Der chinesische Tech-Konzern Huawei ist durch den Wirtschaftskrieg mit den USA in die Krise gestürzt. Ein Besuch bei Firmengründer Ren Zhengfei, der über Washington lästert – und Deutschland gerne auf seine Seite ziehen würde. Der Gründer von Huawei empfängt in einem Ambiente, das vom Aufstieg und Fall großer Imperien erzählt. Doch weder Triumph noch Niederlage, so sieht es Ren Zhengfei, geben den Zustand seines Konzerns richtig wieder.
Stattdessen nimmt der 75-Jährige ein Schwarz-Weiß-Foto in die Hand. „Das hier ist ein gutes Symbol dafür, wo Huawei sich gerade befindet“, sagt er.Auf dem Foto ist eine Iljuschin II-2 zu sehen, ein sowjetisches Kampfflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Seine Tragflächen sind durchlöchert, offenbar wurde es von feindlicher Artillerie getroffen, doch trotz des lädierten Zustands hält es sich in der Luft. „Das Huawei-Flugzeug fliegt noch“, sagt Ren. „Wir arbeiten hart daran, die Löcher zu flicken.“
Da hat Ren einiges zu tun. Sein Imperium steht unter Beschuss wie selten, seit die USA Rens Tochter vor knapp einem Jahr in Kanada haben festsetzen lassen. „Ich telefoniere nicht oft mir ihr“, sagt Ren – und fügt eine Spitze hinzu: „Sie wissen ja, die USA könnten die Kommunikation überwachen.“
Washington wirft Rens Tochter vor, die amerikanischen Iran-Sanktionen gebrochen zu haben; den Konzern des Vaters verdächtigen die USA, chinesischer Spionage Tür und Tor zu öffnen.
Huawei ist zwischen die Fronten eines Wirtschaftskrieges geraten, dessen Ausgang womöglich darüber entscheiden wird, wer für die nächsten Jahrzehnte die ökonomische Vorherrschaft in der Welt übernimmt: die USA oder China.
Eine Waffe in diesem Krieg sind Straf – zölle auf Handelswaren, mit denen vor allem US-Präsident Donald Trump die chinesische Führung mürbe machen will.
Doch die Schlachten werden auch auf anderen Feldern ausgetragen: über die Wechselkurse der Währungen etwa und über Sanktionen gegen Unternehmen.
Die Trump-Regierung will Huawei beim Ausbau der 5G-Mobilfunknetze an den Rand drängen und hat den chinesischen Netzwerkausrüster auf eine schwarze Liste gesetzt. Wenn diese Maßnahme wie angekündigt am 19. November greift, dürfen US-Unternehmen mit Huawei keine Geschäfte mehr machen. Auch Google nicht. Huawei-Smartphones, die allesamt auf dem Betriebssystem Android laufen, könnten dann den Play Store nicht mehr nutzen.
So eine Gemengelage könnte jeden Telekommunikations-Unternehmer in die Panik treiben. Ren nicht – zumindest will er das an diesem Mittwochnachmittag unter Beweis stellen. Er will zeigen, dass Huawei unbesiegt ist. „Wir brauchen die USA nicht“, sagt er. „Ob die US-Regierung uns von der schwarzen Liste nimmt oder nicht, wir können aus eigener Kraft überleben.“
Seinen Aufstieg hat Ren jedenfalls auf diese Weise bewerkstelligt. Noch heute wirkt er weniger wie der Lenker eines Weltkonzerns, mehr wie ein bauernschlauer chinesischer Großvater. Der Pomp des Gästehauses steht im Kontrast zu seinem legeren Outfit: weiße Socken in dunklen Lederslippern, der oberste Knopf des rosa Leinenhemds steht offen. Sein schwarzgefärbtes Haar wächst silbrig nach, die Oberlippe hatte er sich heute nicht rasiert.
Das Misstrauen westlicher Geheimdienste
Ren hat Huawei 1987 gegründet, nachdem bereits mehrere erfolglose Anläufe als Unternehmer hinter ihm lagen. Zunächst importierte Huawei Hardware aus Hongkong, die Entwicklung eigener Geräte begann erst Jahre später.
Den Grundstein für seine Karriere legte Ren schon in den Siebzigerjahren. Damals half er als Ingenieur der Volksbefreiungsarmee, eine Textilfabrik aufzubauen. Seine Armeevergangenheit hat ihm das Misstrauen westlicher Geheimdienste eingetragen, genau wie der Umstand, dass er seit 1978 Mitglied der Kommunistischen Partei ist.
Auch Bundesaußenminister Heiko Maas hat erst in dieser Woche laut überlegt, ob man nicht politische Vertrauenswürdigkeit zur Voraussetzung für Anbieter machen solle, die in Deutschland 5G-Netze ausrüsten wollen. Die Frage steht im Raum, ob ein Anbieter aus der Volksrepublik diese Anforderung erfüllen kann.
„Wenn man ein politisches Urteil fällt, das auf dem Herkunftsland eines Unternehmens gründet, wer kann dann dein guter Freund sein?“ fragt Ren zurück. „Welches Land ist glaubwürdig? Die Vereinigten Staaten? Die produzieren aber kein vergleichbares Equipment wie wir.“ Deutschland komme an Huawei nicht vorbei, um seine Industrie weiter zu digitalisieren und zu vernetzen. „Die deutsche Industrie braucht dafür ein modernes System zur Datenübertragung. Auf dem Feld ist Huawei der Beste.“
Um den Verdacht auszuräumen, dass China mittels Huawei-Technologie in Deutschland spionieren oder gar die Kommunikation stören könnte, schlägt er eine schriftliche Garantie vor. „Wir bieten Deutschland an, ein No-Backdoor-Agreement zu unterzeichnen“, sagt Ren – hier lesen Sie mehr.
„Wir haben auch Weingläser aus Deutschland“
Nach etwa einer halben Stunde hat er sich aufgewärmt. Seine Gesten werden weiter, er lehnt sich im Stuhl zurück. Zunehmend findet er Gefallen daran, im Angesicht der Misere zu spotten.
Darauf angesprochen, dass der Tee ja in Tassen aus Meißner Porzellan serviert werde, ruft er: „Wir haben auch Weingläser aus Deutschland, und Messer und Gabeln! Ich habe mal gesagt: Wenn Deutschland nicht diese unternehmerfeindlichen Arbeitsgesetze hätte, gäbe es auf der ganzen Welt kein Besteck, das nicht aus Deutschland stammt.“
Überhaupt könnten Deutschland und Europa doch viel bessere Geschäfte machen, wenn sie ihre Chancen nur besser nutzen würden. „Da die USA nicht mehr nach China verkaufen wollen, scheint mir das eine Möglichkeit für Europa zu sein, sich stärker zu entwickeln.“
Die Volksrepublik habe einen enormen Bedarf an Computerchips. Das gilt auch und gerade für Huawei, dessen Lieferketten derzeit durch den Handelskrieg mit den USA gehörig durcheinanderkommen.
„Unsere Mitarbeiter fühlen, dass wir in einer Krise stecken“
Wieso investiere Europa nicht massiv in die Produktion? Wenn man sich anstrenge, könne man in diesem Feld vielleicht zu der Chip-Nation Taiwan aufschließen. Deutschland habe doch Halbleiterhersteller wie Infineon. „Überzeugen Sie diese Unternehmen, ihre Produktion auszuweiten! Falls die gerade nicht genug Geld haben, könnte Huawei ihnen was vorstrecken – eine Milliarde, zwei Milliarden Dollar, um ihre Entwicklung zu unterstützen.“ Rens Entourage kringelt sich vor Lachen, selbst der Dolmetscher muss sich das Lachen verkneifen. Aus Shenzhen: Georg Fahrion