Die geplante Gründung eines Interdisziplinären Zentrums für Diktaturforschung an der Humboldt-Universität sorgt für Streit mit unter anderem dem von studentische Mitgliedern des Akademischen Senats vorgebrachten Argument, es seien beim Antragsteller Antidiskriminierung und Diversität nicht gewährleistet. Der Streit schwelt also weiter, womit aber Sabine Kunst, die Präsidentin der Humboldt-Universität, den Ruf ihrer Hochschule nicht gefährdet sieht.
Wann immer Kirche sich von der Gegenwart entfernte, pflegte sie das in Richtung Vergangenheit zu tun. Da schließlich weiß sie sich zu Hause. Den Versuch, sich nach vorn zu entfernen, gehen nur wenige Theologen. Dem, dass „tno“ diesen Weg oft (bis hin zum Mitglied des Kirchengemeinderates an Heiliggeist Heidelberg) gegangen ist – und mit ihm Menschen jeden Glaubens – wurde immer mit heftigstem Ach -du-lieber-Gott-Wehgeschrei begegnet.
Wir hingegen begegnen alledem mittlerweile mit Abstand auf diese Weise:
Es ist fünf vor zwölf
Wittgenstein war im Zusammenhang mit alledem ja bereits im Spiel. Von ihm aus führt ein gerader Weg zum französischen Philosophen der Postmoderne Jean-Francois Lyotard, der in seinen Satzregelsystemen Sätze mit Ordnungsformen ineinander verkettet. Eine bestimmte Art von Frage erfordert eine bestimmte Art von Antwort: „Wie spät ist es?“ – „Es ist fünf vor zwölf Uhr.“ Hingegen sind die Verhältnisse nicht immer so einfach, dass eine Verkettung von Sätzen keine Wahl zulasse:
Eine Frau sagt zu ihrem Mann: „Der Mülleimer ist voll“. Wenn nun der Mann erwidert, „Ich geh´ ja schon“, so ist das keine aus Regeln her leitbare Reaktion, es ließe sich auch eine völlig andere Fortsetzung des „Diskurses“ vorstellen. Völlig unerwartete Verkettungen können melo-komisch-dramatische Folgen haben. „Ein Offizier schreit Avanti und stürzt aus dem Schützengraben; seine Soldaten schreien ergriffen Bravo , ohne sich zu rühren.
Auszug aus einem Protokoll
der Heiliggeist-Gemeindeversammlung mit Oberkirchenrat Schäfer, Prälat Bechtel und Dekan Schmoll vom 6. Dezember 1986 (in der es so turbulent und mindestens ebenso verlogen zuging, wie bei einigen Tierschutzvereinsversammlungen der Vergangenheit): Es sei zu Auseinandersetzungen in der Heiliggeistgemeinde gekommen wegen „des unkollegialen und undemokratischen, der Grundordnung der badischen Landeskirche zuwiderlaufenden Umgangsstils von Pfr. Alpermann mit den Ältestenkreisen und Gemeindegliedern“. Es habe Unwahrhaftigkeiten, eigenmächtiges Handeln statt rechtzeitiger Information und erhebliche Mängel bei Pfr. Alpermann in der Wahrnehmung der Bedürfnisse der Heiliggeistgemeinden gegeben, er habe von vornherein neue Ideen und Initiativen abgeblockt, sowie eine Mitarbeit beim gemeinsamen Aufbau der Gemeinde verweigert. Und so weiter.
Und, aber heute?
Heiliggeistpfarrer Werner Horst Keller war von Dekan Johannes Kühlewein gebeten worden, sein Amt, wie andernorts üblich – wegen seiner ohnehin bald anstehenden Pensionierung und im Hinblick auf die auf Pfarrstellen wartenden jungen Pfarrer – zur Verfügung zu stellen, wogegen der sich jedoch vehement wehrte. Würden die damals Pfarrer Alpermann zu Unrecht unterstellten Versäumnisse – man frage nur mal in der Gemeinde – heute Werner Horst Keller angelastet, hätten die Karlsruher Oberkirchenräte mehrere gute Gründe, ihn vorzeitig in den Ruhestand zu schicken. Dazu fehlt der Gemeinde jedoch entweder eine streitbare Lobby, oder aber haben diejenigen Stimmen recht, die da klagen, diese Gemeinde sei bereits so weit heruntergewirtschaftet, daß diejenigen, die es angeht, die Kirchgänger nämlich, schon alleine zahlenmäßig gar nicht mehr ins Gewicht fallen würden.
O komm, du Geist der Wahrheit
Peter Schumann, Kantor zu Heiliggeist, ist (war, soll es demnächst heißen) immer mal wieder dafür gut, etwas bewegende frische Luft in abgestandenen Mief zu unterquirlen; als er beispielsweise ein Konzert mit neuer Musik veranstaltete und den Zuhörern die Möglichkeit geben wollte, eines der vier Werke nochmals zu hören, hatte er Abstimmungszettel vorbereitet: „Welches Werk darfs denn noch mal sein? Und während der Auszählung sollte das wunderschöne, 1544 entstandene Lied der Geistlich Böhmischen Brüder vom Publikum mitgesungen werden, das aber, seit den Aufräumarbeiten, als die vor 10 Jahren gegen Unwahrheit und Grabenkriege ankämpfenden dies zu ihrem Lied gemacht haben, nach dem Willen des derzeit noch amtierenden Pfarrers W.H.K. aber nicht mehr gesungen werden durfte:
O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein. Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an, daß jeglicher getreuer den Herrn bekennen kann“.
Kaum war nun dies Vorhaben in der Zeitung angekündigt, hatte Kantor Schumann Dekan Kühlewein auf seinem Anrufbeantworter – er habe wütende Anrufe ob dieses Vorhabens „auch von (!) musikalischen Gemeindegliedern“ bekommen. Das muß man zweimal lesen: Er untersage, dies Lied singen zu lassen. Uns fällt da erst mal Jesaja 59,14. ein: „Und das Recht ist zurückgewichen, und die Gerechtigkeit hat sich entfernt; denn die Wahrheit ist auf der Gasse zu Fall gekommen, und die Aufrichtigkeit findet keinen Eingang“ Es ist nämlich durchaus nicht (mal wieder einen Blick in die Grundordnung der Badischen Landeskirche werfen!) Sache des Dekans, einem Kantor etwas zu untersagen, wenn es sich um eine kirchen-musikalische Veranstaltung handelt. Ob es nun aber der Dekan tat, weil „O komm du Geist der Wahrheit“ an Zeiten der Auseinandersetzungen um Pfarrer Alpermann erinnert, oder weil dies Lied derzeit wieder in Heiliggeist anmahnen würde, daß ebendieser Geist längst wieder auf der Strecke geblieben ist?
Weshalb auch immer – Kirchenältester Gott(schling) las die inkriminierten Verse, derweil konnten die Kirchgänger von ihrem Platz aus über hinter die Kulissen des Altars, hinter Rempeleien, Rangeleien und Ränke hinter der Kanzel meditieren. Und sich über Jesus Gedanken machen. Der war frei, unabhängig und flexibel – und hat und hätte mit Kirche nimmermehr mehr zu tun gahabt, als nichts! Wäre Kirche auch frei, unabhängig und flexibel – und wahrlich, sie ist es nicht – sie würde einen Jesus auf dem Banner tragen, den sie sich freilich in dieser Kirche niemals zu predigen trauten, redeten so doch Amtsträger gegen ihre Pfründe. Hat dieser Jesus nicht alles auf den Kopf gestellt? Hat er nicht die Frommen der Unmenschlichkeit überführt, hat er nicht den Tempelbetrieb und den Opferlärm als Geschäftemacherei entlarvt? Hat er nicht bei samaritanischen Atheisten eine neue Gläubigkeit entdeckt? Und hat er nicht Dirnen und Zöllnern mehr Sensibilität nachgesagt für das Reich Gottes, als den Schriftgelehrten und Hohenpriestern? Und wie er das hat! Und er hat Polizeivorschriften und bürgerliche Übereinkünfte nicht nur in Frage gestellt, sondern durchbrochen! Tempelgesetze hat er links überholt und angemessener Lächerlichkeit preisgegeben! Was, sei Dekan Dr. Johannes Kühlewein gefragt, tät er Jesus heute zu verbieten versuchen.
Und Peter Schumann?
Das dem Pfarrer noch gegebene Jahr sollte man Peter Schumann auch noch an Heiliggeist lassen! Warum? Nicht, weil er dann ein Jahr länger an „seiner“ Orgel spielen könnte, sondern um zu gewährleisten, daß ein sich auf die Ausschreibung meldender junger Kantor nicht nach Kriterien ausgesucht wird, die von diesem – auch dafür – in höchstem Maße inkompetenten Gemeindepfarrer stammen (den ich – der Wahrheit die Ehre – unerquicklicherweise auch noch selber ausgesucht und zusammen mit den „NEUEN“ Ältesten installiert habe. Ein neuer Pfarrer könnte dann einen Kantor mitaussuchen, mit dem er kann und will. Nun aber soll auch Kirchenmusik in den Keller der Belanglosigkeit versenkt werden. Als Indiz dafür mag gelten, daß zwei Tage, bevor Pfarrer Dr. Harald Pfeiffer zum Vertrauenspfarrer für den Kirchenbezirk hätte gewählt werden sollen, ein Gremium der Kirchenleitung bereits klammheimlich eine Vorauswahl unter den Bewerbern auf die Heiliggeist-Orgelbank gemauschelt hat. Worauf Pfeiffer sich – wie wahrscheinlich gewollt – zurückgezogen hat. Wir erinnern uns an die von Pfarrer Hans Kratzert an Dekan Kühlewein vorgetragenen Gründe für seinen Rücktritt vom Amt des Vertrauenspfarrers. Und verstehen…
Gesucht: Einen sich einem Denkverbot beugenden Kantor
In der Tat sprechen die Aktivitäten hinter den Heiliggeist-Kulissen dafür, daß nach Schumann ein fundamentalistisch-evangelikaler Kirchenmusiker gesucht wird, der nicht unbotmäßig (das heißt überhaupt) denkt. Und tut, was der eben gerade so fundamentalistisch gestrickte Gemeindepfarrer und sein weitgehend auch so funktionierender Ältestenkreis von ihm verlangen.
Als habe es nie eine Grundordnung gegeben. Diese Kirchengemeinde schert sich weder um Grundsätze noch um ein Programm. Hingegen hat sie sich ein Grundsatzprogramm gegeben, damit müssen wir leben. Das reimt sich zwar. Aber müssen wir das wirklich? Damit leben? Müßten wir nicht! Im § 44 der Grundordnung der Evangelischen Landeskirche Baden werden deutliche Zeichen gesetzt – würden sie denn vernommen. Und wenn, befolgt: „Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern haben teil an dem der ganzen Gemeinde anvertrauten Dienst“.
Freilich war, wenns denn zum Schwur kam, die Grundordnung der Evangelischen Landeskirche Baden für Amtsträger und Gremien in der Evangelischen Landeskirche Baden noch nie mehr, als ein Feigenblatt, hinter dem sie Ränke, Intrigen und (immerhin anwortete Dekan Kühlewein, wie denn nach seiner Vorstellung als Lüge erkannte Lüge innerhalb der Kirche benannt zu werden habe, zornig über meine Frage: „Lüge natürlich“ – alsdann:) Lügen zu verstecken in der Lage waren. Diese Kirchenleitung macht überdeutlich, wie sehr Heinrich Böll 1979 schon recht hatte, als er schrieb: „Eine organisierte Gottlosigkeit braucht man nicht. Man kann den Kirchen ihr Tun und Treiben lassen: Sie höhlen sich von selbst aus, sie leeren sich, während aber ihre gewaltigen Apparate unangetastet erhalten bleiben“. Wohl wahr! Merke: Am gefährlichsten ist die Unverfrorenheit, ist jene Dummheit, die nicht Ausdruck von Unbildung, sondern von Ausbildung ist.
Einmischung nicht erwünscht! Aber
Hier könnten sich – so es die in dieser unserer Stadt gibt – wirkliche, ehrliche Konservative präsentieren, könnten sich auf den zentralen Konflikt konzentrieren – die Öffnung der Heiliggeistkirche für auch weltliche Fragen.
Tatsächlich dient diese Kirche nicht einmal mehr einer intakten Gemeinde zu sonntäglichem Gottesdienst. Querelen und langweiligste Predigten lassen Gläubige Altstädter immer häufiger die Peters- oder Providenzkirche besuchen; oder die Glotze für das Wort zum Sonntag einschalten. Längst dient dies Haus allenfalls (abgesehen von Schumanns Konzerten, das scheint mir einer der Neidknackpunkte zwischen der einen und der anderen, zwischen der Kanzel des Wortes und der Kanzel der Musik zu sein – allenfalls noch individuellem Katastrophenschutz: ob Geburt und dann der Taufe, mit 14 Jahren dann der Konfirmation (die meisten kids laufen an Heiliggeist, wiewohl anfangs willens, davon), hin zur Eheschließung und dann dem Tod – der auch nicht in der Kirche, sondern gleich direkt am Grab bepredigt wird. Die nicht alltägliche Umgebung jedenfalls hilft existenzielle Ereignisse zu fassen, mit ihnen fertig zu werden. Doch das manchmal hilfreiche Rückzugsangebot fördert Bunkermentalität, wenn die Außenwelt ausgeblendet und als das behandelt wird, was nach geltender Ansicht der Kirchenleute im Keller oder sonstwie jenseits der gotischen Kirchenmauern zu bleiben hat.
Zu solcher Bunkermenatalität gehört auch die Abwehr aller Fragen. In den Mauern die heile Welt, außerhalb der Kirche der Rest der Welt. Kein Anschluß unter dieser Nummer.
Helden der Wirklichkeit
auch in der Kirche?
Auf die Frage des Proustschen Fragebogens im F.A.Z.-Magazin nach den Helden in der Wirklichkeit wäre die Antwort fällig: Ein Lastwagenfahrer, der einen korrupten Polizisten anzuzeigen wagt. Er hat von der Ordnungsmacht Böses und vom Arbeitgeber nichts Gutes zu erwarten. Grade so geht es – ach Frau Isenmann und ach, Herr Dekan und ach, all ihr anderen Zündler oder nicht ordentlich Löschenden – geht es jetzt Peter Schumann und all seinen (von seinen Feinden als die „falschen“ apostrophierten) Freunden. Einer von denen, jener ständig mahnend-nörgelnde, den Ihr aus gutem Grund zum Idioten nicht erklären könnt, wird Euch, ich weiß wohl, erträglich, indem ihr ihn zum Zyniker ernennt. Seis drum. Auch damit kann fürderhin leben: Jürgen Gottschling
Das Amt:
Die Kraft mit der Herrlichkeit?
In Ewigkeit?
Amt, das war ursprünglich einmal die nachträgliche Bestätigung einer vorhandenen Begabung (Charisma). Das hat sich, in der Kirche zumal, längst geändert. Hier ist ein System von Über- und Unter-Ordnung im Amtsgefüge entstanden, das jedem seinen eigenen Spielraum garantiert.
Die Entstehung einer Amts-Hierarchie in der frühen Kirche ward langsam: Zwar gab es einen als Nachfolger des Petrus mit besonderen Vollmachten ausgestatteten Bischof bereits im Jahr 140; doch erst 300 Jahre später wird aus diesem Amt der mächtige Papst. Im Lauf von Jahrhunderten hat sich die mittelalterliche Hierarchie entwickelt.
Martin Luther – heute wäre er wegen Volksverhetzung im Knast – hat nun immerhin versucht, den starren Amts-Mechanismus aufzulösen, indem er das „allgemeine Priestertum aller Gläubigen“ wieder in den Vordergrund stellte. Das bedeutet: jeder kann die geistlichen Amtshandlungen wahrnehmen und Seelsorge üben – jedoch gleichsam nur „privat“. Im öffentlichen Bereich sollte der „rechtmäßige“ Amtsträger auch weiterhin Vorrang behalten – „um den ordentlichen Ablauf der kirchlichen Amtshandlungen zu garantieren“. Da liegt es natürlich in der Natur der Sache, daß nach einiger Zeit dann eben doch wieder der Amts-Mechanismus über die allgemeinen Christen-Rechte gesiegt hat.
Amt „direkt von den Aposteln“
In Folge entstanden neben der ursprünglichen Amtshierarchie flugs neue Hierarchien. Zur Qualitätsbestimmung berufen sich die alten Kirchen auf die in ihnen geltende apostolische Sukzession – also darauf, daß ihre Ämter durch Handauflegen direkt von den Aposteln abgeleitet werden können. Die übrigen – über solche Kontakte nicht verfügenden – Kirchen qualifizieren ihre Ämter nun durch die Ordination, die gleichsam den Betreffenden lebenslänglich autorisiert, Rechte und Pflichten eines Amtes wahrzunehmen. Damit stehen – nach Luthers Lehre jedenfalls – Amt und Gemeinde in einer Wechselwirkung, die besagt, es jedenfalls sollte: das Amt gibt und die Gemeinde empfängt, die Gemeinde trägt den Amtsinhaber und dieser dient (!) ihr. Soweit die Theorie. In der Praxis regieren das Pfarrerdienstrecht, die Behörde und der Bischof.
Solange die Gesellschaft auch draußen vor der Tür patriarchalische Strukturen ertrug, kam es keinem der Schäfchen in den Sinn, unter der Kanzel aufzumucken. Je mehr aber die Schafe sich draußen demokratischere Rechte erkämpften, desto auffälliger und belastender wurde den Schäfchen das autoritäre Amt in der Kirche.
Bald sollte es in seiner historischen Gestalt nicht mehr funktionieren, wurden nun auch in der Kirche demokratische Krumen verteilt, wurde etwa so demokratisiert, daß die Gemeinde ihren Pfarrer unter Pfarrern wählen durfte – ein Vorgang, der nicht einmal mählich zu einer wirklichen Mitbestimmung geführt hat. Kann man aber demokratisieren, was in der Grundstruktur monarchisch angelegt ist?
Demokratische Monarchie?
Immer noch verläuft eine unüberschreitbare Grenze zwischen oben und unten. Oben wird befohlen, angeboten, kontrolliert. Unten wird gehorcht, ausgeführt, empfangen. Eine Wechselwirkung ist nicht vorgesehen. Dies wird zwar seit Luther immer mal wieder zu durchbrechen versucht – wir tun das immer mal wieder auch. Am Herrschaftssystem durch Ämter hingegen ändert auch eine Sprache nichts, die regieren als „dienen“ und steuern als „helfen“ bezeichnet.
Klagten wir heute über unmündige Gemeinden, so wäre das ungerecht; durch Jahrhunderte nämlich war Gemeinde lediglich Ziel-Ort kirchlichen Handelns, nicht aber Gesprächs-Partner. In Heiliggeist und anderswo wurde und wird versucht, diesen Zustand zu ändern. Dazu aber wären Einübungen nötig, zu der nicht nur ein echter Frei-Raum für die Gemeindeglieder gehörte, sondern auch eine grundsätzliche Gestaltungs-Freiheit, gegebenenfalls auch gegen vorhandene Ordnungen, und erst recht, wenn sich ein Gemeindepfarrer – wie an Heiliggeist oft und gern – über beispielsweise die Grundordnung der Landeskirche Baden unverdrossen hinwegsetzt.
Laienvorstellungen nicht durchsetzbar
Nur wer wirksame Rechte hat, wird auch bereit sein, sich zu engagieren. Heute dagegen ist unser Gemeindeleben charakterisiert durch die Vormacht einiger und durch die Hilflosigkeit und das Desinteresse der übrigen. Die Maschinerie ist derart kompliziert, daß sich Laienvorstellungen kaum (allenfalls von nicht machtbesessenen Pfarrern geduldet, gibt es einige wenige solche Gemeinden doch auch in Heidelberg) durchsetzen lassen. Es ist alles vorbestimmt, vorproduziert, vorgeplant, vorarrangiert. Und dann ist da noch das theologische Defizit der Laien; von Amts wegen läßt sich alles nicht Genehme als „theologisch unerlaubt“ abqualifizieren. Das Amt ist wie eh und je unangreifbar geblieben.
Traum von Kirche? Der Kirche Alptraum!
Wer Kirchenbilder betrachtet, die den auch schriftlich überlieferten Zustand vor 300 – 400 Jahren festgehalten haben, mag sich darüber wundern, was da alles in einem Kirchenraum möglich war. Ein langgestreckter Raum hatte an einer Seite einen Altar. Dort wird gerade eine Messe zelebriert. Gleichzeitig konnte eine an eine Säule gelehnte Mutter ihrem Kind die Brust geben, konnten sich Paare umarmen und es konnten Menschen im Gespräch beieinander stehen. Was täte wohl unser Dekan Johannes Kühlewein, wenn es in einer Kirche, was täte Werner Horst Keller, wenn ihm das in „seiner“ (Heiliggeist)-Kirche „passierte“?
Wirkliches Leben ausgeschlossen
Zuzeiten war Kirche Lebens-Raum für alle und alles. Das änderte sich, als neue Lebensräume angeboten wurden. Nun wird Kirche zu dem, was sie seitdem geblieben ist: zu einem Ort für nur noch das geistliche Angebot. Als sich das tägliche Leben aus den Mauern der Kirchen zurückzog, hörte die Kirche auch auf, sich um dieses tägliche Leben zu kümmern. Das ging hier in Heidelberg so weit, daß nicht einmal Fenster (die Schreiterschen Entwürfe für Heiliggeist) in der Kirche vorzukommen hatten, die sich mit wirklichem Leben beschäftigen, mit Physik, Literatur, Musik, Computern, Medien, Ökonomie, Chemie, Biologie, Medizin und Verkehr. Das aber hatte nach Meinung der Straße in den kirchlichen Gremien außen vor zu bleiben.
Stattdessen beschäftigen sich die Hella Santarossaschen Fenster mit den vom Gemeindepfarrer vorgegebenen und nicht nachvollziehbaren Dingen hinter den Dingen: Gottes Geist allüberall und so weiter. So einfach aber jedenfalls kommt allenthalben fühl- und spürbar der nicht über die.
Wer mittelalterliche Predigten mit heutigen vergleicht, spürt schnell den Unterschied: Seel-Sorge hat sich von der Leib-Sorge getrennt. Der Verlust all dessen. was den Alltag ausmacht, hat die Kirche „vergeistigt“ und das Amt verabsolutiert, doch gleichzeitig reduziert auf einen nur ganz kleinen Bereich des menschlichen Lebens. Die fortgehende Aushöhlung der regulären Gemeinde-Veranstaltungen läßt vermuten, daß die Unzufriedenheit mit dem kirchlichen Angebot anhält. Der Mensch unserer Tage „braucht“ nicht, was Kirche anbietet. Schon gar nicht „braucht“ er Amtsträger, die – gleichsam als Gottes Stellvertreter – Wahrheiten verkündigen, die „nutzlos“ scheinen. Er sucht vielmehr eine Heimat, wo er gut aufgehoben ist. In den alten Kirchen muß das möglich gewesen sein, muß es charismatische Prediger gegeben haben, sonst hätten sie keinen Zulauf gehabt. Die Urchristenheit hat ihre Ämter aus der Praxis entstehen lassen. Ob aus der Praxis heute neue Formen neuer Ämter entstehen können?
Zu guter Letzt
Zugegeben, es gehört schon zum guten Ton unter intelligenteren Christen, an der „Amtskirche der Gegenwart“ kein gutes Haar zu lassen und sie an der Kirche, wie Jesus sie wollte und in seiner Person vorlebte, zu messen. Großzügig aber wird dabei darüber hinweggesehen, daß Jesus weder eine Kirche noch ein Amtspriestertum, noch und schon gar nicht ein Papsttum gestiftet oder begründet hat. Der allseits in christlichen Kreisen zu hörende Ruf „Zurück zur Praxis Jesu“ und die nicht minder vernehmbare Forderung eines „Rückgriffs auf ursprüngliches Christentum“ beinhalten fundamentalistische Leerformeln, die von vornherein die Illusion vorgaukeln, die Praxis Jesu und das ursprüngliche Christentum seien etwas entrückt und unantastbare Ideale gewesen. Die Amtskirche wird übrigens diesen „Fundamentalisten des vollkommenen Anfangs“ trotz aller von diesen geäußerten Kritik an ihr heimlich dankbar sein. Denn für viele denkende Christen ist der Glaube an das ursprünglich vollkommene Christentum das einzige Mittel, die einzige Möglichkeit, noch in der Kirche zu bleiben und wider alle Hoffnung auf eine innerkirchliche Reform dennoch darauf zu warten. Eine emotionale Identifizierung ihrer Mitglieder ist der Amtskirche in diesem Prozeß so wichtig denn auch wieder nicht, sie hat in ihren Reihen sogar ausdrückliche Atheisten, die aber auf ihre Loyalität der Kirche gegenüber Wert legen. Das bringt auch heute noch gesellschaftliche Vorteile. Und, zu guter Letzt, hat das falsche Bewußtsein das Verdienst, vom richtigen entlarvt werden zu dürfen.
So gesehen trägt es – trägt alleweil auch Jürgen Gottschling – bei zur fortschreitenden Erleuchtung der immer finsterer werdenden Welt. Amen.
Sie war Komponistin und Konzert – veranstalterin, Herausgeberin, Lehrerin und Mutter von acht Kindern: Den 200. Geburtstag der Pianistin Clara Schumann (1819 bis 1896) in diesem Jahr nimmt das Gleichstellungsbüro der Universität Heidelberg zum Anlass, um unter der Überschrift „Revolutionär wie die Eisenbahn – Frauen im 19. Jahrhundert“ an starke weibliche Persönlichkeiten zu erinnern – an Frauen, die im Gegensatz zu zeitgenössischen Vorstellungen ihre Bestimmung nicht allein in der Familie fanden, sondern sich in ihren Arbeitsfeldern profilierten sowie als Vorbilder und Mentorinnen wirkten. (mehr …)
Die Jugend – meint Druide Miraculix in „Die Tochter des Vercingetorix“ – sei ein schwieriges Alter“.
Erheblich geistreicher wird es leider nicht im gerade erschienenen 38. „Asterix“-Band.
Schade, wir erinnern uns – zusammen mit so gar manchem Hinkelstein – an erfreulichen Lesestoff.
Aber, es war einmal: damals. Hätte man doch den Hinkelsteinschmeißer und all die anderen Titanen ruhen lassen … (mehr …)
Die Abrissarbeiten (Foto: Philipp Rothe) sind am 24. Oktober gestartet – Neubau soll 2021 für Jugendliche bezugsfertig sein.
Zum Schulbeginn waren alle Umzugskartons gepackt und das Haus geräumt. Jetzt rollt der Bagger für den Abriss des Hauses der Jugend in der Römerstraße 87. Heidelbergs größte und älteste Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung muss baulich erneuert werden, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Der Neubau ist mit 7,6 Millionen Euro veranschlagten Kosten das größte Bauprojekt im Bereich der städtischen Kinder- und Jugendförderung und ein Projekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) Heidelberg. (mehr …)
Abdurrahman Khalo (Bild) hat in Nordsyrien jahrelang ein unabhängiges Radio in kurdischer Sprache betrieben. Im Gespräch berichtet er von den Auswirkungen der türkischen Offensive und seiner Sorge über eine Verfolgung durch das zurückkehrende Asad-Regime. Seine Arbeit, sagt er, hat sich durch die türkische Offensive erheblich verändert:
Als die türkischen Truppen Kamishli ins Visier nahmen, haben sie keinen Unterschied zwischen zivilen und militärischen Zielen gemacht. Die meisten Artilleriegeschosse fielen wahllos auf die Stadt. Auch das Risiko, Ziel der türkischen Luftwaffe zu werden, war gross. Deshalb mussten wir alle unsere Aktivitäten einstellen. (mehr …)
Die Kräfteverhältnisse der Welt verschieben sich dramatisch.
Dochwelche Auswirkungen hat das auf uns hier in Europa?
Mannheimer Freimaurerlogen und die Stadt Mannheim werden das am 26. Oktober 2019 um 19.00 Uhr im MARCHIVUM näher beleuchten. Der Hauptredner des Abends ist der Berliner Autor und Politikwissenschaftler Prof. Herfried Münkler.
Die Mannheimer Freimaurerloge Kurpfalz hat das Projekt initiiert.
Ein Gespräch mit Dr. Ranko Pavlovic.
? Herr Dr. Pavlovic, Freimaurer agieren stets im Verborgenen, heißt es. Ihre Loge will nun die Menschen über Vorgänge hinter den Kulissen der Weltpolitik aufklären. Ist das nicht ein Widerspruch? (mehr …)
Mainstreamige Fragen allzeit willkommen
„Als Exzellenz-Universität weisen wir uns ja aus über gerade das Wagnis gegenüber Fragen, die nicht in einem mainstream sind, sondern die wissenschaftliches Terrain auch neu ausschreiten.“
Der auf Russland spezialisierte Geschichtswissenschaftler Jörg Baberowski wollte ein Zentrum gründen, gemeinsam mit acht Historikern und fünf Juristen. Experten für die Geschichte des Nationalsozialismus, für Diktaturen in Italien, Spanien, Südosteuropa, Lateinamerika und China wollten zusammen mit Staatsrechtlern erforschen, warum und wie Diktaturen entstehen. Die Fakultätsräte der Philosophie und der Rechtswissenschaften stimmten dafür. Es fehlte noch die Zustimmung des Akademischen Senats.
Auszüge aus externem Gutachten veröffentlicht
Anfang Januar twitterte einer von vier studentischen Mitgliedern des Akademischen Senats Passagen aus externen Gutachten der Historiker Ulrich Herbert und Thomas Lindenberger. Beide sahen das geplante Zentrum kritisch. Es sei nicht genügend interdisziplinär und mit zu wenig Kapazitäten für die Forschung ausgestattet.
Kunst: „Es ist zu einer Indiskretion im Umgang von Gutachten gekommen, die über dieses Zentrum für Diktaturforschung vorlagen. Das war etwas, was zu klären war durch die Universitätsleitung und durch den Vorsitz des Senates – und somit auch der Grund überhaupt, das Verfahren auszusetzen.“
Die vier Studentinnen und Studenten im Akademischen Senat positionierten sich gegen das Zentrum für Diktaturforschung. Damit war klar, dass der Antrag des federführenden Historikers Baberowski in dem Gremium keine Chance hatte. Die Juristische Fakultät zog ihre Unterstützung für das Projekt zurück. Im Juni wurde im Akademischen Senat lediglich noch festgestellt, der ursprüngliche Antrag sei zurückgezogen worden. Zu den Studentinnen, die das Zentrum nicht unterstützen wollen, gehört Bafta Sarbo. Sie studiert Sozialwissenschaften.
„Es geht natürlich auch um die Person Baberowski, der in der Vergangenheit durch sehr konkret politische Aussagen auch schon aufgefallen ist, zum Beispiel durch Aussagen, die wir als flüchtlingsfeindlich bezeichnen würden. Und in diesem Zusammenhang sehen wir einfach nicht, dass ein Institut, das von Herrn Baberowski maßgeblich politisch gestaltet wird, vereinbar ist mit den Prinzipien, die diese Universität für sich formuliert hat, also Antidiskriminierung und Diversität.“
Uni wolle kein negative Schlagzeilen wegen Exzellenzinitiative
Jörg Baberowski dagegen sagt, die Universität müsse ein Ort des „wilden und ungebundenen, unbeschränkten Denkens“ sein. Er sieht sein Projekt als gescheitert an – wegen des Widerstands der Studentinnen und Studenten.
„Sie setzen die Universität medial unter Druck, und die Universität ist eingeknickt, weil sie in der Exzellenzinitiative keine Öffentlichkeit brauchte, keine negative Öffentlichkeit – und weil das Projekt und die Wissenschaftsfreiheit für die Universität nicht so wichtig sind wie die Ruhe, die sie gerne haben möchte.“
Historiker Baberowski: Widerstand von Studierenden und Universität (dpa / picture alliance / Carstensen)
Der Historiker vermisst die klare Unterstützung der Leitung der Humboldt-Universität für sein Projekt. Und er bedauert, dass es im Entscheidungsgremium nie zu einer inhaltlichen Diskussion über das Zentrum für Diktaturforschung gekommen ist.
„Es ist eigentlich nur noch das große Gebrüll und das Geschrei, vor dem alle in die Knie gehen. Es braucht nur jemand irgend etwas hinauszurufen in die Welt, was als anstößig gelten kann – sofort knicken alle ein und versuchen, der Sache aus dem Weg zu gehen.“
Dagegen betont Gabriele Metzler, die Dekanin der Philosophischen Fakultät, sie habe Baberowskis Vorhaben immer befürwortet.
„Ich habe dieses Institut von Anfang an unterstützt. Ich habe im Fakultätsrat dafür gestimmt, und ich hätte auch im Akademischen Senat sehr dezidiert dafür Stellung bezogen, weil ich das Unternehmen für sinnvoll halte, für wissenschaftlich seriös und obendrein für politisch notwendig.“
Keine inhaltliche, sondern eine Verfahrensdebatte
Die Debatte um die Diktaturforschung an der Humboldt-Universität ist im Streit ums Verfahren zum Stillstand gekommen. Die Studentinnen aus dem Akademischen Senat betonen, der Tweet vom Januar mit den Zitaten aus Gutachten sei legitim gewesen. Auch wollen sie den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, sie würden mit ihrem Contra die Wissenschaftsfreiheit an der Exzellenz-Universität in Berlin-Mitte gefährden. Die Geschichtsstudentin Juliane Ziegler dreht den Spieß um und richtet ihn auf Jörg Baberowski.
„In dem Moment, in dem man diskriminierte Personen in einer Debatte quasi zur Disposition stellt oder ihre Positionen nur allein deswegen in Frage stellt, weil es zum Beispiel geflüchtete Menschen sind oder Menschen, die eine andere Meinung haben, vielleicht auch zu dem Zentrum, da sehe ich dann die Wissenschaftsfreiheit eher gefährdet als in der Absage an ein Zentrum, das sich nicht klar distanziert von rechtspopulistischen Strömungen.“
Eigene Artikel
Elitenforscher zu Exzellenzstrategie:„Die üblichen Verdächtigen, die immer gewinnen“
Außergewöhnliche Zeiten Demokratie in Gefahr?
„Sapere aude“: Ach, der Stoff, der unsren Stammtisch erfreut:
der Wein, unser Riesling. Es scheint uns fraglich, ob der Wein zu den Drogen im engeren Sinne gerechnet werden dürfe.
Wahrscheinlich ist, dass seine ursprüngliche Gewalt in Jahrtausenden des Genusses domestiziert wurde.
Mächtigeres, aber auch unheimlicheres erfahren wir aus den Mythen, in denen Dionysos als Festherr mit seinem Gefolge von Satyrn, Silenen, Mänaden und Raubtieren erscheint.
Cannabis und Justiz:
Die Zukunft der Strafjustiz gilt – „in vino veritas“, da brauchts kein Haschisch – als gesichert, sie scheint die Wachstumsbranche schlechthin zu sein. Noch nach dem Ende aller Tage wird sie im jüngsten Gericht fortdauern. Wer am direkten und unaufhaltsamen Marsch der Strafjustiz in die Ewigkeit zweifelt, wird als Utopist abgetan. Denn der Mensch wird (gleich wie die Existenz des ersten Menschenpaares mit einer Schuld begann) nur fortfahren, Schuld auf sich zu laden. Und so wird man bis zuletzt anklagen, richten und strafen – bis zum Ende aller Tage wiederum ein Strafprozeß, die Summe aller Strafprozesse, eben das „jüngste Gericht“ beginnt. Ob bei diesem jenseitigen Gericht auch jene „Sünder“ mit einer kleinen Weile Verdammnis bestraft werden, die Haschisch, die Cannabisprodukte als eher „lässliche Sünde“ Beitrag vom damals noch Jugendlichen Leon – lediglich zum Eigenverbrauch – erwerben oder besitzen? Wir zweifeln!
Willkürverbot
Dies, zumal das mittlerweile längst auch weltliche Richter hinieden tun, Hilfe heischend beim Bundesverfassungsgericht, weil ihnen hier der nach dem Grundgesetz jedem zustehende „Gleichbehandlungsgrundsatz“ verletzt zu sein scheint (713 Js 16817/90 StA Lübeck): „Die Kammer ist der Auffassung, dass das Aufführen der Cannabisprodukte und das Nichtaufführen von Alkohol und Nikotin im Betäubungsmittelgesetzt gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verstößt“.
Dieser nämlich stelle ein für den Gesetzgeber bindendes Willkürverbot dar, verbiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Soweit sicher in Ordnung: Durch das Betäubungsmittelgesetz soll als Rechtsgut die Volksgesundheit geschützt werden. 1971 wurde das bis dahin geltende Opiumgesetz umfassend novelliert und trat als „Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln“ (BtmG) in Kraft. Viele Juristen halten mittlerweile die Zielvorstellung in der nachfolgenden Novellierung im Kern für nicht modifiziert. Wir haben den für das Lübecker Urteil verantwortlichen Vorsitzenden Richter am Landgericht Wolfgang Neskovic zu unserem Stammtisch gebeten. Der lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich die Drogenpolitik der Bundesregierung auf dem Holzweg befindet. Und vor allem jungen Menschen sei damit kein Unrechtsbewusstsein nahezubringen.
Zudem würden, so Nescovic allenfalls 5 – 10 Prozent der hierzulande in Umlauf gebrachten Drogen von der Polizei beschlagnahmt. Und das werde von den Dealern von vornherein unter betriebswirtschaftlichen Erwägungen abgeschrieben. Wir lassen den Richter ausführlich in unserer „Stadtgespräch-Umfrage“ (PDF unten) zur Haschisch-Freigabe zu Wort kommen.
Die in den Niederlanden nämlich längst bestätigte Prognose, den sozialen Kontakt von Konsumenten „weicher“ Drogen zu denen „harter“ Drogen beim Ankauf durch die Errichtung von sogenannten „Coffee-Shops“ in denen Cannabis-Produkte zum Konsum frei verkäuflich ohne strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen, erworben werden können, zu unterbinden, wurde so erreicht.
Deshalb müssen die Inhaber von „Coffee-Shops“ mit Bestrafungen und Schließung ihrer Geschäfte rechnen, wenn sie „harte“ Drogen verkaufen, oder dies dulden. Durch diese Trennung der Märkte haben die Niederländer den (u. U. möglichen) Umsteigeeffekt, der durch den „sozialen Kontakt“ mit dem gleichen Dealer bewirkt werden könnte, erheblich reduziert.
Knast für Hasch verhindert die Trennung der Märkte.
Der Handel mit Hanf (Cannabis sativa) bleibt als Verbrechen mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht, wenn die Menge des rauschwirksamen Tetrahydrocannabinol (THC) 7,5 Gramm übersteigt. Mit dieser Grenzwertfestsetzung, die etwa 100 Gramm gutem oder 250 Gramm minderwertigem Haschisch entspricht, hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Oberlandgerichts Schleswig-Holstein aufgehoben, das drei Kilo Haschisch als „geringe Menge“ gewertet und von einer Freiheitsstrafe abgesehen hatte. Die BGH-Richter blasen damit ins alte Prohibitions-Horn und tun das von allen gegen ihren Spruch geeigneten Fakten ungetrübt. Statt die nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichtes vom Mai 1994 aufgerissene Grauzone – Konsum erlaubt, Handel verboten – zu klären, wird diese zementiert.
Hoppla: CSU – liberal?
Längst ist – vorzeiten – sogar der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner (CSU), dafür, die Menge für den straffreien Besitz weicher Drogen bundesweit auf sechs bis zehn Gramm zu vereinheitlichen. Diese Menge würde er für den Eigenverbrauch „trotz Bedenken“ zu akzeptieren. Derzeit schwanken die Ländergrenzwerte zwischen sechs Gramm in Bayern und 30 Gramm in Schleswig-Holstein. In Heidelberg sieht es konkret so aus, dass bei einer geringen Menge (intern: 5 Gramm Haschisch bis 10 Gramm Marihuana – ohne Wirkstoffgehalt zu messen) das Verfahren eingestellt werden kann, bei „Gelegenheitsrauchern“ (ein bis sieben mal im Jahr), wenn nicht mehr als drei Konsumeinheiten (was für einmal Rauchen – was immer das genau meint – gebraucht wird) im Spiel sind, und wenn keine Fremdgefährdung vorliegt. Aber bitte: Nicht auf die Rundschau berufen! Denn: Es gibt zu dieser staatsanwaltlich internen Regelung keine Verlässlichkeit. Es kanneingestellt werden, es wird aber oft genug bei erheblich geringeren Mengen nicht eingestellt, dies zumal, wenn der „Täter“ bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist.
Aber natürlich wissen auch Richter und Staatsanwälte in Heidelberg, dass der teure und mit großem Tamtam stets auf neue verschärfte „war on drugs“ erheblich mehr Kriminalität hervorgebracht hat, als er vorgeblich verhindern wollte.
Mediziner:
Jenen militanten Drogenbekämpfern und selbsternannten Fachleuten, die Haschisch immer noch verteufeln, lässt sich mit Argumenten wahrscheinlich kaum beikommen. Dennoch, hier eines aus dem „Deutschen Ärzteblatt“: „Medizinisch gesehen dürfte der Genuss von ein bis zwei Joints Marihuana (ein bis zwei Gramm Marihuana, resorbierte THC-Menge 8-16 mg) pro Tag unschädlich sein, zumindest aber weniger schädlich zu sein, als der tägliche wenn auch mäßige Konsum von Alkohol oder von 20 Zigaretten. Für alle drei Drogen gilt das Prinzip „sola dosis facit venenum“ und somit wäre gegen den gelegentlichen Konsum von Marihuana im Grunde genau so wenig einzuwenden wie gegen das gelegentliche Glas Wein oder die gelegentliche Zigarette.
Was sagt die Bibel ?
Jede Droge im Übermaß genossen, ist schädlich“. Genau, und dieweil – wir wissen das – viele Menschen der Bestätigung durch die Schrift, durch die (ja perse berauschende) Bibel bedürfen, sei hier Ekstase und Rausch mal eben von dorther beleuchtet: in der Apostelgeschichte beispielsweise sind (2,13ff) übermannende und erzeugte Begeisterung schwer zu unterscheiden: … „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben …“ Wie überhaupt Petrus exemplarisch ist für den Alltagsmenschen, der transformiert wird und den es wider Willen überkommt. Der Fels wird sich seiner uranischen Kraft bewusst. Dass ihm – sagt Ernst Jünger – der Schlüssel zugeordnet wird, das ist symbolisch exakt. Aber:
Wieder auf dem Boden:
„Alle ding sind gifft, und nichts ohn gifft, allein die dosis macht, das ein ding gifft ist“, wußte bereits Paracelsus. Wer sich umfassend informiert ist überzeugt, dass mit dem Alkoholkonsum, der auf Berauschung abzielt, eine größere Gesundheitsgefährdung verbunden ist, als der Rauschzustand, der über die Einnahme von Cannabisprodukten erzeugt wird. Aus der unterschiedlichen Behandlungsweise des Gesetzgebers ergibt sich folgende absurde und verfassungswidrige Alternative: Wer sich berauschen will, hat die Wahl zu treffen, ob er es legal, aber gefährdeter oder weniger schädlich, dafür aber illegal tut. Die Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit des Menschen tritt hierbei offen zutage. Es haben hingegen – davon ist Jürgen Gottschling überzeugt, nie die „Schweine Epikurs“ sein können, die da in die Mohn- und Hanfgärten eingebrochen wären. Der Epikuräer neigt nicht zur Übertreibung – sie würde den Genuß beeinträchtigen! Er genießt die Zeit und die Dinge und ist daher allemal die Gegenfigur der Süchtigen. Er hat den Genuss in der Hand und weiß ihn zu zügeln. Weniger aus Gründen der Disziplin; eher des Genusses wegen.
Der Autor hat übrigens (damit das klar ist) nie (nie) Canabis geraucht: Und auch die – noch viel gefährlicheren – Nicotin Stengel nie angerührt!!
3 Kommentare vorhanden zu “Hast du Haschisch in der Blutbahn, kannst du fliegen wie ein Truthahn …”
Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) ist eine Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung, der sich viele renommierte Wissenschaftler, Philosophen und Künstler angeschlossen haben. Inzwischen wird die Stiftung von mehr als 10.00 Fördermitgliedern sowie 50 Regional- und Hochschulgruppen unterstützt. Ziel der gbs ist es, eine tragfähige humanistische, rationale und evidenzbasierte Alternative zu den traditionellen Religionen zu entwickeln und ihr gesellschaftlich zum Durchbruch zu verhelfen.
Hinter dieser Zielsetzung steht die Einsicht, dass wir die komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mit den religiösen Vorstellungen der Vergangenheit meistern können. (mehr …)
Die Teilnehmer der Pressekonferenz, die Mitte Oktobe 2019 in Halle abgehalten wurde, waren – dezidiert, wie schon lange nicht mehr – sehr deutlich geworden: „Der Rechtsstaat wird sich mit allen verfügbaren Mitteln wehren. Auch geistige Brandstifter müssen bekämpft werden“ – zu dieser Aussage standen sowohl Innenminister Horst Seehofer, wie auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und sein Innenminister Holger Stahlknecht. Bei allem ging es hierbei nicht mehr sondern um mehr als das übliche „Konsequenzen ziehen“ nach einem schlimmen Vorfall. Das konnte man allen Beteiligten ansehen (hier finden Sie die Konferenz in gesamter Länge). (mehr …)
08.Aug.2013, 10:53 eIch folge der Argumenation in weiten Teilen.
Hanf-Legalisierung aus Vernunft!Danke für die klaren Worte,
Christoph Lehner.
08.Aug.2013, 12:13 eSehr geehrter Damen und Herren 10.08.2013 Hanf-Parade BerlinSie haben ein Endocannabinoidsystem,so wie ich und alle Menschen und die Wirbeltiere.
Sogar die Fische haben ein Endocannsbinoidsystem.
Mit einfachen Worten,das regelt alles im Körper.Vom Blutdruckregulierung bis …
Wenn man ein Endocannabinoiddefizit hat,sei es durch Stress oder beim Älterwerden,
ist es möglich Cannabinoide von der Hanfflanze nehmen,um ein Gleichgewicht im Körper zu erhalten, somit bleibt man gesund.
Gorbatschow sagte einma. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Wenn Sie sich nicht sofort sich über den grösten Schatz der Menschheit informieren, werden Sie sich lächerlich machen, was noch schlimmer wäre wenn in Ihrem Bekanntenkreis jemand wäre,der/die durch Cannabis geheilt werden könnte und Sie aus Arroganz oder Bequemlichkeit nicht nachforschen.
Es ist schwer aus der Flut der Informationen das richtige, wahre zu finden.
Ich helfe Ihnen. Über 100videos über den medizinischen Nutzen von Hanf.
http://www.youtube.com/playlist?list=PLE79A9B7291E33B75
Hier sind 23 Patente von GW Pharm(Bayer hat 60millionen ,Allmirall 100 Millionen und noch 3 andere Pharmafirmen X Euro für die Verkaufsrechte bezahlt.
http://www.faqs.org/patents/assignee/gw-pharma-limited/
Sie machen Extrakte aus der Hanfflanze die in verschiedenen Verhältnissen ,meisten s CBD zu Thc( zB. Bei Diabetis 20 /1 (CBD/THC9) Bei Schizofrenie 40/1 (cBD/THC).
Diese Frage stellt sich: Dienen die Polizisten, die Richter,dienen Staatsanwälte, viele Ärzte der Pharmaindustrie, die aus dem Verbot vom Hanf riesigen Profit schlagen kann, oder den Menschen in diesem Land.
Grobe Rechnung, was für 5.-Euro herstellbar wäre kostet 500.- das heist 5000 Prozent.
Unglaublich, aber wahr …
Mein Herz blutet, wenn ich an all die Menschen denke, die an Krebs, Alzheimer, Arthritis, Asthma, Autismus, Bulämie, Diabetis, Depressionen, Glaukom, Herpes, HIV/Aids, Ms, Spastik, Psorasis und vielen anderen Krankheiten leiden, denen mit Hanf (lat.:Cannabis) geholfen werden könnte.https://www.facebook.com/photo.php?v=10200867298577179&set=vb.313314045463073&type=2&theater
Wogegen in 20 Staaten der USA Cannabis verschrieben wird. Frag Deine Abgeordneten oder die/der gewählt werden will, warum Deutschland so grausam ist! 2500 Selbstmorde jährlich in der BRD weil die Menschen Ihre Schmerzen nicht ertragen.
Adenomyosis
Alzheimer’s
Amyloidosis
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Muscle Spasms
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Tinnitus
TTM
Wolff-Parkinson-White Syndrome
09.Aug.2013, 11:46 ejeder selbstständig denkende mensch, der sich intensiv und vor allem objektiv mit hanf auseinandersetzt, wird die notwendigkeit dieser pflanze erkennen.das verbot der pflanze durch den gesetzgeber verstößt gegen art.1 GG: die würde des menschen ist unantastbar. als würde bezeichnet man die eigenschaft, eine einzigartige seinsbestimmung zu besitzen. durch das vom btmg verbotene cannabis, ist es mir jedoch nicht möglich, mein sein selbst zu bestimmen! ILLEGAL!!!
außerdem ist der staat gegenüber seinen bürgern (und allen anderen menschen!) verpflichtet, sie im geltungsbereich des grundgesetzes zu schützen. da es der staat ist, der mir die würde nimmt, müsste er mich vor sich selber schützen … und dazu müssen die gesetze endlich geändert und cannabis legalisiert werden!!!hanf auf’s feld, rettet die welt!!!
lg, neo