjährigen beispielsweise logen Kinder bei einem Spiel häufiger, wenn zuvor auch der erwachsene Versuchsleiter gelogen hatte.

Sanfter Zwang

Setoh und ihre Kollegen aus Kanada und den USA analysierten die Auswirkungen der elterlichen Lügen nun mit einer Serie an Befragungen. Knapp 380 junge Erwachsenen, alle Studierende an der Universität Singapur, nahmen daran teil. Die meisten waren chinesisch, indisch oder malaysisch.

Zuerst wurden sie zu den Lügen der Eltern in ihrer Kindheit und Jugend befragt: Das Spektrum reichte von simplen Essenslügen wie „Es gibt keine Süßigkeiten mehr“ (auch wenn sehr wohl noch welche im Haus waren) über Klassiker wie „Wenn du lügst, bekommst du eine lange Nase“ bis zu härteren Versionen wie „Wenn du jetzt nicht kommst, holt dich ein Kidnapper, wenn ich fort bin“. Die Teilnehmer mussten angeben, ob ihnen die Sätze aus der eigenen Vergangenheit vertraut sind und wie häufig ihre Eltern zu solchen Flunkereien griffen.

Danach wurden sie zu ihrer eigenen Lügenpraxis befragt: Ob sie etwa gegenüber ihren Eltern manchmal nicht ganz die Wahrheit sagen, wenn es z. B. um Noten oder Unternehmungen geht; ob sie ab und zu übertreiben oder lügen, um andere zu schonen. Danach mussten sie noch zwei standardisierte Fragebogen ausfüllen, die dazu dienen, psychosoziale Auffälligkeiten oder Pathologien zu identifizieren.

Unehrlichkeit vererbt sich

Die Auswertung ergab: Tatsächlich lügen jene, die zumindest in ihrer Erinnerung am häufigsten von ihren Eltern angelogen wurden, später am meisten. Und die Teilnehmer, die selbst viel lügen, leiden wiederum öfter unter psychosozialen Anpassungsschwierigkeiten, z. B. impulsivem und aggressivem Verhalten.

Möglicherweise, so die Studienautoren, denken die Kinder, dass Lügen nicht so schlimm und vor allem ein akzeptiertes Mittel zum Zweck ist, wenn Eltern häufig lügen. Es kann aber auch sein, dass das Vertrauen von der Unehrlichkeit untergraben wird – deswegen erzählt man später selbst lieber nicht die Wahrheit.

Wie die Forscher betonen, könnte es natürlich noch andere Ursachen für den statistischen Zusammenhang zwischen elterlichen und kindlichen Lügen geben. Für Eltern ist die Studie vielleicht dennoch ein Anstoß, darüber nachzudenken, ob es sich langfristig wirklich immer auszahlt, dem Nachwuchs eine Lüge aufzutischen, wenn er bloß ins Bett gehen oder aufessen soll.

Dez 2019 | Allgemein | Kommentieren