Der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke hat ein Interview mit dem ZDF abgebrochen.
Der Interviewer David Gebhard hatte ihm Videos von Parteigenossen vorgespielt, die er hatte raten lassen, ob bestimmte Zitate aus Höckes Buch von Höcke oder von Adolf Hitler seien.
Die Situation schaukelte so hoch, dass Höckes Pressesprecher einschritt und verlangte, das Interview neu zu führen. Gebhard lehnte – was Wunder – ab.
Derzeit wird dies alles im deutschen Netz und den Medien heftig und kontrovers diskutiert:
Alexander Nabert von der taz ist begeistert: „Das vom ZDF veröffentliche und ungeschnittene Video (den Link dazu finden Sie am Ende dieses Beitrags) ist ein wichtiges Lehrstück. Gebhard lässt sich an keiner Stelle beirren, bleibt hartnäckig, hat gut recherchiert, ist schlagfertig, lässt sich nicht auf Provokationen ein … Dieses Interviewfragment kann nicht nur als Unterrichtsmaterial für den Politikunterricht, sondern auch für Seminare an Journalistenschulen hilfreich sein.“ Einen Haken gebe es allerdings: „Björn Höcke ist kein normaler Politiker“, darum sei der Vofall für ihn keineswegs ein Schaden. Und „die Rechtsextremen wissen, wie sie selbst aus Interviewsituationen, in denen sie nicht gut wegkommen, politisches Kapital schlagen können“.
Spiegel-online-Kolumnist Stefan Kuzmany hält die Selbstinszenierung des Interviewers allerdings nicht für lehrbuchhaft, sondern für steril: „Gedacht offenbar als Entlarvung ist das ZDF-Interview bis dahin nur ein weiteres Dokument des fruchtlosen Versuchs, den Rechten per Sprachkritik beizukommen. Schaut her, wir haben herausgefunden: Höcke klingt ja wie Hitler! Das allerdings wussten wir bereits.“
Stefan Winterbauer versachlicht die Aufregung („wie das abgebrochene ZDF-Interview mit AfD-Mann Björn Höcke instrumentalisiert wird“ – wir schließen uns seinen Ausführungen weitgehend an) und wirft den Medien bei Meedia vor, Höcke teilweise tendenziös zu ziteren: „Dass zahlreiche Medien und auch der Deutsche Journalisten-Verband die Höcke-Zitate ‚massive Konsequenzen‘ und ‚wissen nicht, was kommt‘ aus dem Zusammenhang reißen und eine diffuse Drohung Höckes gegen das ZDF, den öffentlichen Rundfunk, die Medien, die Demokratie oder was auch immer daraus ableiten, ist aber eben auch nicht fair und Wasser auf die Mühlen jener, die dem Medienbetrieb extrem kritisch gegenüberstehen.“
Mit Unbehagen beobachtet in der Berliner Zeitung Harry Nutt, wie rhetorisch aufgerüstet die Diskussion um das Höcke-Interview ist: „Das Gespräch ist zu einem viralen Hit geworden, weil es hinreichend Stoff für die emotionalen Verwertungsketten der politischen Lager bietet. Bei aller Aversion gegen den unsympathischen Herrn Höcke zeigt es aber auch, dass die Versuche, einen wie ihn auf offener Szene demaskieren wollen, nicht wirklich erfolgreich sind – wie dramaturgisch geschickt sie auch immer angelegt gewesen sein mögen.“ Soweit einige Stimmen aus anderen Medien.
„Berlin direkt“ hat Björn Höcke mit den Antworten seiner Partreifreunde konfrontiert. „Ihre eigenen Leute können jetzt da nicht sagen, ob das noch Höcke oder schon Hitler ist. Was sagt das über Ihre Sprache aus“, lautet die erste Frage. „Das sagt vor allen Dingen, dass die meisten mein Buch gar nicht gelesen haben“, antwortet Höcke in dem Interview, das das ZDF an dieser Stelle komplett online stellt.
Höcke: Es gibt keine Definition von „NS-Sprache“
Im Verlauf des Interviews kritisiert Höcke ein permanentes „Rekurrieren auf den NS“. Verteidigt Begriffe wie „Lebensraum“ oder „Entartung“, die er ebenfalls verwendet. Und sagt: „Ich glaube nicht, dass es eine allgemein gültige Definition dessen gibt, was eine NS-Diktion, was NS-Sprache ist.“ Höcke nennt seine Kritiker, die ihm eine sprachliche Nähe zum Nationalsozialismus vorwerfen „Stellenmarkierer, die nur unterwegs sind, um etwas zu kontaminieren, was angeblich nicht mehr sagbar ist.“
Dass auch AfD-Abgeordnete sprachlich nicht mehr zwischen Höcke und Hitler unterscheiden können, lässt Höcke nicht gelten – ebensowenig, wie ein gut zwei Jahre altes AfD-Gutachten. In diesem Gutachten hat der damalige Bundesvorstand, zu dem neben Frauke Petry auch die heutige AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel gehörte, Höcke eine „Wesensverwandtschaft mit den Reden im Nationalsozialismus“ attestiert.
Darauf angesprochen sagt Höcke: „Sie kennen ja den Begriff des Feindzeugen und eine Partei ist leider kein Kindergarten, sondern eben auch ein System, in dem Machtpolitik betrieben wird.“ Die damalige Vorsitzende Petry habe ihn zu ihrem Lieblingsfeind erklärt. Darüber hinaus habe sich auch der eine oder andere Parteifreund zum Feindzeugen gemacht, indem er die Argumente des politischen Gegners im innerparteilichen Kampf missbraucht habe. „Das beklage ich sehr und das bedauere ich sehr, weil ich das selbst noch nie gemacht habe.“
Bei alledem geht es um Sprache und NS-Begriffe
Erst beantwortet Björn Höcke kritische Fragen. Dann brechen er und sein Sprecher das Interview ab. Höcke droht mit „massiven Konsequenzen“.
In der Tat ist unstrittig, dass sowohl vorab vereinbart worden war, dass sich die Fragen an Höcke mit landes- und bundespolitischen Inhalten beschäftigen würden und dass aber das ZDF sich an diese „Vorgaben“ erst einmal nicht gehalten hat.
Der ZDF-Journalist nutzt die „Gunst der Stunde“ und konfrontiert Höcke mit Zitaten aus seinem Buch „„Nie zweimal in denselben Fluss“.“ Zu diesem Vorgehen muß man zwar verschiedener Meinung sein dürfen,
aber:
auch ich habe Höckes Buch mit einigem Mißfallen gelesen, habe daraus zitiert und kommentiert. Obgleich ich Höckes Meinung, der ZDF-Journalist habe „sich unredlich verhalten“ teile, meine ich dennoch, dass Höcke – wäre er gefragt worden, ob er auf auf Zitate aus diesem Buch Rede und Antwort stehen würde, wahrscheinlich ein Interview abgelehnt hätte; insofern kann ich den Journalisten (pardon) gut verstehen.
Das vom ZDF zur Verfügung gestellte Material mit dem vollen Wortlaut des Interviews mitsamt hintergründigem Gezeter sei unseren Lesern zur Verfügung gestellt – womit wir sie in die Lage versetzen wollen, sich eine eigene Meinung zu bilden.